03.07.2013 17:15:35
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UPDATE: Europaparlament beschließt Eingriff in den CO2-Markt
-- 900 Millionen Verschmutzungsrechte werden später versteigert
-- EU-Staaten müssen noch zustimmen, damit Gesetz wirksam wird
-- Rösler und Altmaier weiter uneins
(UPDATE: Stimmen Rösler und Altmaier, Hintergrund)
Von Claudia Wiese
STRASSBURG-Im zweiten Anlauf ist es gelungen: Nachdem das Europäische Parlament im April gegen eine Erhöhung der Kohlendioxidpreise gestimmt hatte, stimmte es am Mittwochmittag knapp dafür. Sprechen sich nun auch die EU-Mitgliedstaaten für das sogenannte Backloading aus, werden 900 Millionen CO2-Zertifikate später versteigert als geplant, um den Überschuss an Verschmutzungsrechten im Markt zeitweise zu verringern und die Preise damit in die Höhe zu treiben. Das Parlament beschloss, direkt Verhandlungen mit den EU-Staaten aufnehmen zu wollen.
Der litauische Umweltminister, Valentinas Mazuronis, erklärte auf Nachfrage von Dow Jones, man sei bereit mit dem Parlament in einen "konstruktiven Dialog" zu treten und zuversichtlich, dass "effektiv und rasch" eine Einigung gefunden werde, um die Stabilität und Funktion des CO2-Marktes zu verbessern. Litauen hat bis Jahresende die Präsidentschaft für den EU-Ministerrat inne und ist daher dafür zuständig, die Verhandlungen zu organisieren und zu vermitteln.
Laut dem zuständigen Berichterstatter im Parlament Matthias Groote (SPD) entspricht der Text, dem das Parlament nun zugestimmt hat, aber bereits eins zu eins einem informellen Entwurf des EU-Ministerrates, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind. Einer raschen Zustimmung der Staaten steht eigentlich nichts im Wege.
Offiziell hat der Ministerrat aber noch keine gemeinsame Position. So sprechen sich etwa Großbritannien, die Niederlande und Frankreich für Backloading aus, Polen ist dagegen. In Deutschland können sich wiederum Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nicht einigen.
"Der Beschluss des EU-Parlamentes ist eine gute Grundlage für eine tragfähige Lösung", sagte der Bundesumweltminister. Altmaiers Fernziel bleibt jedoch der komplette Umbau des Handels mit Verschmutzungsrechten. Trotz Backloadings werde im jetzigen System das Angebot an Zertifikaten die Nachfrage erheblich übersteigen. Damit bleibt der Preis für die Verschmutzung der Luft gering, die Unternehmen sind nicht gezwungen in umweltfreundliche Technik zu investieren.
Deutliche Kritik am Beschluss der EU-Parlamentarier kam aus dem Hause Röslers. Der FDP-Minister lehnt einen Eingriff in den Markt ab, um der Industrie Mehrkosten zu ersparen. "Eine Verknappung der Zertifikate würde zudem unsere Industrie zusätzlich belasten, der Wettbewerbsfähigkeit schaden und Arbeitsplätze gefährden. Kein Arbeitsplatz darf leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden", erklärte sein Ministerium.
Der Beschluss des EU-Parlaments hat auch seine kuriose Seite. Nach der Ablehnung im April erarbeitete der federführende Umweltausschuss extra spezielle Bedingungen, die an die Auktionsverschiebung gestellt werden sollten, um damit die Kritiker des Backloading zur Zustimmung zu bewegen. Doch genau diese Kompromisse - eine schnelle Rückgabe der Zertifikate in den Markt und ein Fonds für energieeffiziente Technologien - wurden von den Abgeordneten nun abgelehnt. Damit stimmte das Parlament inhaltlich dem gleichen Vorschlag zu, der im April noch abgelehnt wurde.
Umweltverbände und die Energiebranche hatten diesen Markteingriff lange gefordert. Sie sehen die Funktion des seit 2005 bestehenden Emissionshandels - das Flaggschiff der EU im Kampf gegen den Klimawandel - durch die extrem niedrigen Preise bedroht.
Doch aufgrund der Wirtschaftskrise und des rasanten Ausbaus der erneuerbaren Energie hat sich im Markt ein enormer Überschuss an Zertifikaten angesammelt, was den Preis für den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid seit Monaten unter 5 Euro hält. Die Politik hatte mit weit höheren Preisen gerechnet. In Deutschland soll mit den Einnahmen unter anderem die Energiewende kofinanziert werden.
Der Preis für den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid, der kurz vor der Abstimmung sogar bei unter 4 Euro lag, stieg direkt nach der Abstimmung um rund einen Euro auf über 4,60 Euro. "Der Markt ist extrem volatil", kommentierte allerdings ein Analyst von UniCredit.
Die Industrie hingegen kritisiert den Markteingriff. Schon im Vorfeld appellierten unter anderem der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und die Wirtschaftsvereinigung Stahl an die Abgeordneten, gegen Backloading zu stimmen. Die Unternehmen fürchten durch höhere CO2-Preise auch höhere Strompreise und betonen, dass der Emissionshandel funktioniert. Die Ziele des Emissionshandels würden ohne einen Markteingriff erfüllt, betonte etwa der WV-Stahl-Präsident, Hans Jürgen Kerkhoff. DIHK- Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben kritisierte, dass Backloading zu steigenden Energiepreisen und großer Unsicherheit führen werde. Das werde die Unternehmen davon abhalten, zu investieren.
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
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July 03, 2013 10:44 ET (14:44 GMT)
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