15.06.2014 14:48:49

Nach EZB-Entscheidung: Etwas Bewegung beim Dispo, Sorge vor Strafzins

FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach der historische Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) gehen erste Banken bei den Dispozinsen etwas auf ihre Kunden zu. Doch die leichte Senkung der nach wie vor oft zweistelligen Gebühren fürs Kontoüberziehen geht Kritikern nicht weit genug. "Wir haben viel zu hohe Dispozinsen im Vergleich zum sonstigen Zinsumfeld", kritisierte Verbraucherschützerin Dorothea Mohn im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Frankfurt.

Zudem sei zu befürchten, dass die Branche den neuen Strafzins für Einlagen der Institute bei der EZB trotz aller Beteuerungen auf Umwegen doch auf die Kunden abgewälzen wird, sagte die Geldanlageexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv).

Die EZB hatte am 5. Juni den Leitzins auf 0,15 Prozent gesenkt. Damit kommen Banken noch günstiger an Zentralbankgeld. Außerdem müssen die Institute künftig 0,10 Prozent Strafzinsen auf Geld zahlen, das sie bei der EZB parken, statt Kredite zu vergeben. Das Bundesverbraucherministerium hatte nach der EZB-Entscheidung die Kreditwirtschaft aufgefordert, die Dispozinsen zu senken.

Einer Umfrage der "Bild"-Zeitung (Samstag) unter mehr als zehn Geldhäusern zufolge wollen Deutsche Bank und Berliner Bank zum 16. Juni ihre Dispo-Konditionen um jeweils 0,1 Punkte auf maximal 11,8 Prozent je nach Kontotyp kürzen. Bei der Norisbank sinkt der Dispo-Zinssatz von derzeit 11,25 Prozent auf 11,15 Prozent. Bei der Postbank gelten für das Konto "GiroPlus" künftig 11,95 Prozent statt 12,05 Prozent, für das "GiroExtraplus" 9,3 Prozent statt 9,4 Prozent. Die Commerzbank verringert demnach für Neukunden die Dispo-Zinsen ab dem 26. Juni um 0,5 Punkte auf 11,4 Prozent.

"Die aktuellen Zinssenkungen sind ein schlechter Witz", kritisierte die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Nicole Maisch, am Samstag. Kritik kam auch von den Linken. Beide Oppositionsfraktionen fordern gesetzliche Obergrenzen für Dispozinsen. Verbraucherschützerin Mohn sagte: "Vorstellbar wäre ein Wert von sieben Prozent auf Grundlage des Referenzzinses Euribor." Seit Jahren kämpfen Verbraucherschützer gegen teils zweistellige Dispozinsen.

Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon verwies in einer dpa-Umfrage darauf, dass die Dispozinsen seit 2008 im Schnitt um rund drei Prozentpunkte gesunken seien. Die Kreditwirtschaft habe also durchaus reagiert. Der Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), derzeit auch Sprachrohr der Deutschen Kreditwirtschaft, erklärte, Kunden hätten in Sachen Kontoführung und Dispokonditionen "die Möglichkeit, unter einer Vielzahl von Angeboten zu wählen".

Genau diese Flexibilität sieht Verbraucherschützerin Mohn nicht. Beim Thema Dispo funktioniere der Wettbewerb nicht: "Die Banken machen sich dabei auch zunutze, dass man ein Konto nicht so einfach wechseln kann wie den Telefonanbieter oder den Energieversorger." Seit Jahren kämpfen Verbraucherschützer gegen teils zweistellige Dispozinsen.

Max Herbst von der unabhängigen Frankfurter Finanzberatung FMH, der regelmäßig die Konditionen von Banken vergleicht, erwartet nach der EZB-Entscheidung insgesamt keine große Bewegung beim Dispo. Dagegen nahmen Herbst zufolge etliche Institute die Leitzinssenkung zum Anlass, ihre Anlagezinsen zu verringern: "Die EZB hat dafür die Steilvorlage gegeben. Die Institute argumentieren: Die EZB senkt, dann senken wird auch", sagte Herbst.

Herbst zeigte sich überzeugt, dass die negativen EZB-Einlagenzinsen etwa in Form höherer Kreditkosten beim Bankkunden landen werden: "Wer glaubt, dass Banker durch Strafzinsen Verluste machen, der täuscht sich. Irgendwo wird das wieder reingeholt." Verbraucherschützerin Mohn geht ebenfalls davon aus, dass der Strafzins "an anderer Stelle eingepreist" wird.

Inwiefern Banken Leitzinssenkung und negativen Einlagenzins an ihre Kunden weitergäben, sei "geschäftspolitische Entscheidung jedes einzelnen Instituts", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Michael Kemmer: "Wir erwarten durch den Schritt der EZB allerdings nicht, dass es zu negativen Einlagenzinsen für Privatkunden kommen wird." Fahrenschon versicherte, die Sparkassen würden den negativen Einlagenzins "sicher nicht" an ihre Kunden weitergeben: "Wir können den Sparern nicht sagen: Jetzt musst Du für dein Vermögen auch noch Strafe zahlen."

SPD-Finanzexperte Carsten Schneider forderte als Antwort auf die Niedrigzinsphase im "Focus" gebührenfreie Anlagemöglichkeiten beim Bund. Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Klaus Müller, brachte in dem Magazin einen staatlichen Vorsorgefonds ins Gespräch.

Neue Ideen scheinen angebracht: Laut einer repräsentativen Emnid-Umfrage für den "Focus" überdenkt derzeit jeder fünfte Deutsche seine Anlagestrategie./ben/hqs/hoe/DP/kja

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