03.07.2013 15:42:34
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Börse Frankfurt-News: Drei Monate Gold-Abflüsse (Rohstoffe)
Anleger mit Rohstoff-Engagements in den Depots blicken auf ein ziemlich düsteres erstes Halbjahr zurück: Während an vielen Aktienmärkten abermals satte Gewinne eingefahren wurden, erlebten fast alle Rohstoffe Verluste - die Ausnahme bilden Erdgas und einzelne Agrarprodukte wie Baumwolle und Sojabohnen. Nach Ansicht von Heinrich Peters von der Helaba wird das zweite Halbjahr auch nicht viel besser werden: "Zumindest gibt es keine Erholung", meint der Rohstoffanalyst und prognostiziert einen "leicht abwärts gerichteten Seitwärtstrend".
Anders als lange erwartet werde der konjunkturelle Schub, der Industriemetalle beflügeln könnte, nämlich ausbleiben. "Die Schwellenländer enttäuschen, besonders China." Anleger teilen diese Einschätzung offenbar, jedenfalls stehen breit aufgestellte Rohstoff-ETFs wie der EasyETF S&P GSCI Capped 35/20 (WKN A0EAZC) auf den Abgabelisten, wie Jörg Sengfelder von Flow Traders berichtet. "Gekauft werden Short-ETCs (WKN A0V9XJ)."
Gold: Nicht mehr Anlegers Liebling
Vom Ausverkauf besonders betroffen ist Gold. Der Preis für eine Feinunze hat seit Mitte Juni nochmals deutlich nachgegeben und war zwischenzeitlich sogar unter die Marke von 1.200 US-Dollar gerutscht - den tiefsten Stand seit fast drei Jahren. Aktuell wird Gold zu 1.248 US-Dollar gehandelt, seit Anfang des Jahres ein Minus von rund 25 Prozent. In der Gemeinschaftswährung kostet das Edelmetall heute 961,53 Euro. "Alle Goldprodukte werden verkauft", erklärt Sengfelder (WKN A0S9GB, A1EK0G, A1E0HR, A0N62G, A1MECS). "Das für ETCs physisch hinterlegte Gold ist, gemessen an den Total known Gold ETF Holdings, von 85 Millionen Unzen im Januar auf 62 Millionen gefallen."
Der jüngste Kursrücksetzer ist den Äußerungen des US-Notenbankchefs Bernanke vor zwei Wochen geschuldet: Der hatte ein Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik signalisiert - Gift für den Goldpreis, da steigende Zinsen eine Anlage in Edelmetalle weniger attraktiv machen. "Auch die Tatsache, dass Mario Draghi ausdrücklich betonte, die EZB werde weiterhin an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten, konnte dem Goldpreis keinen Auftrieb verleihen", bemerkt Sonia Hellwig von der Heraeus Metallhandelsgesellschaft. Laut Bernhard Wenger von ETF Securities haben Investoren nach den Äußerungen Bernankes rund 350 Millionen US-Dollar aus Gold-Produkten abgezogen. Die Abflüsse aus Gold-ETCs gingen mittlerweile in die dreizehnte Woche.
Robuste Nachfrage nach Münzen und Barren
Nach Einschätzung von Wenger bleiben die langfristigen Aussichten für Gold allerdings gut, vor allem wegen der weiter anziehenden physischen Nachfrage. Zudem notiere Gold im Moment erheblich unter den Grenzkosten für die Förderung. "Inklusive der Kapitalkosten und der Kosten für die Exploration muss eine Mine derzeit rund 1.500 US-Dollar für die Förderung einer Unze Gold aufwenden." Langfristig werde sich die Förderung zum gegenwärtigen Preisniveau daher nicht aufrechterhalten lassen und ein knapperes Angebot den Goldpreis stützen.
Peters ist skeptischer: Zwar sei der Ausverkauf seitens der institutionellen Anleger schon weit vorangeschritten. "Wir gehen davon aus, dass es sich aktuell um eine Bodenbildung handelt und halten an unserem Preiskorridor von 1.200 bis 1.400 US-Dollar fest." Ein Abtauchen auf 1.150 US-Dollar sei aber noch möglich - vor allem, wenn die US-Notenbank ihre Geldpolitik doch schneller als erwartet straffen sollte.
Günstiger Einstieg?
Noch heftiger als Gold hat es Silber erwischt: Hier sackte der Preis für eine Feinunze seit Jahresbeginn um 36 Prozent ab, heute notiert das Edelmetall bei 19,52 US-Dollar. Flow Traders zufolge nutzen Anleger die niedrigen Preise und positionieren sich in Silber-ETCs (WKN A0N62F, A0KRJ5). Ebenfalls kleine Zuflüsse hätten Platin- und Palladium-Produkte verzeichnet.
Palladium hat sich nach dem deutlichen Preisrückgang im Juni etwas erholt. "Investoren setzen bei Edelmetallinvestments derzeit klar auf Palladium", kommentiert Wenger. "Auf der Angebotsseite gefährden die Arbeitskämpfe in Südafrika eine kontinuierliche Förderung. Die Nachfrage wird dagegen vom starken Automarkt in den USA und China gestützt." Palladium wird derzeit zu 684 US-Dollar die Feinunze gehandelt, seit Jahresanfang ergibt sich allerdings immer noch ein kleines Minus.
Kaum Potenzial für Industriemetalle
Zurückgegangen ist unterdessen die Nachfrage nach Kupfer-ETCs (WKN A1K3AZ). "Durch die Wiederaufnahme der Produktion in der Grasberg-Mine schätzen Investoren die Angebotssituation offenbar wieder entspannter ein", erklärt Wenger. Allerdings gebe es Verzögerungen bei der ersten Auslieferung aus der neuen Kupfermine von Rio Tinto in der Mongolei. Anders als zuvor rechnet Peters nicht mehr mit einer deutlichen Erholung der Industriemetalle in der zweiten Jahreshälfte - vor allem wegen der schwachen Konjunktur in Schwellenländern. "Dafür scheinen aber inzwischen die Industrieländer das Schlimmste hinter sich zu haben."
Öl: Optimismus fehlt
Etwas verteuert hat sich in den vergangenen Tagen Öl der Nordseesorte Brent. Mit aktuell 104,76 US-Dollar je Barrel liegt die Notierung wieder rund 5 US-Dollar über dem Tief vom Juni, allerdings immer noch unter den 111 US-Dollar vom Jahresanfang. Anleger glauben aber offenbar nicht an Öl: Flow Traders meldet Verkäufe in Long- (WKN A1AQGX) und Käufe in Short-ETCs auf Brent (WKN A0V9XY). Die Helaba prognostiziert bis zum ersten Quartal 2014 einen Preis zwischen 95 und 105 US-Dollar für das Nordseeöl. "Das Gleichgewicht zwischen OPEC und China muss sich neu einpendeln, auf einem niedrigeren Niveau", erläutert Peters. Auf der einen Seite steige der Energiehunger Chinas nicht mehr sehr stark, auf der anderen Seite führen die meisten Erdölproduzenten das Angebot weiter hoch.
© 3. Juli 2013/Anna-Maria Borse
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)