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03.07.2014 21:30:30

Schäuble: Dieses und nächstes Jahr wahrscheinlich mehr Wachstum als erwartet

   Von Andreas Kißler

   BERLIN--Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr nach Überzeugung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wohl stärker wachsen als bisher von der Regierung erwartet. Das Wachstum werde "wahrscheinlich auch in diesem Jahr und im nächsten Jahr ein bisschen über den Annahmen liegen, die wir in der regierungsamtlichen Prognose zugrundegelegt haben", sagte Schäuble beim Wirtschaftstag des CDU-Wirtschaftsrates in Berlin.

   Die Bundesregierung rechnet bisher mit Zuwächsen von 1,8 und 2,0 Prozent. Sie wird nach den bisherigen Plänen erst im Herbst eine neue Prognose abgeben.

   Die Wirtschaftsforscher haben in der jüngsten Zeit verstärkt vorhergesagt, dass die deutsche Wirtschaft dieses und kommendes Jahr einen Aufschwung auf einer breiten Basis erleben wird. Alle führenden Konjunkturforschungsinstitute haben ihre Prognosen bereits angehoben oder auf hohem Niveau bestätigt, als letztes von ihnen vergangene Woche das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung. Die Ökonomen aus München rechnen nun mit einem Zuwachs des deutschen Bruttoinlandsproduktes von 2,0 Prozent in diesem und 2,2 Prozent im kommenden Jahr.

   Nun könnte auch das nächste Herbstgutachten der Ökonomen positiver ausfallen, das sie im Oktober als "Gemeinschaftsdiagnose" im Auftrag der Bundesregierung veröffentlichen werden. Das Gutachten gilt als richtungsweisend für die kurz danach anstehende neue Regierungsprognose.

   Beim Wirtschaftsrat hielten in einer gemeinsamen Abendveranstaltung neben Schäuble auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Direktoriumsmitglied Benoît CSuré Reden zu europäischen Themen. Die traditionsreiche Veranstaltung stand unter dem Motto "Deutschland und Europa im Wandel: Marktwirtschaft stärken, Zukunft gestalten". Schäubles Rede hatte den Titel "Institutioneller Wandel und Europäische Einigung".

   Weidmann warnte vor einer Aufweichung der Regeln des Stabilitätspakts. "Was die Anwendung der Regeln betrifft, sind allerdings gewisse Zweifel angebracht, wie die aktuelle Diskussion um eine flexible Auslegung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zeigt", sagte er.

   Der vor nicht einmal drei Jahren reformierte Pakt biete großen Ermessensspielraum, und die Beschlüsse des EU-Gipfels von vergangener Woche bergten die Gefahr, erst recht den Vorwand für eine weiche Auslegung zu liefern. "Eine allzu großzügige Auslegung dieses Spielraums würde aber mit Sicherheit der Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspakts schaden", warnte der Bundesbankpräsident.

   Der Pakt sehe mittelfristig ausgeglichene oder nahezu ausgeglichene Haushalte vor, und die 3-Prozent-Defizitmarke sei eine Obergrenze und "kein regelmäßiger Zielwert", betonte er. "Die Kommission sollte die Regeln deshalb eng auslegen, und die Bundesregierung sollte sie darin entschieden unterstützen", verlangte Weidmann.

   Schäuble nahm diese Kritik auf und forderte eine Einhaltung der gesetzten Stabilitätsregeln. "Ich brauche gar nicht über Flexibilität von Verträgen nachdenken", sagte er. "Ich muss sie einfach nur anwenden, ich muss einfach nur das umsetzen, was vereinbart ist." Der Finanzminister stellte klar: "Wir werden den Stabilitätspakt nicht verändern. Die Debatte ist langweilig wie nur was." Diese Debatte sei in Wirklichkeit ein "Ablenkungsmanöver", da es darum gehe, Felder zu identifizieren, in denen man schneller investiere. "Das ist viel intelligenter, als sich über die Flexibilisierung von Regeln, die man nicht einhält, zu unterhalten."

   Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übte am Nachmittag bei derselben Veranstaltung ebenfalls heftige Kritik an den jüngsten Diskussionen um eine Aufweichung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes.

   "Wir haben vor drei Jahren begonnen, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu konkretisieren", sagte sie. "Wir sitzen jetzt wieder da und diskutieren das Gleiche, wo wir uns geschworen haben, dass wir das nie wieder diskutieren." Ausdrücklich warnte die Kanzlerin davor, Europas Ansehen in der Welt zu gefährden. "Europa wird auf der Welt keine Anerkennung bekommen, wenn Jahr für Jahr die gleichen Diskussionen vorgebracht werden", mahnte Merkel, "wenn wir Versprechungen abgeben, die wir nicht einhalten können."

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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