18.03.2016 20:58:47
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UPDATE3/EU geht umstrittenen Flüchtlingspakt mit Ankara ein
--Ab Sonntag in Griechenland ankommende Flüchtlinge sollen in die Türkei zurückgeschickt werden
--Abschiebungen werde wegen Vorbereitungen erst am 4. April starten
--Merkel: Europa wird es schaffen
(NEU: Davutoglu sieht historischen Tag, Tusk keine Wunderlösung, Abschiebungen starten laut Merkel am 4. April)
BRüSSEL (AFP)--Der umstrittene Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei steht: Auf dem EU-Gipfel am Freitag vereinbarten beide Seiten, alle ab Sonntag auf illegalen Wegen in Griechenland ankommenden Flüchtlinge in die Türkei zurückzuschicken. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sah die Vereinbarung als Beweis, dass Europa zu gemeinsamem Handeln fähig ist. Die türkische Regierung sprach von einem "historischen Tag" in den Beziehungen zur EU.
Merkel sieht in der Vereinbarung die Chance zu einer europäischen Lösung. "Europa wird es schaffen, auch diese schwierige Bewährungsprobe zu bestehen", sagte sie. Sie mache sich aber "keine Illusionen", dass mit der Vereinbarung "auch weiter Rückschläge verbunden sein werden". EU-Ratschef Donald Tusk sprach von einem "Durchbruch" in der Flüchtlingsfrage. Gleichzeitig sei die Vereinbarung aber auch "keine Wunderlösung".
Die Türkei und die EU hätten "ein gemeinsames Schicksal und eine gemeinsame Zukunft", sagte der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu, der den Deal in Brüssel ausgehandelt hatte. Der Beitrittsprozess seines Landes werde "vertieft" und die Partnerschaft gewinne an strategischem Gewicht.
Denn im Gegenzug für die Flüchtlingsrücknahme will die EU der Türkei bis Juni Visafreiheit gewähren und ein weiteres Kapitel der Beitrittsverhandlungen eröffnen sowie weitere Kapitel vorbereiten. Davutoglu sagte, seine Regierung werde bis Mai alle 72 Kriterien erfüllen, die für die Aufhebung des Visazwangs verlangt werden.
Ziel des Flüchtlingspaktes sei es, das Geschäft krimineller Schleuser zu zerstören, sagte Merkel. Flüchtlinge, die ab Sonntag auf den griechischen Inseln ankommen, sollen deshalb grundsätzlich in die Türkei zurückgebracht werden - Merkel zufolge werden die Abschiebungen wegen der nötigen Vorbereitungen aber erst am 4. April starten.
Praktisch gleichzeitig werde die EU auch ihr versprochenes Aufnahmeprogramm für Syrer aus der Türkei starten, sagte Merkel. Dabei nimmt die EU für jeden aus Griechenland abgeschobenen Syrer einen anderen syrischen Flüchtling aus der Türkei auf legalem Weg auf. Dafür sind bis zu 72.000 Plätze vorgesehen. Darüber hinaus sollen die Gelder für in der Türkei lebende Flüchtlinge auf 6 Milliarden Euro verdoppelt werden.
Gegen das Vorhaben gab es große rechtliche Bedenken. Die Türkei sollte deswegen garantieren, die zurückgenommenen Flüchtlinge gemäß der internationalen Konventionen zu schützen und nicht in gefährliche Herkunftsregionen abzuschieben. Daraus wurde letztlich das gemeinsame Bekenntnis, "relevante" Standards zu respektieren: Eine Aufweichung der ursprünglichen EU-Forderung.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sicherte zu, dass die Übereinkunft "allen europäischen und normativen Erfordernissen entspricht". So erhalte jeder Flüchtling eine individuelle Prüfung und die Möglichkeit zu einem Berufungsverfahren. Die Hilfsorganisation Oxfam reagierte enttäuscht auf den Deal. Er sei "ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Unmenschlichkeit".
Große Vorbehalte hegten verschiedene Mitgliedstaaten gegen das von Ankara verlangte Ende des Visazwangs für türkische Bürger ab Juni und die Ausweitung der EU-Beitrittsverhandlungen. Das Resultat: Die Visafreiheit soll ab Juni nur kommen, wenn Ankara alle 72 dafür festgeschriebenen Kriterien erfüllt. Zunächst wird nur ein Beitrittskapitel eröffnet, weitere sollen aber vorbereitet werden.
Kritik aus den EU-Ländern gab es am Ende nur noch hinter vorgehaltener Hand: "Niemand ist stolz darauf", sagte ein Diplomat zu dem Deal. "Aber es gibt keine Alternative."
Die Umsetzung des Plans ab Sonntag und der Aufbau der Infrastruktur stelle Griechenland vor eine "Herkulesaufgabe", sagte Juncker. Athen brauche dabei massive Hilfe der EU-Partner - das Land kann nach eigenen Angaben nur 270 Juristen und Richter abstellen. "Wir müssen 4.000 Mann in Aufstellung bringen", sagte der Kommissionschef. Er sprach von der "größten logistischen Herausforderung, mit der sich die EU je konfrontiert sah".
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
DJG/kla
(END) Dow Jones Newswires
March 18, 2016 15:28 ET (19:28 GMT)- - 03 28 PM EDT 03-18-16
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