17.11.2018 22:33:44
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BERLINER MORGENPOST: Abschied vom Gezänk - Leitartikel von Joachim Fahrun zur neuen Geschlossenheit in der Berliner SPD
Die großen Anträge zu den Themen Gerechtigkeit, Mieten und Sicherheit gingen fast einstimmig durch den Landesparteitag. Auffällig oft erwähnten die früheren Streithähne Michael Müller und Raed Saleh sich gegenseitig lobend in ihren Reden.
Die SPD setzt einen klaren Akzent: Die Partei wendet sich massiv ihrem verlorenen Kernklientel zu, den Arbeitnehmern der unteren Lohngruppen, dem öffentlichen Dienst, den Familien und Alleinerziehenden. Mit diesem Schwerpunkt stärkt Müller seine Position in der Debatte um den bundesweiten Kurs der Partei. Weil hier mal einer konkret sagt, was die SPD eigentlich tun will, um das Postulat von "sozialer Gerechtigkeit" mit Leben zu erfüllen.
Die Lohnerhöhungen für Staatsdiener mittels einer "Berlin-Zulage" von 150 Euro pro Kopf und Monat haben das Zeug, den Dauerkonflikt mit den Gewerkschaften zu befrieden. Untere Lohngruppen wie Erzieherinnen oder einfache Streifenpolizisten hochzustufen und damit noch einmal besser zu besolden, entspricht den Wünschen vieler Bürger. Eine bessere Bezahlung wird dem Land auch bessere Argumente liefern im Wettbewerb um die dringend benötigten Mitarbeiter, die die Behörden wieder leistungsfähiger machen sollen.
Indem nach Kita-Gebühren und Büchergeld jetzt auch noch komplett die Hortgebühren und die Elternbeiträge für Schul- und Kitaessen abgeschafft werden sollen, schreibt die SPD ihre Erzählung von Berlin als kinderfreundlicher Stadt zu Ende: Bildung ist hier tatsächlich kostenfrei, von der Kita bis zur Universität.
Natürlich werden auch Gutverdiener von den Segnungen der SPD profitieren. Aber Familien zu entlasten ist ein viel klarerer Weg zum gesellschaftlichen Lastenausgleich als etwa die Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Kinderlose bei Rente und Pflege stärker zur Kasse zu bitten. Ein deutlich erhöhter Mindestlohn für Auftragnehmer des Landes dürfte das Lohnniveau in der Stadt insgesamt nach oben drücken.
Die große Frage ist: Kann sich die immer noch hoch verschuldete Stadt diesen Schluck aus der sozialdemokratischen Wohlfühlpulle leisten? Ja, sagt der Finanzsenator. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Berliner Wirtschaft sich weiter gut entwickelt. Hierfür gibt es trotz der absehbaren Eintrübung der Weltkonjunktur gute Hinweise.
Die guten Taten des Wochenendes sind langfristig abzusichern. Das wird nur gelingen, wenn die SPD an anderer Stelle bei den Ausgaben strenge Disziplin walten lässt. Denn auch Linke und Grüne haben Wünsche. Ein Dreiklang aus sozialdemokratischen, linken und grünen Beglückungsstrategien könnte auch die beste Wirtschafts- und Einnahmeentwicklung sprengen.
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