30.06.2018 12:23:42
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Thyssenkrupp und Tata machen Stahl-Joint-Venture perfekt
Von Olaf Ridder
FRANKFURT (Dow Jones)--Thyssenkrupp und Tata Steel führen ihre Stahlgeschäfte zusammen und schmieden den zweitgrößten europäischen Hersteller der Branche. Am Samstag unterzeichneten das deutsche und das britisch-niederländische Unternehmen nach Zustimmung der jeweiligen Aufsichtsgremien den Vertrag zur Gründung des 50:50-Gemeinschaftsunternehmens Thyssenkrupp Tata Steel.
Thyssenkrupp erklärte, die deutsche Seite dürfe laut Vertrag über einen späteren Ausstieg im Wege eines Börsengangs allein entscheiden. Dabei würde der DAX Konzern mit 55 Prozent auch die Mehrheit der Erlöse bekommen. Mit dieser Regelung wurde eine Bewertungslücke geschlossen, die dadurch entstanden war, dass sich das Stahlgeschäft auf deutscher Seite zuletzt deutlich besser entwickelt hatte als das von Tata.
Um Einsparungen von 400 bis 500 Millionen Euro realisieren zu können, sollen etwa 4.000 Stellen in Produktion und Verwaltung gestrichen werden. Auch im Einkauf und bei der Anlagenauslastungen versprechen sich die Partner Synergien.
Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger gelingt mit der Stahlfusion nach zwei Jahren Verhandlungen ein entscheidender Schritt. Er will den Traditionskonzern zu einem reinen Anbieter von Technologien und Industriegütern umbauen, um von der stark schwankenden und von Überkapazitäten geprägten Stahlbranche unabhängiger zu werden. Die künftige Strategie will er dem Aufsichtsrat in der übernächsten Woche vorstellen.
Der Ausstieg aus dem Stahlgeschäft, mit dem sich der Konzern von seinen historischen Wurzeln trennt, war anfangs sehr umstritten. Tausende Stahlkocher hatten lange dagegen protestiert. Ende vergangenen Jahres gewährte die Konzernführung schließlich Garantien für Standorte und Arbeitsplätze bis zum Jahr 2026. Mindestens sechs Jahre werden die beiden Mutterkonzerne bei dem Stahl-Joint-Venture auch mehrheitlich an Bord bleiben, erst dann dürfen sie sich komplett verabschieden. Eine vergleichbare Einigung mit den Arbeitnehmern wurde zuletzt auch auf Seiten von Tata erzielt.
Geführt werden soll die künftige Thyssenkrupp Tata Steel BV mit Sitz im Großraum Amsterdam über einen Vorstand und einen Aufsichtsrat, deren jeweils sechs Mitglieder von beiden Partnern paritätisch besetzt werden. Die Arbeitnehmer sollen zu strategischen Fragen in einem Employee Executive Committee (EEC) konsultiert werden. Wer Chef des Stahlunternehmens mit 48.000 Mitarbeitern wird, ist noch offen. Ebenfalls fehlt noch das Okay diverser Aufseher, darunter die Europäische Kommission.
Mit einem Jahresumsatz von rund 15 Milliarden Euro und einer Jahresproduktion von 21 Millionen Tonnen Flachstahl wird das neue Unternehmen die Nummer zwei in Europas Stahlbranche hinter Arcelormittal. Tata-Steel-Chairman Natarajan Chandrasekaran erklärte, es entstehe ein paneuropäisches Stahlunternehmen, "das strukturell robust und wettbewerbsfähig ist". Am Markt soll das Unternehmen als Qualitäts- und Technologieführer positioniert werden. Dadurch könne es in höherwertigen Produktsegmenten stärker wachsen als der Gesamtmarkt, erklärte Thyssenkrupp.
Für Konzernchef Hiesinger ist die Ausgliederung des Stahlgeschäfts zwar ein Meilenstein, aber nur ein Zwischenschritt im Umbauprozess: Denkbar ist, dass er dem Aufsichtsrat als nächstes die Trennung von der Werkstoffhandelssparte vorschlägt. Material Services sei ein völlig eigenständiges Geschäft und kein Vertriebskanal für den selbst erzeugten Stahl. Insofern könne man über die Sparte zukünftig "völlig frei entscheiden", hatte er auf der Hauptversammlung im Januar erklärt.
Hiesinger steht bei seinen großen Aktionären Cevian und Elliott unter Druck: Dem früheren Siemens-Manager ist es zwar gelungen, den Konzern vor dem Zusammenbruch zu bewahren, nachdem sich die vorherige Konzernführung mit großen Stahlinvestitionen in Amerika verspekuliert hatte. Allerdings hat er es bislang nicht vermocht, in den Industriegeschäften rund um Aufzüge und Rolltreppen, Autoteile, Industrieanlagen und Schiffbau Renditen zu erwirtschaften, die seine Anteilseigner und den Finanzmarkt zufriedenstellen.
Zu weiteren Details wollen sich Thyssenkrupp-Chef Hiesinger und Tata-Chairman Chandrasekaran am Montag auf einer Pressekonferenz in Brüssel äußern.
Kontakt zum Autor: olaf.ridder@wsj.com
DJG/rio
(END) Dow Jones Newswires
June 30, 2018 06:23 ET (10:23 GMT)

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