Ergebnis verbessern 11.09.2020 18:07:00

VW-Tochter MAN will bis zu 9.500 Stellen abbauen und Milliarden sparen, MAN Steyr wackelt - Aktie legt zu

VW-Tochter MAN will bis zu 9.500 Stellen abbauen und Milliarden sparen, MAN Steyr wackelt - Aktie legt zu

Weltweit sollen bis zu 9500 Stellen wegfallen, wie das Unternehmen am Freitag in München mitteilte. Das wäre mehr als jeder vierte Job in dem Unternehmen, das zuletzt deutlich rote Zahlen schrieb. Bis 2023 soll so eine Ergebnisverbesserung von rund 1,8 Milliarden Euro erreicht werden. Zumindest sind das die "derzeitigen Überlegungen" des neu formierten Managements. Nun stehen hitzige Diskussionen mit den Arbeitnehmern bevor, die bereits Widerstand angekündigt haben. Wie viele der knapp 20 000 Arbeitsplätze in Deutschland betroffen sind, blieb zunächst offen.

"Wir stehen vor großen Herausforderungen durch den technologischen Wandel - bei Digitalisierung, Automatisierung und alternativen Antrieben", sagte MAN-Chef Andreas Tostmann. "Wir brauchen deshalb eine Neuaufstellung von MAN Truck & Bus, um deutlich innovativer, digitaler und nachhaltig profitabler zu werden." Dem könnten auch ganze Standorte zum Opfer fallen: Der Produktionsstandort im österreichischen Steyr mit 2200 Mitarbeitern und die Betriebe in Plauen (Sachsen) und Wittlich (Rheinland-Pfalz) mit 140 beziehungsweise 80 Mitarbeitern stehen im Feuer.

Von Betriebsrat und Gewerkschaft kommt scharfer Gegenwind: "Es kann nicht sein, dass Stellenabbau und Standortschließungen die einzigen Lösungsansätze sind, die dem Vorstand einfallen", sagte der Betriebsratsvorsitzende Saki Stimoniaris. Sparprogramme "nach der Rasenmähermethode" lehnte er ab. Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei MAN Truck & Bus, sagte, man werde es nicht hinnehmen, "dass die Beschäftigten für Corona und für jahrelanges Missmanagement des Vorstands bestraft werden". Kerner klopft zudem auf eine bis Ende 2030 geltende Vereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung. Sie müsse Basis der Verhandlungen sein. Auch Stimoniaris forderte, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen.

Seit Längerem steht bei MAN ein großer Stellenabbau im Raum, weil dem Unternehmen die Kosten schon vor der Corona-Krise zu hoch waren. MAN gehört wie die schwedische Schwestermarke Scania und die brasilianische VW-Tochter Volkswagen Caminhoes e Onibus zur VW-Nutzfahrzeugholding TRATON. MAN ist zwar der größere Teil des schweren VW-Nutzfahrzeuggeschäfts, die Profitabilität von Scania ist in aller Regel aber besser - auch weil sich die Schweden auf die großen Schwerlast-Lkw konzentrieren.

Zuletzt war in Medienberichten von der Streichung von rund 6000 der weltweit 36 000 Stellen bei MAN Truck & Bus die Rede gewesen. Im Juli musste allerdings Traton-Chef Andreas Renschler in einer größeren Personalrochade genauso weichen wie Joachim Drees bei MAN. Die Führungsspitze hatte sich bei dem Vorhaben eines größeren Umbaus bei der Arbeitnehmerseite durch vorschnelle Äußerungen über Gespräche wenig Freunde gemacht. Der Wolfsburger Mutterkonzern schickte den ehemaligen VW-Markenproduktionschef Tostmann als MAN-Chef nach München, bei der Traton-Holding übernahm deren Ex-Finanzchef Matthias Gründler.

Gründler und Tostmann wollen MAN bis zur Mitte des Jahrzehnts zu einem führenden Nutzfahrzeughersteller bei Elektro- und Wasserstoffantrieben machen. Hersteller schwerer Nutzfahrzeuge müssen in der EU wie auch bei Pkw in den kommenden Jahren die klimaschädlichen CO2-Emissionen der neu verkauften Fahrzeuge deutlich senken, weswegen auch die Konkurrenz von Daimler und Volvo verstärkt auf Elektro- und Wasserstoffantriebe setzt.

Für den Umbau veranschlagt MAN Kosten im mittleren bis oberen dreistelligen Millionenbereich. Das Unternehmen will ihn nach eigener Aussage so sozialverträglich wie möglich gestalten. Dazu, ob der Jobabbau ohne Kündigungen möglich sei, äußerte sich ein Sprecher am Freitag nicht. Große Standorte in Deutschland hat MAN unter anderem in München, Nürnberg und Salzgitter.

Die Branche ist derzeit hart von der Corona-Krise getroffen: Speditionen und andere Kunden überlegen sich in wirtschaftlich unsicheren Zeiten mehr als einmal, ob sie hohe Investitionen in neue Lkw und Busse schultern können. Im zweiten Quartal sackten die Bestellungen für Lkw und Busse bei Traton im Jahresvergleich um 41 Prozent auf 33 270 Fahrzeuge ab.

Im Gesamtjahr rechnet die Gruppe trotz einer schrittweisen Erholung mit einem "drastischen Absatzrückgang" und kann einen Verlust nicht ausschließen. Auch vor Corona drohte schon ein scharfer Abschwung in der Branche, die als sehr konjunktursensibel gilt. Auch bei Scania läuft ein weitreichender Stellenabbau: Rund 5000 Jobs sollen bei den Schweden wegfallen.

MAN Steyr wackelt - SPÖ und Gewerkschaften "kämpferisch"

Nachdem das MAN-Management den Standortes Steyr infragegestellt und damit die Jobs der Mitarbeiter bedroht hat, haben sich die SPÖ Oberösterreich und die Gewerkschaften am Freitag in Presseaussendungen "kämpferisch" gezeigt. Sie forderten unter anderem ein "treffsicheres Investitionsprogramm".

Die oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer verlangte "entschlossenes Handeln" von Bundes- und Landesregierung ein - mit einem Gipfel zur Rettung der heimischen Arbeitsplätze. Gemeinsam mit Vertretern aller Parteien, den Sozialpartnern und Gewerkschaften solle ein "treffsicheres Investitionsprogramm" erarbeitet werden. Die bisherigen Initiativen von ÖVP, FPÖ und Grünen seien hauptsächlich eine PR-Show gewesen: "Wir müssen vom Reden zum Handeln kommen", stellte Gerstorfer klar.

Die Gewerkschafter Rainer Wimmer (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA-djp) forderten statt dem Arbeitsplatz-Abbau die Ablöse des MAN-Managements und einen Neustart für die künftige Strategieausrichtung des Unternehmens - vor allem zusammen mit den Betriebsräten und Arbeitnehmern. Den aktuellen Transformationsprozess der Fahrzeugindustrie mit Massenkündigungen und Standortschließungen zu bewältigen, sei sicher keine nachhaltige Zukunftsstrategie, sondern erinnere vielmehr an die "dunklen Zeiten des Manchesterkapitalismus", kritisierten Wimmer und Dürtscher. Sie kündigten an, dass die Gewerkschaften gemeinsam mit dem MAN-Betriebsrat für den Standort Steyr mit allen Mitteln kämpfen werden.

Die im DAX notierte Vorzugsaktie von Volkswagen lag am Freitag mit der europäischen Branche via XETRA 0,74 Prozent im Minus bei 149,84 Euro, die TRATON-Papiere notierten 1,3 Prozent schwächer bei 18,07 Euro. MAN-Aktien stiegen zeitgleich um 1,74 Prozent auf 52,50 Euro.

(dpa-AFX / APA)

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Bildquelle: TRATON Group

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