22.07.2015 17:34:45
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Trotz gescheiterter Politik ist Tsipras immer noch ungeheuer beliebt
Von Nektaria Stamouli
ATHEN (Dow Jones)--Gerade erst brachte er härte Rettungsauflagen mit nach Hause als jene, bei denen er zuvor seinen Landsleuten in einer Volksabstimmung eine Ablehnung empfohlen hatte. Und wegen der Zuspitzung der finanziellen Lage des Landes hatte er gerade erst Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Doch der Popularität des griechischen Premierministers Alexis Tsipras tut das keinen Abbruch.Kurz bevor das Parlament am Mittwoch über eine zweite Runde neuer, von den Gläubigern geforderter Wirtschaftsreformen abstimmt, ist und bleibt Tsipras die wichtigste politische Figur des Landes - obwohl er seine ablehnende Haltung gegenüber der Sparpolitik aufgegeben und einen großen Teil seiner Syriza-Parteikollegen vergrault hat.
Die Abstimmung dürfte ähnlich ausgehen wie die Entscheidung zum ersten Reformpaket, das vergangene Woche verabschiedet wurde. Tsipras verlor einige Unterstützung aus seiner Partei, gewann jedoch Stimmen von Oppositionspolitikern, die die Einigung mit den Gläubigern für die einzige Möglichkeit halten, einen katastrophalen Grexit zu vermeiden.
Wähler honorieren Tsipras' Kampf Über 60 Prozent der Wähler sind mit Tsipras zufrieden, zeigt eine aktuelle Umfrage von Kapa Research. Die Griechen finden, dass er zwar den Machtkampf mit den Gläubigern verloren, jedoch zumindest für eine bessere Lösung gekämpft habe. Fünf Monate dauerten die Verhandlungen, die vergangene Woche mit einer vorläufigen Einigung endeten und Griechenland 86 Milliarden Euro Hilfsgelder in Aussicht stellen.
"Natürlich erkennen die Menschen, dass Tsipras Fehler gemacht hat. Aber sie erkennen an, dass er versucht hat, etwas Besseres zu erreichen", sagt John Loulis, politischer Analyst bei der Athener Kommunikationsberatung STR.
Hinzu kommt, dass die jetzigen Oppositionsparteien für viele Griechen keine Alternative sind. Die Griechen wollen nicht zu den Parteien und Politikern zurückkehren, die einst im Land regierten und denen viele die Schuld an der Krise geben. "Politische Dominanz tritt ein, wenn es kaum Opposition gibt", sagt Loulis. "Seine politischen Gegner gelten als verhasst. Die Griechen ziehen nicht einmal in Erwägung, sie zurück zu holen."
Syriza doppelt so beliebt wie Oppositionspartei Neue Demokratie Wenn jetzt vorgezogene Wahlen stattfänden, würden 42,5 Prozent der Griechen für Syriza stimmen, fast doppelt so viele, wie sich für die wichtigste Oppositionspartei Neue Demokratie entscheiden würden (21,5 Prozent). Das zeigt eine Umfrage vom vergangenen Wochenende der Umfrageorganisation Palmos Analysis.
Die große Unterstützung für Syriza ist umso überraschender, weil die Partei tief gespalten ist. Ein Viertel der Partei stimmte im Parlament vergangene Woche gegen den Premier. Von den 149 Politikern in Tsipras' Partei stimmten 32 gegen die Reformmaßnahmen, darunter drei Kabinettsminister und der ehemalige Finanzminister Giannis Varoufakis. Sechs enthielten sich.
Tsipras hat seine Taktik verändert. Das ganze Jahr über hatte er versucht, es allen Teilen von Syriza recht zu machen - auch den linkspolitischen Hardlinern, die Sparpolitik generell ablehnen, selbst wenn das zu einem Grexit führen würde. Nun zeigt Tsipras, dass er bereit ist, es mit Dissidenten direkt aufzunehmen. Bei einem Treffen mit seinen wichtigsten Beratern am Dienstag kritisierte Tsipras seine Gegner innerhalb der Partei scharf und warnte sie davor, sich hinter seiner Unterschrift zu verstecken, berichten hochrangige Regierungsvertreter.
"Bisher habe ich Reaktionen gesehen, ich habe heldenhafte Aussagen gelesen, aber ich habe noch keinen Alternativvorschlag gehört", sagte Tsipras laut diesen Regierungsvertretern. Tsipras sagte bei dem Treffen, dass die Syriza-Rebellen ihre Alternativen dem griechischen Volk erklären sollten, wenn sie solche hätten. Möglich wäre es zum Beispiel, die Eurozone einige Jahre lang zu verlassen. Das hatte auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagen.
Die Kritik richtete sich vor allem am Varoufakis und an Panagiotis Lafazanis, den Anführer der linken Plattform innerhalb von Syriza. Von dort stammt ein Großteil seiner Gegner.
Neuwahlen im Herbst? Regierungsvertreter sagen, dass Tsipras jetzt als erstes ein Rettungspaket auf den Weg bringen will und sich danach mit den Streitigkeiten innerhalb seiner Partei auseinandersetzen will. Syriza dürfte Anfang Herbst einen Parteitag veranstalten, bei der sich die Partei aufspalten dürfte. Beobachter erwarten, dass es später im Herbst zu Neuwahlen kommen wird.
Um den Widerspruch bei der Parlamentsabstimmung am Mittwoch gering zu halten, ließ die Regierung Steuererhöhungen für Bauern und neue Regeln zur Frühverrentung außen vor. Diese Maßnahmen wurden besonders kritisiert. Das Parlament muss sie in den kommenden Monaten jedoch noch absegnen, da Tsipras ihre Umsetzung als Teil der Rettungsverhandlungen versprochen hatte.
Das Parlament entscheidet heute also über die Umsetzung von EU-Regeln zur Bankenrettung, laut denen auch private Investoren Verluste hinnehmen müssten, wenn Steuergelder nötig werden. Außerdem sollen Zwangsversteigerungen und das Zivilrecht reformiert werden, sodass Gerichtsverhandlungen schneller abgewickelt werden.
Regierungssprecherin Olga Gerovasili sagte in einer Stellungnahme vom Dienstag, dass die Regierung bis 20. August die Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern abschließen wolle. Vertreter des Internationalen Währungsfonds haben signalisiert, es werde wohl einige Wochen länger dauern, um ein neues Rettungsprogramm zu entwickeln.
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July 22, 2015 11:34 ET (15:34 GMT)
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