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30.06.2024 10:00:00
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Zertifikate Forum Austria: Es gibt nur dort Risiko, wo es auch Chancen gibt, die man wahrnehmen möchte
EU und Banken wünschen sich junge Generationen als Anleger am Kapitalmarkt. Bemerken Sie gesteigertes Interesse dieser Zielgruppe an Finanzbildung?
Ja, definitiv. Wir sehen es auch schwarz auf weiß einerseits bei den Zahlen zur Kapitalmarktpartizipation, andererseits bei den Ergebnissen unserer Untersuchungen: Wann immer wir fragen, sehen wir hohe Zustimmung und Interesse an Geldanlage. Und wir sehen eine rasch steigende Zahl an Finfluencern, die guten Zuspruch gerade von jungen Leuten haben, die sich hier Informationen und besonders auch Tipps holen.
Was ist die Motivation für dieses "neue" Interesse?
Es begann in der Pandemie, als die jungen Menschen wenig Möglichkeiten hatten, Geld auszugeben und viel Zeit, um im Internet zu surfen. Und die Menschen bewegte auch die Frage: Was mach ich mit dem Geld, das ich gerade nicht für Konsum verwenden kann? Es war ja auch die Zeit der Nullzinsen. Die junge Generation marschierte geradezu in Richtung Kapitalmarkt, allerdings meist über rasch und spielerisch umzusetzende "Execution only"-Angebote im Netz, die durch keine Beratung und keine Wissensvermittlung begleitet wurden.
Können Sie auch enttäuschende Erlebnisse bei den jungen Anlegern beobachten?
Wir stellen gerade am WU-Zentrum für Finanzbildung eine Arbeit fertig, für die junge Anleger befragt wurden. Und wir sehen, dass diese auch durchaus bei ihren Krypto-Investments Geld verloren haben und ihre Erwartungen nicht eingetroffen sind. Sie wussten einfach nicht, dass man vergangene Kurssteigerungen nicht in die Zukunft fortschreiben kann.
Beobachten Sie bei jungen Investoren langfristige Anlageziele?
Wir beobachten, dass viele auf kurzfristige Gewinne hoffen und sich der Langfristigkeit von Anlageentscheidungen nicht bewusst sind. Ich will an dieser Stelle auch eine Kritik an Börsenspielen üben, denn diese küren in wenigen Wochen einen Gewinner, der zufällig auf das richtige Pferd gesetzt hat. Man vermittelt damit nicht den langen Atem, den es für den nachhaltigen Erfolg von Anlagegeschäften braucht. Genau hier muss Finanzbildung ansetzen und vermitteln, dass Geldanlage mit mittel- bis langfristigem Zeitablauf verbunden ist.
Kommen Finfluencer dieser Aufgabe nach?
Bei Finfluencern ist das Informationsangebot oft eine Gratwanderung zwischen Wissensvermittlung und Werbung. Wir versuchen in den Inhalten, die wir für die nationale Finanzbildungsstrategie erarbeiten, das Prinzip des "Nicht alle Eier in einen Korb" zu vermitteln. Es ist unerlässlich, die jungen Leute mit Finanzzielen vertraut zu machen: Es gibt drei Ebenen: die Zahlungsfähigkeit im Alltag, die Reserve für Unerwartetes und Werte für die Zukunft zu schaffen, also Vorsorge und Vermögensbildung. Und für jedes dieser Ziele gibt es unterschiedliche Instrumente. Wer Werte schaffen will, braucht Instrumente, mit denen man Risiko streuen kann, und man braucht einen langen Atem. Und wer überschaubare Beträge zum Investieren hat, sollte Instrumente wählen, in denen das Risikomanagement und die Streuung quasi eingebaut sind, also zum Beispiel Fonds oder Zertifikate.
Sie erarbeiten ja die Inhalte für die Plattform für die nationale Finanzbildungsstrategie. Wie sieht Ihrer Meinung nach die ideale Umsetzung aus?
Die Schule spielt eine große Rolle, weil es in den Elternhäusern große Unterschiede gibt. Die Kinder bekommen nicht überall die Möglichkeit, über Geld zu sprechen oder haben nicht immer gute Vorbilder, was den Umgang mit Geld, Finanzierungen oder Investments betrifft. In der Volksschule beginnen die Kinder sich für Geld zu interessieren, und dort sollte man die Grundprinzipien vermitteln, beispielsweise warum wir Geld benutzen. Man sollte Achtsamkeit im Umgang mit Geld vermitteln, Sparen und auch das Prinzip der Opportunitätskosten auf einfache Weise vermitteln: "Wenn ich heute Geld für etwas ausgebe, habe ich es morgen nicht mehr zur Verfügung."
In der Unterstufe haben die meisten Schüler Taschengeld und oft bereits ein eigenes Konto, manche verdienen ab 15 schon kleine Beträge dazu. Hier sollte man die Grundlagen vertiefen und in Zusammenhang mit dem Sparen über Ziele im Leben und deren Finanzierung sprechen, über Spar- und Anlageziele also. Der Begriff "Zeit" in Zusammenhang mit Geld ist zu vermitteln. Die Konsequenzen einer Finanzierung sollten besprochen werden und der Umgang mit Risiko. Risiko ist ja in Österreich meist negativ besetzt, aber es wichtig zu lernen, dass es nur dort Risiko gibt, wo auch Chancen existieren, die man wahrnehmen möchte. Es geht darum, Risiken zu erkennen, sich abzusichern oder sie zu akzeptieren und sie in Kauf zu nehmen. Das sollte eine bewusste Entscheidung sein.
Diese Inhalte sind weiterzuführen bis zum Ende der Schulpflicht bzw. der Reifeprüfung. Das Ziel sollte ein selbstbewusster Umgang in Geschäftsfällen sein, der Austausch mit Finanzinstituten auf Augenhöhe und natürlich weniger Opfer in der Schuldenfalle oder von Finanzbetrug. Finanzbildung ist ein Beitrag zu Chancengleichheit und Mündigkeit.
Univ. Prof. Dr. Bettina Fuhrmann
Vorständin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der WU Wien
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