19.08.2015 23:02:42
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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Griechenland-Rettung
Bielefeld (ots) - Eigentlich hat der Bundestag am Mittwoch über
ein Phantom abgestimmt - jedenfalls gemessen an den zahlreichen
politischen Beschwörungen bis in die jüngste Vergangenheit. Danach
dürfte es ein drittes Hilfsprogramm für Griechenland gar nicht
geben. Noch im Frühjahr hatte zum Beispiel Unionsfraktionschef Volker
Kauder verkündet: »Wir denken an keine weiteren Programme.« Wer
kürzlich noch so redete, der muss sich zwangläufig schwer damit tun,
den eigenen Truppen binnen weniger Monate das glatte Gegenteil
unterzujubeln. Kauders ungeschickte Drohungen haben am Ende noch mehr
Widerstand provoziert. Mehr als jeder fünfte der anwesenden
Unionsabgeordneten lehnte das Hilfspaket ab. Ist das nun ein
Misstrauensbeweis gegen Angela Merkel? Noch nicht direkt. Große
Regierungsmehrheiten erzeugen zuweilen einen Mangel an
Selbstdisziplin. Dass dieser Mangel allerdings zum zweiten Mal
hintereinander in kurzer Zeit so massiv ausfällt, muss für die
Kanzlerin ein erstes Warnsignal sein. Mit der Zustimmung zu den
Rettungsmilliarden bröckelt auch das System Merkel. Das Vertrauen in
sie und ihre Autorität, ihre moderierende Art, die Eigenschaft
abzuwarten, im Ungefähren zu bleiben und sich im geeigneten Moment
auf die Seite der Mehrheit zu schlagen, wie es schon ihr Ziehvater
Helmut Kohl meisterhaft verstanden hatte, stoßen zunehmend an Grenzen
im eigenen Lager. Dort würde man ja gerne glauben, dass Merkels Weg
für Griechenland richtig ist. Doch die Praxis wirkt zu mächtig, als
dass man sie kollektiv ignorieren könnte. Mit jedem Hilfsprogramm hat
sich die Lage in Griechenland verschlechtert. Vor allem aber: Die
Griechen selbst sehen in den Rettungspaketen keine Hilfen, sondern
eine Demütigung. Daran dürften auch die neuen Milliarden-Transfers
nichts ändern. Anstatt sich endlich einzugestehen, dass Athen seine
Schulden niemals wird zurückzahlen können, regiert einmal mehr der
Selbstbetrug. Rund zwei Drittel der geplanten Unterstützung sind für
Zinsen und Tilgung alter Kredite reserviert. Man macht also neue
Schulden, um alte zu begleichen. Den Preis dafür zahlen die
Griechen unter anderem mit Rentenkürzungen und einer Erhöhung der
Unternehmenssteuern. Geld für dringend Investitionen bleibt auch
mit dem neuen Hilfsprogramm aus. Kurzum, Merkels Irrweg wird
unbeirrt weiter beschritten. Ihrer großen Popularität in den Umfragen
hat das freilich nicht geschadet. Der Kanzlerin spielt in die Hände,
dass das Jonglieren mit zweistelligen Milliardensummen eine ziemlich
abstrakte Angelegenheit ist. Auch musste noch kein Bundesbürger wegen
Griechenland auf irgendetwas persönlich verzichten. In Merkels
Amtszeit wird das auch so bleiben. Ob es Verluste für Deutschland
gibt,wird sich erst in ferner Zukunft bemerkbar machen. Merkel wird
das nicht mehr ausbaden müssen - nachfolgende Generationen vielleicht
schon.
OTS: Westfalen-Blatt newsroom: http://www.presseportal.de/nr/66306 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Chef vom Dienst Nachrichten Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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