12.08.2013 18:17:58

Thüringische Landeszeitung: Mordsgeschrei in Berlin / (Kommentar zur Spähaffäre)

Weimar (ots) - Ist in den Monaten vor der Bundestagswahl überhaupt noch seriöse Parlamentsarbeit möglich? Früher war das so. Heute - unter den Bedingungen der Mediendemokratie und der lauten, aber oft ungeprüften Schlagzeilen der Berliner Republik - offensichtlich nicht mehr. Das Mordsgeschrei, das derzeit täglich aus der Bundeshauptstadt dröhnt, ist keine Werbekampagne für den Parlamentarismus. Sachliche Aufklärungsdienste haben die Volksvertreter dem Wahlvolk schon seit längerem nicht mehr geliefert. Schon die Lehre aus dem Drohnen-Spektakel-Ausschuss war eindeutig: In sicherem Abstand vor der Wahl bitte keine Untersuchungsausschüsse mehr!

Und jetzt ist auch noch das für die Sicherheit der Bürger wichtige Parlamentarische Kontrollgremium zur Überwachung der Geheimdienste zum Kasperltheater degradiert.

Während sich Linke und Grüne relativ zurückhalten, ist die SPD maßgeblich für diese Entwicklung verantwortlich. Sie sucht verzweifelt nach einem Wahlkampfhit und hat dabei die sicherheitspolitisch brisante NSA-Ausspähaffäre entdeckt. Doch der Schuss ist nach hinten losgegangen. Nachdem professionelle Vorwurfschleudern wie Sigmar Gabriel und Thomas Oppermann mit dramatisch überzogenen und oft unbewiesenen Schuldzuweisungen auf das Kanzleramt eindroschen, steht nun plötzlich ausgerechnet der Sozialdemokrat jammernd im Zentrum der Schlammschlacht, der die beiden anderen meistens zur Zurückhaltung mahnt: Frank-Walter Steinmeier. Steinmeiers frühere Rolle als Kanzleramtsminister offenbart die Verlogenheit mancher Attacke auf die Regierung. Und so findet sich Steinmeier unversehens und zeternd vor den verschlossenen Türen des Kontrollgremiums. Und Schwarz-Gelb macht sich einen Spaß daraus, ihn nicht reinzulassen. Was für eine Selbstentwürdigung eines ehemaligen Vize-Kanzlers.

Von Bernd Hilder

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