11.12.2015 11:49:00
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Oddo Meriten: Makro-Ausblick 2016 - Konjunktur mit Gegenwind
Wo geht die Konjunkturreise im kommenden Jahr hin? Glaubt man den Konsensprognosen der von Bloomberg befragten Volkswirte, dann wird 2016 alles andere als spektakulär. Lanweilig wird es aber nicht.
Nach einer kleinen Schwächephase im zu Ende gehenden Jahr, die maßgeblich von Schwellenländern ausgelöst wurde, wird demnach das Wachstum des globalen Bruttoinlandsproduktes wieder auf das Niveau beschleunigen, das bereits 2012 bis 2014 zu verzeichnen war, und das allgemein als Trendwachstum angesehen wird, also auf etwas unter 3,5%.
Das klingt langweilig, ist es aber nicht. Zumindest nicht, wenn man unter die (globale) Oberfläche schaut. Denn die Prognosen für das bevorstehende Jahr, gemäß chinesischem Kalender das Jahr des Affen, basiert auf entscheidenden Annahmen, deren Eintreten alles andere als sicher ist. Zu nennen wären etwa
• Rostoffpreise allgemein, und der Ölpreis im Besonderen, bleiben niedrig• Schwellenländer allgemein, und Rohstoff-Exporteure im Besonderen, wachsen daher weiterhin sehr langsam
• Es kommt aber nicht zu einer Kreditkrise oder konjunkturellen harten Landung allgemein, auch nicht in China, im Besonderen
• In den USA (und im Vereinigten Königreich) werden die Notenbankzinsen erstmals seit neun Jahren angehoben; allerdings nur sehr langsam, da Lohn- und Güterpreisinflation moderat bleiben
• Im Rest der Welt (z. B. EWU, Japan, China), wird die Geldpolitik tendenziell weiter gelockert; global bleibt sie daher akkommodierend.
Dass die globale Konsensprognose so nah am Trendwachstum liegt, dürfte nicht zuletzt der Tatsache geschuldet sein, dass es seit Beginn der Finanzkrise eigentlich gar keine klar abgrenzbaren globalen Konjunkturzyklen mehr gegeben hat. Vielmehr geht sowohl die Erholung vom Tiefpunkt der Krise als auch die sich anschließende atypische Seitwärtsbewegung der Konjunktur maßgeblich auf das Konto der weltweiten Notenbankpolitik. Insbesondere die Nullzinspolitik der amerikanischen Notenbank, gekoppelt mit quantitativer Lockerung (QE) zwang die US-Wirtschaft ja geradezu in die Erholung, die bis heute andauert.
Das Fehlen klar abgrenzbarer zyklischer Muster macht Prognostiker unsicher und lässt sie näher am „Anker“ Trendwachstum verweilen. Es erhöht gleichzeitig die Unsicherheit, die mit der Prognose verbunden ist. Gemessen am enormen Ausmaß der geldpolitischen Unterstützung ist die Performance der US-Wirtschaft bis heute nicht sonderlich beeindruckend. Aber immerhin hat es die Fed geschafft, das Vertrauen von US-Unternehmen und -Privathaushalten zu stärken und die Auslastung der Produktionskapazitäten wieder auf Normalniveau zu bringen. Dass dies über ein erneutes Anwachsen der Kreditabhängigkeit erreicht wurde, ist ein delikates Detail, das im kommenden Jahr erhöhte Aufmerksamkeit verlangt, und das auf jeden Fall dafür sorgen wird, dass die Geldpolitik auch nach der/den ersten Zinserhöhung(en) keinesfalls restriktiv werden dürfte, sondern bestenfalls weniger akkommodierend.
Trotzdem zittern nicht wenige aus Angst vor den Konsequenzen. Sollte die Fed auch nur geringfügig zu aggressiv vorgehen, dürften nicht nur die US-Kreditmärkte, sondern auch Schwellenländer betroffen sein, die angesichts magerer Renditen in den Industrieländern in den vergangenen Jahren erhebliche Kapitalzuflüsse zu verbuchen hatten. Sollte es hier durch den Zinszyklus in den USA zu bedeutsamen Kapitalabflüssen kommen, wäre die zweite Annahme, die dem moderaten Wachstumsszenario zugrunde liegt, in Frage gestellt.
Wie der Konsens gehen auch wir in unserem Kernszenario davon aus, dass alle oben genannten Annahmen korrekt sind. Die vorausgesetzt, dürfte sich die Eurozone 2016 weiter erholen, so dass sich ihr Beitrag zum globalen Wachstum verbessert. Wir gehen davon aus, dass die EZB ihre quantitative Lockerung fortsetzt und dadurch Zinsen, Renditen und den Euro-Wechselkurs niedrig hält. Auch weiterhin niedrige Energiepreise sind eine Voraussetzung für die Fortsetzung der Erholung hierzulande, und selbstverständlich würde eine unerwartete Schwellenländer-Krise auch die Aussichten für Euroland gefährden.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Konjunkturaussichten für 2016 per saldo als durchaus freundlich einzuschätzen sind, nicht zuletzt weil die Geldpolitik global gesehen akkommodierend bleibt. Speziell die Eurozone bleibt dabei in einer relativ aussichtsreichen Position, da sie auf Makro-Ebene keinerlei Überhitzungserscheinungen wie z. B. einen überschießenden Verschuldungsgrad aufweist, und da sie angesichts des klaren EZB-Kurses keine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen fürchten muss.
Allerdings basieren alle globalen Konjunkturprognosen auf wesentlichen Annahmen bezüglich der Wirtschaftspolitik und ihrer Wirkung, sowie auf der Entwicklung von Rohstoffpreisen, die immer für Überraschungen gut sind. Auch (geo-)politische Risiken stellen 2016 potenzielle Stolpersteine dar, die allerdings kaum in modellbasierten Konjunkturprognosen berücksichtigt werden können.
Diese zunehmende Bedeutung von Wirtschafts- und allgemeiner Geopolitik für Konjunktur und Finanzmärkte unterwirft volkswirtschaftliche Prognosen einer erhöhten Unsicherheit und lässt sie in der Nähe des vermeintlichen Trendwachstums zusammenrücken. Selbst wenn die Prognosen selbst dann Sicherheit suggerieren, ist das kein besonders gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass die Anfälligkeit gegenüber unerwarteten Schocks relativ hoch sein dürfte.
2016 wird daher trotz allgemein freundlicher Aussichten und einer vermeintlich langweiligen Konjunkturprognose für Anleger und Analysten kein Spaziergang werden. Es wird weiterhin auf alle möglichen Zeichen zu achten sein, die auf Risiken für den Konjunkturausblick selbst oder auf die ihm zu Grunde liegenden Annahmen hindeuten.
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