Euro am Sonntag-Titel 24.02.2013 03:00:00

Währungskrieg: Was die Abwertung des Yen für die Börsen bedeutet

von Astrid Zehbe und Andreas Höss, Euro am Sonntag

Es ist schon bizarr: Da ist der Umsatz des angeschlagenen Elektroriesen Panasonic seit Monaten rückläufig, und im Vorjahr schreibt das Unternehmen dicke Verluste. Und nun sprudeln bei den Japanern auf einmal die Gewinne — ohne Kostensenkungen, ohne steuerliche Sonder­effekte und ohne besondere Leistungen des Managements. Bedanken können sich Aktionäre bei dem im Dezember ins Amt gewählten japanischen Premier Shinzō Abe. Der konservative Politiker hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Exportnation wieder zu alter wirtschaft­licher Stärke zurückzuführen.

Zu Unterstützern wider Willen hat er die Direktoren der Bank of Japan erkoren. Auf Druck Abes haben sie die Verdoppelung des Inflationsziels von einem auf zwei Prozent angekündigt. Zudem sollen ab 2014 unbeschränkt Staatsanleihen aufgekauft werden, um den Markt mit Geld zu fluten. Das ließ den Kurs des Yen einbrechen. Exporteure jubeln: Dank des seit Dezember um mehr als 15 Prozent gegenüber Dollar und Euro abgewerteten Yen sind ihre Auslands­erlöse nun mehr wert, sodass auch kriselnde Firmen wie Panasonic oder Sony wieder schwarze Zahlen schreiben. Von jedem Dollar Umsatz bleiben jetzt mehr Yen Gewinn übrig. Zudem können Panasonic und Co ihre Produkte nun auf dem Weltmarkt günstiger anbieten und Marktanteile gewinnen. Abes Plan scheint aufzugehen.

Weltweit hält sich die Freude über den geldpolitischen Alleingang jedoch in Grenzen. Politiker werfen ­Japan Wechselkurs-Dumping vor. Sollten sich weitere Staaten genötigt sehen, geldpolitische Lockerungsübungen zu veranstalten, droht ein Abwertungswettlauf, an dessen Ende protektionistische Maßnahmen als letzte Geschütze aufgefahren werden könnten. Das wäre der Beginn eines globalen Währungskriegs, der das Potenzial hätte, die gesamte Weltwirtschaft zu bremsen.

Angst vor Währungskrieg steigt
Japans Schritte sind vor allem vor dem Hintergrund der noch schwelenden Finanzkrise problematisch. „Viele Länder versuchen, ihrer kriselnden Wirtschaft einen Stimulus zu geben, indem sie auf die Exportindustrie setzen“, sagt Thomas Kressin, Leiter des europäischen Währungsteams von Pimco. Eine schwache Währung ist dabei hilfreich, da die Unternehmen ihre Produkte dann auf dem Weltmarkt relativ günstig anbieten können. Es geht also um Wachstum, Arbeitsplätze und Industriepolitik im großen Stil.

Entsprechend nervös ist die Stimmung auf internationalen Treffen: Im Vorfeld des G-20-Treffens in Moskau an diesem Wochenende hat die US-Delegationsleiterin Lael Brainard gefordert, Wechselkurse vom Markt bestimmen zu lassen. Diese Kritik war nicht nur an Japan gerichtet, sondern auch ein Seitenhieb auf China. Seit Längerem werfen die USA dem Land vor, den Renminbi durch Kopplung an einen Währungskorb künstlich niedrig zu halten, um sich Handelsvorteile zu verschaffen.

China verhindert seit Jahren mit dem massiven Ankauf von US-Staatsanleihen eine Aufwertung des Yuan. Durch die hohen Zahlungsbilanzüberschüsse und Interventionen am Devisenmarkt sind die Fremdwährungsreserven Chinas auf mittlerweile 3,3 Billionen Dollar angewachsen. Ein Drittel davon ist in ameri­kanische Staatsanleihen investiert, was das Land zum größten Gläubiger der USA macht. Eine Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar würde China also teuer kommen.

Doch nicht nur die chinesische Notenbank bläht ihre Bilanzsumme mittels Devisenankäufen auf — ihr größter Kritiker tut es ihr gleich. Seit Ende 2008 druckt die US-Notenbank Fed immer neue Dollar und kauft damit Hypothekenpapiere sowie Staatsanleihen. Das sogenannte Quantitative Easing soll die Zinsen niedrig und die Konjunktur am Laufen halten. Eine überschaubare Entwertung der Währung nehmen die Notenbanker dabei dankend in Kauf.

Hollande fordert Eingriff der EZB
Auch in Europa werden Stimmen lauter, die eine aktive Wechselkurspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) fordern. Denn nach der Ankündigung von deren Chef Mario Draghi vom vergangenen Sommer, die EZB wolle den Euro um jeden Preis retten und mit Anleihekäufen kriselnde Peripheriestaaten stützen, ist das Vertrauen in die Währungszone zurückgekehrt — und der Euro gestiegen. Gegenüber dem Dollar hat die Gemeinschaftswährung in den vergangenen sechs Monaten um mehr als zwölf Prozent aufgewertet und kletterte zwischenzeitlich auf über 1,36 Dollar. Während alle anderen Notenbanken Geld drucken und auf diese Weise die Währung drücken, musste Draghi bisher nicht einschreiten, um den Euro zu retten.

Die Zurückhaltung macht vor allem den südeuropäischen Ländern zu schaffen. Laut einer Studie der Investmentbank Morgan Stanley lässt ein Anstieg des Euro um zehn Prozent die Wirtschaftsleistung in der gesamten Eurozone im ersten Jahr um 0,5 Prozent schrumpfen. Frankreichs Präsident François Hollande fordert daher, zu handeln und die Wechselkurse dem tatsächlichen Zustand der Volkswirtschaften anzupassen. Dabei ist Wechselkurs­politik nicht Teil des Mandats der ­eigentlich unabhängigen EZB.

Draghi redet Euro schwach
„Die EZB hat von allen großen ­Notenbanken die konservativste Geldpolitik“, sagt Währungsexperte Kressin. „Das provoziert natürlich einen verstärkten Kapitalzufluss in die Gemeinschaftswährung, weil Investoren ihr Geld wieder verstärkt in Europa anlegen.“ Die erhöhte Nachfrage nach Staatsanleihen der Peripheriestaaten lässt zwar die Zinsen sinken, sodass sich angeschlagenen Länder wieder billiger mit frischem Geld eindecken können. Doch das Geld von außerhalb treibt auch den Eurokurs.

Noch reichen Worte, um dem starken Euro zumindest kurzfristig Einhalt zu gebieten. Als Mario Draghi Anfang Februar ankündigte, man werde den Wechselkurs genau beobachten, verfehlte dies sein Ziel nicht. Allein die Möglichkeit einer EZB-Intervention hat den Kurs um zwei Cent unter die Marke von 1,34 Dollar gedrückt. Mittlerweile steht er wieder bei knapp 1,35 Dollar.

In Berlin begrüßt man die Zurückhaltung der EZB. Eine aktive Wechselkurspolitik sei „kein geeignetes Mittel“, um die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes zu verbessern, heißt es aus dem Kanzleramt.

Für Deutschland ist der starke Euro noch kein Problem. Das Land ist gut positioniert. Über tausend deutsche Unternehmen sind in ihren Bereichen Weltmarktführer. Dank ihrer oft hochkomplexen und damit nur schwer austauschbaren Produkte sind sie gegenüber Wechselkursschwankungen robuster als Firmen anderer Länder. Denn Güter konkurrieren nicht nur im Preis, sondern auch in der Qualität.

Schwellenländer unter Druck
Europa ist nicht der einzige Leidtragende der Abwertungspolitik von Japan, China und den USA. Viele Schwellenländer mit offenem Kapitalmarkt sind in der Vergangenheit zu Zielen von Währungsspekulanten geworden. Weil im Niedrigzins­umfeld der Industriestaaten nichts mehr zu holen war, schoben Investoren ihr Geld in Volkswirtschaften, deren Zinsniveau deutlich höher lag. Die Nachfrage etwa nach thailändischen Baht oder koreanischen Won ließ diese Währungen drastisch aufwerten.

Auch Staaten wie die Schweiz, die nach den Verwerfungen auf den Märkten als sicherer Hafen mit Kapital zugeschüttet wurden, waren gezwungen zu reagieren. Als 2011 der Franken und der Euro fast Parität erreicht hatten, setzte die Schweizer Notenbank einen Wechselkurs von 1,20 Franken fest. Sobald der Kurs auch nur in die Nähe dieser Grenze geriet, kaufte sie unbeschränkt Euro mit frisch gedruckten Franken auf. Die Fremdwährungsreserven der Schweizer Notenbank haben sich seitdem auf rund 350 Milliarden Euro verdoppelt.

Helfen geldpolitische Maßnahmen nicht mehr weiter, könnten Länder zu protektionistischen Maßnahmen greifen. So denkt Südkorea, das als einer der größten Wettbewerber Japans von der Yen-Abwertung besonders betroffen ist, offen über eine Finanztransaktionsteuer nach. Diese soll Spekulanten fernhalten und damit die Nachfrage nach Won drosseln. Ähnliche Pläne hat Thailand geäußert, nachdem der Baht auf ein 17-Monats-Hoch geklettert ist. Brasilien hat Einfuhrzölle auf Autos erhoben, und Costa Rica will ausländische Investoren besteuern.

„Diese Maßnahmen fallen nur wenig ins Gewicht, da die Staaten relativ klein sind“, sagt Thomas Kressin. Anders sähe es aus, wenn beispielsweise Deutschland oder die USA beginnen würden, Handelsschranken aufzubauen. Denn wenn ein Land versucht, sich auf Kosten anderer Staaten besserzustellen, würde dies zu Gegenmaßnahmen führen. In ­einer globalisierten Welt, in der Güter in jeder Produktionsstufe gehandelt und woanders weiterverarbeitet werden, wären die volkswirtschaftlichen Kosten protektionistischer Maßnahmen immens.

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