06.12.2013 20:19:59
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Tod von Nelson Mandela
Bielefeld (ots) - Er sollte verrotten. Stattdessen hat er sein
Land gerettet. Als Nelson Mandela 27 Jahre, sechs Monate und sechs
Tage im Gefängnis saß, ging die Rechnung der weißen Unterdrücker
nicht auf. Er wurde nicht vergessen, sondern zum Idol. Nach einem
gestohlenen Leben einte Mandela 1990 sein zerrissenes Land. In
Deutschland war gerade die Mauer gefallen, Osteuropa durchwehte ein
Wind der Freiheit und Afrika erlebte den kometenhaften Aufstieg eines
der Seinen: Alles schien gut zu werden. Vieles hatte ausgedient.
Große Möglichkeiten taten sich auf. Aber das Gelingen war keineswegs
selbstverständlich. Jetzt galt es zu gestalten. Das sind Momente der
Welthistorie, in denen es allem modernen Geschichtsverständnis zum
Trotz tatsächlich starker Männer oder starker Frauen bedarf. Mandela
hat in dieser Phase seinen ganz entscheidenden Beitrag geleistet für
Frieden und Versöhnung, statt Krieg und Bruderzwist. Noch 1994, als
Mandela mit 74 Jahren zum Präsidenten gewählt wurde, legten verbohrte
Apartheid-Verfechter Autobomben. Auch die Parteigänger von Mandelas
einst in der Tat terroristischen ANC und der nicht minder radikalen
Inkatha-Partei schlugen mit Macheten aufeinander ein. Mit brennenden
Reifen wurden politische Gegner niedergemacht. Über den drohenden
Bürgerkrieg obsiegte ein Nelson Mandela, der nicht von Anfang an die
Person war für die er heute verehrt wird - er hat sich dazu
entwickelt und er hat den Kurs der Gewaltfreiheit nach innen und nach
außen durchgesetzt. Das ist seine übergroße Leistung. Nur er konnte
vorleben, dass man Hass hinter sich lassen muss, wenn man wirklich
etwas erreichen will. Mandelas größtes Vermächtnis ist sein
bewundernswerter Mut zur Vergebung. Er reichte unverbesserlichen
Rassisten die Hand, er verhandelte mit den Agenten und Folterern des
alten Regimes und manches oft stundenlange Gespräch endete in tiefer
Beschämung seiner alten Widersacher. Heute beklagen Kritiker, dass
der politischen Befreiung die wirtschaftliche Emanzipation nicht
gleichkam. Tatsächlich ist die weiße Minderheit auch zwei Jahrzehnte
später noch überaus vermögender und in vielen Fällen einflussreicher
als die vielfarbige Mehrheit. So sind immer noch 85 Prozent der
Piloten bei South African Airways von weißer Hautfarbe.
Leidenschaftlich diskutiert die Nation dieses Thema und dessen
Ursachen. Gut so, genauso wollte es Mandela. Die tiefe Kluft zwischen
Arm und Reich ist nicht überwunden, aber eines ist gewiss: der
Frieden ist stabil. Niemand musste am Donnerstagabend, als zu später
Stunde die Todesnachricht bekannt wurde, die Nationalgarde alarmieren
oder irgendwelche Paläste schützen. Stattdessen steht die
Regenbogennation Südafrika mit ihren elf Amtssprachen und noch mehr
Ethnien in tiefer Trauer vereint. Die Deutschen, die das Gefühl
nationaler Selbstfindung fast zeitgleich erlebten, sind mit ihnen.
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Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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