19.09.2016 12:30:46
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Bundesbank: Bisher keine große Umverteilung durch Geldpolitik
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Anleihekäufe der Zentralbanken des Eurosystem und ihre Zinssenkungen haben nach Aussage der Deutschen Bundesbank bisher keine größeren Auswirkungen für die Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland. In ihrem aktuellen Monatsbericht tritt die Bundesbank der Wahrnehmung entgegen, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), an deren Formulierung und Umsetzung sie selbst beteiligt ist, die Reichen reicher und die Armen ärmer macht.
Ein Grund ist, dass es sehr schwer ist, die Auswirkungen der Geldpolitik von den wirtschaftlichen Entwicklungen zu unterscheiden, die den Einsatz eines geldpolitischen Instruments hervorgerufen haben. Allerdings muss das nicht der Weisheit letzter Schluss sein, weil sich bestimmte Effekte erst mit Verzögerung zeigen könnten und die Forschung zu diesem Thema noch in den Kinderschuhen steckt.
"Die vielerorts zu lesende Aussage, die geldpolitischen Sondermaßnahmen hätten erwiesenermaßen die Ungleichheit erhöht, lässt sich nicht erhärten", heißt es im Monatsbericht. Solche Aussagen basierten auf unzulässigen Verallgemeinerungen, vernachlässigten erst später eintretende Verteilungswirkungen und ignorierten überdies die Frage, was denn mit der Wirtschaft passiert wäre, wenn die EZB weniger getan hätte.
Realwirtschaftliche Wirkungen der Geldpolitik schwer messbar Das bedeutet: Zwar profitieren Vermögende, weil der Preis von Immobilien und Aktien steigt, andererseits profitiert die breitere Masse von der konjunkturellen Stabilisierung, sicheren Arbeitsplätzen, stabilen oder höheren Löhnen. Letzteres ist allerdings schwerer zu messen als die Kursentwicklung einiger Aktien.
Die Bundesbank drückt es so aus: "Zuallererst ist es sehr schwierig, die Wirkungen geldpolitischer Maßnahmen exakt zu ermitteln. Dies liegt daran, dass die Geldpolitik beim Einsatz ihrer Maßnahmen in aller Regel auf Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagiert. Bei einer Analyse der Wirkungen einer derart regelgebundenen Geldpolitik ist es deshalb sehr schwierig zwischen den Wirkungen der Geldpolitik und den sie begründenden ökonomischen Veränderungen zu unterscheiden."
Die EZB hat ihre Leitzinsen bis auf die Nulllinie und teilweise sogar darunter gesenkt. Der Satz für Bankeinlagen bei der Zentralbank liegt bei minus 0,40 Prozent. Außerdem kaufen die Zentralbanken des Eurosystem monatlich Anleihen für 80 Milliarden Euro. Den größten Teil davon erledigen die nationalen Zentralbanken, indem sie Anleihen ihres Staats am Sekundärmarkt erwerben.
Geldpolitik wirkt stärker über Arbeitsmarkt als über Finanzmärkte Vor diesem Hintergrund werden immer häufiger Stimmen laut, die über die geringen Sparzinsen klagen, während gleichzeitig bei Aktienkursen und Immobilienpreisen immer neue Höchststände gemeldet werden. Aber diese Kritik verkennt laut Bundesbank, dass die realwirtschaftlichen Effekte einer expansiven Geldpolitik schwerer wiegen als ihre finanziellen Effekte.
Ihre deutlichste Wirkung entfaltet die EZB nämlich über den Arbeitsmarkt. Je besser die Lage dort ist, desto höher die Einkommen der gesamten Bevölkerung, desto geringer die Einkommensungleichheit und am Ende auch die Vermögensungleichheit.
In Bezug auf Einkommen war die Ungleichheit in Deutschland 2011 - aktuellere Daten liegen nicht vor - höher als etwa in Finnland oder Japan, aber niedriger als in Frankreich, Kanada oder Großbritannien und um mehr als zwei Drittel niedriger als in den USA. Bei der Vermögensverteilung allerdings ist die Ungleichheit in Deutschland vergleichsweise hoch - übertroffen wird sie nur von jener in den USA und in Schweden.
Bundesbank zweifelt an höherer Ungleichheit durch Geldpolitik Die Bundesbank findet es jedoch "zumindest sehr zweifelhaft, dass die expansiven geldpolitischen Maßnahmen der letzten Jahre in der Gesamtschau die Ungleichheit erhöht haben" sollen. "Während die herkömmliche Zinspolitik und die unkonventionellen Maßnahmen bei der Einkommensverteilung für sich genommen die Ungleichheit eher verringert haben dürften, ist ihr Effekt auf die Vermögensverteilung weniger klar", heißt es in dem Bericht.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat die Geldpolitik der EZB immer wieder kritisiert. Er weist darauf hin, dass einem immer unsicherer werdenden Nutzen immer höhere Risiken für die Finanzstabilität gegenüber stehen. Der vor allen in der deutschen Presse häufig geäußerten Kritik, dass die Geldpolitik nur die ohnehin Vermögenden begünstige, will sich die Bundesbank aber nicht anschließen.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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