Süßer Suchtstoff |
05.08.2013 03:00:01
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Schoko-Aktien: Warum die Österreicher um ihre Schwedenbomben kämpfen
Wer in Österreich etwas bewegen will, muss entweder Walzer komponieren oder damit drohen, dass es bald keine Schwedenbomben mehr gibt. Kennen Sie nicht? Nun, in der Alpenrepublik ist diese Süßigkeit absolut Kult. Und dann das: Niemetz, der Produzent der österreichischen Schokoküsse — so nennt man den gezuckerten und mit Schokoglasur überzogenen Eiweißschaum in Deutschland —, stand 123 Jahre nach der Gründung vor der Pleite.
Dass es Probleme gab, wusste man: Das Firmengrundstück war 2012 verkauft worden, das Finanzamt hatte wegen Steuerschulden angeklopft. Aber eine Pleite? Unvorstellbar für Österreicher. Dann musste Niemetz im Februar aber doch Insolvenz anmelden. Grund: eine Überschuldung von gerade mal fünf Millionen Euro. Peanuts in Zeiten der Finanzkrise. Doch der Traditionsfirma drohten sie, das Genick zu brechen.
Was folgte, hatte es bis dato noch nicht gegeben. Die Österreicher wollten „ihre“ Schwedenbomben retten. Koste es, was es wolle. Die neu gegründete Facebook-Community „Rettet die Niemetz-Schwedenbomben“ hat binnen 48 Stunden über 30 000 Mitglieder. Deren Mission: So viele Schwedenbomben kaufen wie möglich. Folge: Kunden stürmten die Supermärkte, es bildeten sich Schlangen bis auf die Straße. Vielerorts hieß es „Schwedenbomben ausverkauft“.
So viel Kampfgeist rührte sogar den Insolvenzverwalter: „Es ist ein Wahnsinn, was sich da abspielt.“ Er wies darauf hin: „Die beste Unterstützung ist der Verzehr unserer Schwedenbomben.“ Hätte er gar nicht mehr sagen müssen. Die Umsätze verzehnfachten sich binnen Stunden. Die Produktion wurde hochgefahren bis zum Anschlag: Täglich wurden 350 000 Schwedenbomben produziert — für 8,4 Millionen Österreicher.
Doch es half alles nichts. Niemetz musste verkauft werden. Andere Süßwarenhersteller wie Heindl oder die börsennotierte Manner zeigten Interesse. Letztlich erhielt das Meinl-Imperium den Zuschlag, nachdem auch der Wiener Risikokapitalgeber Gamma Capital Partners (GCP) ausgestiegen war. GCP wollte die Schwedenbomben an die Börse bringen. Die Fans der Kalorienbomben zu Aktionären machen war der Plan. Ob er aufgegangen wäre, scheint fraglich, wenn man sich ähnliche Unternehmen wie die Josef Manner & Comp AG anschaut. Das Unternehmen produziert mit den „Manner-Schnitten“ ebenfalls ein kalorienreiches österreichisches Kulturgut. Doch die Manner-Aktie hält eisern Diät. Wegen der geringen Marktkapitalisierung ist der Wert höchst illiquide, die Performance im Gegensatz zum Produkt mit minus zehn Prozent seit Jahresbeginn äußerst mager und die Dividendenrendite mit knapp über einem Prozent auch nicht gerade fett.
Verlockende Aktien
Auf der Suche nach ertragreichen Investments im Süßwaren- und Zuckersegment muss man schon nach größeren Playern Ausschau halten. Dazu gehört in Österreich Agrana. Das Unternehmen produziert Zucker, Stärke, Fruchtsäfte und -zubereitungen sowie Bioethanol. Mit einem Börsenwert von 1,5 Milliarden Euro ist Agrana zwar auch kein Riese, die Aktie ist für Anleger aber eine wahrhaft süße Versuchung: Seit Anfang 2009 kletterte der Kurs kontinuierlich von 35,73 Euro auf aktuell 102,50 Euro. Zudem ist das Unternehmen günstig: Das KGV liegt bei 10,5, die Dividendenrendite bei 3,5 Prozent.
Allerdings profitierte Agrana bisher von der Abschottung des europäischen Zuckermarkts. Doch bis 2017 soll der Zuckermarkt liberalisiert werden, das könnte für Druck auf die Aktie sorgen, da die Zuckerproduktion in Europa im globalen Vergleich teuer ist. Auch die deutsche Südzucker, die indirekt 37,5 Prozent an Agrana hält und personell mit ihr eng verbandelt ist, könnte das zu spüren bekommen. Allerdings glaubt Independent-Research-Analyst Lars Lusebrink: „Südzucker dürfte ausreichend Zeit haben, sich an das neue Umfeld anzupassen.“
Doch der Konzern ist derzeit auch von anderer Seite unter Druck: Das Bundeskartellamt geht dem Verdacht nach, die drei größten deutschen Zuckerkonzerne — Südzucker sowie die beiden nicht börsennotierten Unternehmen Nordzucker und Pfeifer & Langen — könnten Preise abgesprochen haben. Die Aktie des MDAX-Mitglieds fiel daraufhin kräftig — von über 30 Euro Mitte Mai auf rund 24 Euro Mitte Juli. Bis Ende des Jahres sollen die Verfahren gegen das Zuckerkartell allerdings abgeschlossen sein. Die Analysten sehen den Wert recht positiv, wie sich aus ihren Bewertungen herauslesen lässt: Elf raten zum Kauf. Für zehn Experten ist der Wert eine Halteposition, vier raten aber explizit zum Verkauf. Die Kursziele reichen von 19 bis 35 Euro.
Die bessere Alternative
Positiv sieht es bei der britischen Tate & Lyle aus: Die Aktie, die im britischen Index FTSE 100 notiert ist, läuft — ähnlich wie Agrana — seit Jahren, zudem ist die Marktkapitalisierung rund dreimal so hoch. Der große Unterschied zu Agrana und Südzucker: Tate & Lyle hat sein Zuckergeschäft im Juli 2010 verkauft, setzt seither verstärkt auf den Zuckerersatzstoff Sucralose, der unter dem Namen Splenda auch von PepsiCo, General Mills und Unilever verwendet wird. Nicht unbedingt die schlechteste Strategie in Zeiten ständigen Kalorienzählens.
Gewichtsreduktion, gesunde Ernährung, Diät — das alles ist für Schokoladenhersteller und Süßwarenkonzerne absolut kontraproduktiv. Zumal die Preise für Zucker, Süßstoffe und Kakao steigen. Auch die Aktie des Schweizer Schokoladenkonzerns Barry Callebaut — der Weltmarktführer in Sachen Rohschokolade — hat daher nicht gerade die beste Performance. Auf Jahressicht kam der Kurs kaum vom Fleck. Das könnte sich ändern, gehen Rohstoffhändler doch aufgrund der guten Wetterlage an der Elfenbeinküste von einem steigenden Kakao-Angebot aus, was die Preise für den Rohstoff drücken und die Produktionskosten bei Barry Callebaut senken sollte.
Vom selben Effekt sollte auch der US-Konzern Mondelez profitieren, der das ehemalige Süßwaren- und Snackgeschäft von Kraft Foods betreibt. Mondelez ist nicht nur in Sachen Marktkapitalisierung mit knapp 44 Milliarden Euro ein wahrer Süßwarenriese, auch seine Markenpalette ist enorm groß: Suchard, Milka, Toblerone, Oreo, Bensdorp Schokoladen gehören ebenso dazu wie Kaba, Jacobs Kaffee, Kaffee Hag und Tassimo. Auch der Frischkäse Philadelphia, Mirácoli-Nudeln, Miracel-Whip-Mayonnaise und TUC-Kekse — alles Mondelez. Auch das österreichische Unternehmen Mirabell gehört dem US-Riesen.
Der Kreis schließt sich. Für Mirabell-Produkte würden Österreicher nicht nur Supermärkte stürmen, sondern wohl sogar in den Krieg ziehen, sollte man sie ihnen nehmen: Die Firma produziert die „Echte Salzburger Mozartkugel“ — ein Marzipankern, umgeben von hellem und dunklem Nougat, umhüllt von zartherber Edelschokolade. Dagegen kommen selbst Schwedenbomben nicht an.
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Aktien in diesem Artikel
Barry Callebaut AG (N) | 1 753,00 | 0,17% | |
Josef Manner & Comp AG | 103,00 | 0,00% | |
Mondelez | 61,70 | 0,11% | |
Südzucker AG (Suedzucker AG) | 10,89 | -0,82% |