EZB-Ratsmitglied Luc Coene hat eine schnelle Zinssenkung im Fall einer weiter fallenden Inflation in Aussicht gestellt.
Sollten die April-Daten zu den Verbraucherpreisen in der Eurozone "erneut eine negative Überraschung" liefern, würde dies für eine schnelle Reaktion der Europäischen Zentralbank (EZB) sprechen, sagte Coene am Donnerstag am Rande einer Veranstaltung der niederländischen Zentralbank in Amsterdam. Demnach könnte die EZB schon auf der nächsten Zinssitzung im Mai an der Zinsschraube drehen, so der Chef der belgischen Notenbank.
Präsidenten der EZB
Mario Draghi
Der Ex-Chef der italienischen Zentralbank ist seit 2011 Präsident der EZB und verfügt über internationale Erfahrung und Reputation. Bei seiner Bewerbung setzte er sich gegen seinen deutschen Konkurrenten Axel Weber durch.
Wie seine amerikanischen Kollegen setzt auch Mario Draghi auf eine lockere Geldpolitik zur Bekämpfung der europäischen Schuldenkrise. Der Italiener betont dabei immer wieder, dass die EZB bereit sei. alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen. Dazu gehören unter anderem die Senkung des Leitzins für den Euroraum auf ein Rekordtief und die Erwägung eines negativen Einlagezinssatzes, sowie das Versprechen, dass die EZB notfalls unbegrenzt Staatsanleihen klammer Eurostaaten kaufen würde. Kritische Stimmen bemängeln jedoch, dass die EZB sich mit diesen Maßnahmen zum Teil außerhalb ihres Mandates bewegen würde.
Jean-Claude Trichet
Jean-Claude Trichet übernam 2003 das Amt des EZB-Präsidenten von Wim Duisenberg. Zuvor war Gouverneur der Banque de France (französische Zentralbank) und trieb in diese Position dei Euro-Einführung voran.
Nach dem Willen der franzöischen Regierung wäre Trichet bereits der erste Präsident der EZB geworden. Nur mittels eines Kompromisses konnten die anderen EU-Staaten ihren Favoriten Wim Duisenberg durchsetzen. Die Franzosen erhielten dafür die Versicherung, das Trichet die Nachfolge Duisenbergs nach einer verkürzten Amtszeit von nur vier Jahren antreten würde.
Während Trichets Zeit an der Spitze der EZB steuerte der Währungsraum durch gewaltige Turbulenzen. Um diese zu bewältigen setzte Trichet seinen Kurs beim Leitzins gegen den Willen mehrere europäischer Regierungen durch und brach auch Tabus. Als Sündenfall gilt der Kauf von Anleihen europäischer Schuldenstaaten. Die achtjährige Amtszeit von Jean-Claude Trichet endete 2011.
Willem Duisenberg
Der Niederländer Willem "Wim" Duisenberg war nach der Gründung der Europäischen Zentralbank im Jahr 1998 ihr erster Präsident. Zuvor war er von 1973 bis 1977 Finanzminister der Niederlande und von 1982 bis 1994 Präsident der niederländischen Zentralbank. Im Rennen um den Posten an der Spitze der EZB setzte er sich durch Mitbewerber Jean-Claude Trichet durch, der später sein Nachfolger wurde.
Sein kompromissloses Eintreten für Geldwertstabilität trug wesentlich dazu bei, dass die Europäer dem neuen Geld vertrauten, das 2002 als Bargeld eingeführt wurde. Er verdiente sich dadurch auch den Beinamen "Mister Euro" und erhielt das Großkreuz des Verdienstordesn der Bundesrepublik Deutschland. Während seiner Amtszeit, die bis 2003 dauerte, schaffte er es, die EZB durch das Minenfeld nationaler Empfindlichkeiten zu lenken. An den Finanzmärkten sorgte Duisenberg allerdings gelegentlich mit lockeren Bemerkungen für Verwirrung.
Coene sprach sich dafür aus, dass eine Zinssenkung nicht nur auf den Leitzins beschränkt sein sollte. Einzig eine Leitzinssenkung würde nichts bewirken, so der Währungshüter. "Wenn die Zinsen gesenkt werden sollten, sollte der Zinskorridor gesenkt werden." Damit sprach sich Coene für einen negativen Einlagenzins in der Eurozone aus. Noch liegt der Einlagenzinssatz bei null Prozent. Sollte der Zinssatz in den negativen Bereich gesenkt werden, müssten Banken eine Art Gebühr für ihre Einlagen bei der EZB zahlen. Nach Aussage von Coene gibt es für diese Einschätzung einen Konsens innerhalb des geldpolitischen Rates der EZB.
Die ungewöhnlich niedrige Inflation in der Eurozone hatte zuletzt eine Diskussion über weitere Maßnahmen der EZB losgetreten. Es besteht die Sorge, dass der Währungsraum in eine Deflation abgleiten könnte. Dauerhaft sinkende Preise würden im schlimmsten Fall zu einer konjunkturellen Abwärtsspirale führen, weil Unternehmen und Verbraucher auf weiter sinkende Preise setzen und deshalb Konsum und Investitionen aufschieben. Im gesamten Währungsraum lag die Inflation im März bei 0,5 Prozent und damit deutlich unter der von der EZB anvisierten Zielmarke von knapp zwei Prozent./jkr/jsl
AMSTERDAM (dpa-AFX)