15.09.2014 17:01:30
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Unions-Abgeordnete wollen großen Wurf bei Bund-Länder-Finanzen
Von Andreas Kißler
BERLIN--Beinahe täglich kommen neue Vorschläge, wie Bund und Länder am besten ihre Finanzbeziehungen neu ordnen sollten. Es geht dabei um Stellschrauben wie eine neue Verteilung von Einnahmen und Ausgaben, eine Neuausrichtung des Solidaritätszuschlages, Zugeständnisse bei der Schuldenbremse, die Tilgung von Altschulden oder gemeinsame Anleihen von Bund und Ländern.
Den Steuerzahler soll die Reform auf jeden Fall nicht mehr kosten, wird aus dem Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beteuert. Doch der Unions-Bundestagsfraktion geht das nicht weit genug: Sie fordert einen großen Wurf bei der Neuordnung, die im Koalitionsvertrag vereinbart ist und ab 2020 greifen soll.
"Man sollte den Mut haben, strukturelle Veränderungen zu machen, und zwar gerade jetzt", verlangt Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus, Leiter einer Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen zu dem Thema. "Man sollte richtig große Schritte machen."
Den Zeitplan und die großen Themen dafür haben CDU, CSU und SPD schon in ihrem Koalitionsvertrag vorgegeben. "Spätestens Ende 2019 müssen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geordnet sein", heißt es dort. "In dieser Legislaturperiode müssen dafür die Weichen gestellt werden."
Der Koalitionsvertrag nennt neben der Reform des Länderfinanzausgleichs und der Zukunft des Solidaritätszuschlags auch die Schaffung von Voraussetzungen für die dauerhafte Einhaltung der neuen Schuldenregel in den Ländern, die Einnahmen- und Aufgabenverteilung sowie Eigenverantwortung der föderalen Ebenen und den Komplex "Altschulden, Finanzierungsmodalitäten und Zinslasten".
Vorschläge dafür hat Schäuble schon gemacht. In einem gemeinsamen Papier mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) setzt er sich für eine Entflechtung der Aufgaben und Finanzströme von Bund und Ländern ein, deren Ziel "die richtige Zuordnung der Aufgaben unter dem Gesichtspunkt einer sinnvollen und effizienten Aufgabenerledigung" sein soll.
Darunter fassen beide Politiker eine Neuregelung sozialpolitischer Leistungen wie der Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger, der Eingliederungshilfe für Behinderte, von Wohngeld und Wohnungsbaufördermitteln.
Teil der von Schäuble und Scholz skizzierten Finanzreform ist laut dem Papier, in das das Wall Street Journal Deutschland Einblick hatte, auch eine Integration des Solidaritätszuschlages "in die Tarife der Gemeinschaftssteuern".
Zur Zukunft des "Soli", der vergangenes Jahr rund 14,4 Milliarden Euro in die Kassen des Bundes spülte, werden derzeit gleich mehrere Varianten diskutiert. Eine davon ist die Ablösung dieser ausschließlich dem Bund zukommenden Abgabe durch einen Aufschlag auf Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer und Kapitalertragssteuer, von deren Einnahmen ein Teil auch an die Länder geht. Schäuble will im Zuge einer Einkommensteuer-Tarifreform auch einen Abbau der so genannten kalten Progression erreichen.
Als Zugeständnis an die Länder erwägt er zudem unter anderem eine Zusammenführung des Schuldenmanagements von Bund und Ländern beim Bund. "Dazu werden gemeinsame Anleihen begeben", heißt es in dem Papier. Dies würde für die Länder günstigere Zinskonditionen bedeuten, ginge jedoch je nach Ausgestaltung mit mehr oder weniger hohen rechtlichen Hürden einher. Offenbar will Schäuble den Ländern im Zuge der Neuordnung der Finanzbeziehungen auch mehr Schulden erlauben. Nach seinen Vorstellungen soll der Bund laut Süddeutscher Zeitung ab 2020 nur noch Kredite in Höhe von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufnehmen können, während den Ländern 0,15 Prozent zur Verfügung stünden. Eigentlich dürfen die Länder laut Grundgesetz dann gar keine neuen Schulden mehr machen, während der Bund sich mit 0,35 Prozent des BIP neu verschulden kann.
Allerdings scheint Schäuble entschlossen, die Steuerzahler für ein mögliches Entgegenkommen gegenüber den Ländern nicht an anderer Stelle um so kräftiger zur Kasse zu bitten. "Am Ende wird es keine Mehrbelastungen der Steuerzahler geben", hieß es aus dem Finanzministerium.
Schäuble hat die Länder bereits davor gewarnt, auf zusätzliche Mittel des Bundes zu setzen. "Bei aller Kreativität der gegenwärtigen Vorschläge zum künftigen Schicksal des Solidaritätszuschlages" dürfe nicht übersehen werden, dass der Bund den Ländern bei Einführung des Zuschlags Mehrwertsteueranteile übertragen habe, sagte er jüngst im Bundestag. "Das zeigt, dass die Spielräume des Bundes für weiteres Entgegenkommen gegenüber den Ländern sehr begrenzt sind."
Weil sich auch die Parlamentarier der Union entschlossen zeigen, den Bund finanziell schadlos halten zu wollen, läuft alles auf einen großen Konflikt mit den Ländern hinaus. "Dass das gesamte Paket so neu geordnet wird, dass eine signifikante Mehrbelastung des Bundeshaushaltes dabei herauskommt, das lehnen wir ab", betont Brinkhaus. Doch der Bund wird für eine tragfähige Lösung letztlich nicht umhin kommen, den Ländern finanzielle Zugeständnisse zu machen.
Der Finanzminister will den Ländern im Gegenzug aber eine Reihe von Gegenleistungen abfordern. Der Bund besteht auf einem Ausgleich von Belastungen, die ihm durch die Soli-Neuordnung und durch die Entflechtung von Aufgaben entstehen. Solche Maßnahmen könnten "eine Erhöhung des Anteils des Bundes am bestehenden Aufkommen der Umsatzsteuer erfordern", heißt es in dem vertraulichen Papier.
Derzeit erhalten Bund und Länder je 42,5 Prozent aus dem Umsatzsteueraufkommen, der Rest entfällt auf die Kommunen. Der Bund hatte den Ländern aber bei der Einführung des Soli sieben Umsatzsteuerpunkte übertragen, die er nun zurückfordern könnte.
Außerdem will der Finanzminister mehr Kontrolle über das Finanzgebaren der Länder erreichen. Deshalb soll der Stabilitätsrat, der die Finanzen von Bund und Ländern überwacht, die Aufgabe erhalten, konkret die Einhaltung der Schuldenbremse zu überwachen. Überziehen einzelne Länder auch nach 2020 ihre Neuverschuldung, soll das Gremium verbindliche Sanierungspfade vorgeben können. Aus den Ländern sind diese Vorschläge aber zum Teil bereits heftig kritisiert worden.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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September 15, 2014 10:31 ET (14:31 GMT)
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