19.04.2015 18:11:39
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Trefferquote 7 Prozent: Ausmusterung des Sturmgewehrs G36 gefordert
BERLIN (dpa-AFX) - Nach einem verheerenden Zeugnis für die Treffsicherheit des Sturmgewehrs G36 wird der Ruf nach einer Ersatzwaffe für die Bundeswehr immer lauter. Politiker von SPD und Grünen sowie das Planungsamt der Bundeswehr mahnen eine baldige Lösung an. Das Bundesamt für Ausrüstung stellt sich wegen notwendiger Tests und strenger Vergaberichtlinien aber quer. Der Hersteller Heckler & Koch verteidigte sein Gewehr am Wochenende als voll einsatzfähig.
In einem am Freitag vorgelegten Expertengutachten im Auftrag des Verteidigungsministeriums wird dem überwiegend aus Kunststoff bestehenden Gewehr eine unzureichende Treffsicherheit bescheinigt. Bei einer Temperaturveränderung um 30 Grad nahm die Treffsicherheit bis zu einer Quote von nur noch 7 Prozent ab. Gefordert werden von der Bundeswehr 90 Prozent.
"Das bedeutet für den Soldaten im Einsatz, dass der Gegner selbst mit den ersten Schüssen nicht gezielt getroffen werden kann", schreiben die Experten in dem 372 Seiten starken Gutachten, das der Deutschen Presse-Agentur in Auszügen vorliegt. Die Befunde für Dauerfeuer sind ähnlich deutlich. Schon nach 60 Schuss könne die Waffe den Gegner nicht mehr zuverlässig treffen.
Der Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels, fordert nun schnelle Konsequenzen. "Die Bundeswehr muss für das G36 ein neues Gewehr anschaffen, da es offenbar nur begrenzt einsatzfähig ist", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag". Auch der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner forderte eine zügige Nachbesserung des G36 oder eine neue Waffe.
Das Planungsamt der Bundeswehr verlangt in dem Gutachten zumindest für die Soldaten im Einsatz neue Gewehr als Übergangslösung. Das Bundesamt für Ausrüstung hält eine kurzfristige Lösung dagegen wegen praktischer und rechtlicher Hürden nicht für machbar und meint, dass die Bundeswehr nun zunächst Gewehre aus den eigenen Beständen nutzen sollte. Unter anderem hat sie mit dem G3 noch das Vorgängermodell des G36. Eine komplette Ausmusterung der rund 167 000 Waffen vom Typ G36 würde nach Schätzung der Behörde bis zu zehn Jahre dauern.
Zweifel an der Treffsicherheit waren dem Verteidigungsministerium mindestens seit November 2011 bekannt. Zunächst waren aber kaum Konsequenzen gezogen worden. Das neue Gutachten gab Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Juli 2014 in Auftrag.
Die Opposition wirft der CDU-Politikerin nun zu langes Zögern vor. "Die Ministerin ist vielleicht keine Sachverständige für Gewehre, aber sie ist immerhin die Ministerin und sollte ihren Laden im Griff haben", sagte Linken-Rüstungsexperte Jan van Aken.
Heckler & Koch wirft dem Ministerium Rufschädigung vor. "Es kann einfach nicht sein, dass nun nach zwanzig Jahren entdeckt wird: Das Gewehr taugt nichts", sagte Andreas Heeschen, der Eigentümer der Herstellerfirma, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Vollauf zufrieden mit dem G36 sind die kurdischen Peschmerga-Kämpfer im Nordirak, die im vergangenen Herbst 8000 der Sturmgewehre für ihren Kampf gegen die Terrormiliz IS von der Bundeswehr erhielten. "Die Waffe ist super", sagte der Peschmerga-Minister Mustafa Sajid Kadir der dpa. "Wir hätten gerne mehr davon."/mfi/DP/he
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