14.08.2015 23:17:46
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UPDATE2/Euro-Finanzminister beschließen drittes Hilfspaket für Griechenland
-- Paket umfasst 86 Milliarden Euro für drei Jahre
-- Eurogruppe spricht von "positiver Einschätzung" des IWF
-- Schäuble sieht "guten Tag" und Chance für Griechenland
(NEU: Schäuble)
Von Andreas Kißler
BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--Die Finanzminister der Euro-Länder haben am Freitagabend grünes Licht für bis zu 86 Milliarden Euro an neuen Finanzhilfen für Griechenland gegeben. "Wir haben nun eine Vereinbarung auf politischer Ebene in der Eurogruppe erreicht", gab Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nach dem Ende eines Sondertreffens in Brüssel bekannt.
Die Mittel sollen über drei Jahre vor allem aus dem Euro-Rettungsfonds ESM fließen. Dessen Chef Klaus Regling sagte nach dem Treffen, er erwarte aber auch einen Beitrag des Internationalen Währungsfonds (IWF) und aus Privatisierungen. In einem Statement erklärte die Eurogruppe, IWF-Chefin Christine Lagarde habe eine "positive Einschätzung" der in der Programmerklärung enthaltenen Politikkonditionalität bestätigt.
Deutschland hatte zuvor ein Bekenntnis des IWF zu den mit Athen ausgehandelten Bedingungen für die Hilfen gefordert. Ein solches habe Lagarde, die der Sitzung zugeschaltet war, aber nicht abgegeben, sagte Dijsselbloem. In einem Dokument erklärte der IWF, das griecische Programm benötige noch Details zu Pensionsreformen und zur Verbesserung des Vertrauens in Banken. Lagarde sprach sich für einen deutlichen Schuldennachlass über das Bisherige hinaus aus.
Als erste Tranche soll Athen nach Dijsselbloems Worten 26 Milliarden Euro erhalten. Davon sollen 13 Milliarden Euro direkt am nächsten Donnerstag nach Athen fließen und weitere 10 Milliarden Euro in einen getrennten Fonds zur Bankenrekapitalisierung gehen. Die durchschnittliche Laufzeit der Kredite betrage 32,5 Jahre.
Schäuble sieht Chance für Griechenland
Im Gegenzug hat sich Athen zu einer umfangreichen Liste an Reformen verpflichtet, deren Umsetzung in regelmäßigen Abständen von den Geldgebern überprüft werden sollen. Die Einigung beendet monatelange Verhandlungen zwischen der linksgerichteten Regierung in Athen und den Geldgebern des unmittelbar von der Staatspleite bedrohten Landes.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einem "guten Tag" und einer "Chance" für Griechenland. "Wir haben uns jetzt in der Eurogruppe auf einen gemeinsamen Vorschlag verständigt auf der Linie dessen, was die drei Institutionen mit Griechenland vereinbart haben", sagte er. Manche Vereinbarungen seien aber noch verändert worden, unter anderem mit Blick auf Pensionsreformen.
Schäuble hofft nun auf ein Mandat des Bundestages, um die Mittel freizugeben. "Es wäre völlig unverantwortlich, wenn man diese Chance nicht nutzen würde", hob er hervor. Er habe auch bereits mit den Sprechern der Fraktionen in den Ausschüssen telefoniert und ihnen "eine erste Information" übermittelt.
Lagarde habe erklärt, dass sie bei Vorliegen der Bedingungen eine entsprechende finanzielle Beteiligung des IWF empfehlen werde. "Wir haben diese Absicht ausdrücklich begrüßt", berichtete der deutsche Finanzminister. Schäuble hatte bereits vor der Sondersitzung der Eurogruppe in Brüssel Optimismus verbreitet, aber auch ausdrücklich auf einem "möglichst verbindlichen Commitment" des IWF zu dem Programm beharrt.
Griechenland braucht laut den Schätzungen seiner Geldgeber, die Grundlage für die Beratungen in Brüssel waren, bis Ende Oktober möglicherweise bis zu 41 Milliarden Euro frischen Kredit, um seine Schulden zu bedienen und den Bankensektor zu rekapitalisieren. Diese Summe nennen die Institutionen - die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB), der Euro-Rettungsschirm ESM und der IWF - in ihrer Finanzbedarfsschätzung für das Hilfsprogramm, in die Dow Jones Newswires Einblick hatte.
IWF besteht auf griechischer Schuldentragfähigkeit
Der gesamte griechische Finanzbedarf wird in dem Papier, über das die Finanzminister der Eurogruppe in ihrer Sitzung berieten, für drei Jahre auf 91,7 Milliarden Euro beziffert. Reduziert werden soll er durch Privatisierungserlöse von 6,2 Milliarden Euro, sodass "bis zu 86 Milliarden Euro" finanziert werden müssen.
Der IWF hat Schuldenerleichterungen für Athen gefordert, weil seine Regularien Kredite für ein Land nur bei dessen ausreichender Schuldentragfähigkeit gestatten. Deutschland und andere Euro-Länder bestanden aber darauf, dass die EU-Verträge keinen Schnitt der nominal ausstehenden Schulden zulassen.
Ein Kompromiss soll nun darin bestehen, eine weitere Restrukturierung der griechischen Schulden anzugehen, wenn Athen Reformen umsetzt. Dies könnte die zins- und tilgungsfreien Zeiten ebenso betreffen wie die Dauer der Tilgung und das Zinsniveau. Einen Schuldenschnitt lehnte die Eurogruppe in einer Erklärung nach dem Treffen ab. Manche Unions-Abgeordnete sehen allerdings bereits in Schuldenstreckungen einen Schuldenschnitt durch die Hintertür, den sie ablehnen.
In ihrer Analyse der griechischen Schuldentragfähigkeit haben Kommission, EZB und ESM die künftige Verschuldung Griechenlands allerdings inzwischen wesentlich pessimistischer beurteilt als bisher. Selbst wenn Athen das geplante Reformprogramm umsetze, dürfte die Verschuldung im Jahr 2022 nach ihren jüngsten Berechnungen bei 159,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen. Ursprünglich sollte sie bis dahin auf unter 110 Prozent sinken. Dieses Niveau wurde damals auch in Aussicht gestellt, um den IWF an Bord zu halten.
Bundestag soll nächste Woche abstimmen
Nach der Einigung der Euro-Länder über die Hilfen dürfte der Bundestag kommende Woche darüber abstimmen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat in einem Schreiben an die Abgeordneten bereits Dienstag oder Mittwoch als Termine für eine Sondersitzung genannt. Die Zeit drängt, denn bis zum Donnerstag muss Athen 3,2 Milliarden Euro an die EZB zurückzahlen.
Athen verpflichtet sich in dem mit den Geldgebern vereinbarten 29seitigen "Memorandum of Understanding" dazu, mittelfristig einen Primärüberschuss - also ein Haushaltsplus ohne Zinszahlungen - von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung zu erreichen. Vorgesehen ist dies in Stufen über zunächst minus 0,25 Prozent in diesem Jahr, 0,5 Prozent im Jahr 2016 und 1,75 Prozent in 2017. Die Eurogruppe bestätigt das. Dies soll durch eine Steuerreform geschafft werden, die auch das Mehrwertsteuer- und das Rentensystem umfasst.
Athen verspricht umfassende Reformen
Um das Problem notleidender Kredite in den Griff zu bekommen, soll Athen die Rekapitalisierung der notleidenden Banken noch vor Ende dieses Jahres abschließen. Dijsselbloem sagte, Anleiheinhaber würden hierzu einen Beitrag leisten müssen - aber Einleger nicht. Um Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Investitionen zu stärken, muss Griechenland eine breite Zahl von Reformen an den Arbeits- und Produktmärkten anstoßen, besonders auch im Energiebereich.
Die Vereinbarung verspricht zudem ein "ambitioniertes Privatisierungsprogramm". Athen muss nach der Einigung der Eurogruppe einen neuen Privatisierungsfonds über 50 Milliarden Euro bis Jahresende auf den Weg bringen. Bei dem geplanten Verkauf von Staatseigentum verpflichtet sich Griechenland dazu, "unumkehrbare Schritte zu unternehmen", um das Stromnetz zu privatisieren. Auch sagt Athen bindende Gebotsdaten für die Häfen Piräus und Thessaloniki zu. Eine der Prioritäten des Programms soll die Schaffung besseren Staatswesen und effizienterer Verwaltung sein.
Die deutsche Wirtschaft hat bereits ihre Unterstützung für eine Einigung mit Athen signalisiert. "Wir Deutschen sollten nicht die Position der Besserwisser einnehmen", mahnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit Dow Jones Newswires. Darin forderte er eine "Entwicklungsperspektive" für Griechenland. "Deswegen setzen wir darauf, dass der nächste Schritt getan wird."
(Mitarbeit: Gabriele Steinhauser und Stefan Lange)
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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August 14, 2015 16:47 ET (20:47 GMT)
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