Warum Bitcoin als Wertspeicher in keinem diversifizierten Portfolio fehlen sollte. Jetzt lesen -w-
Christoph Kanzler-Kolumne 31.08.2013 13:00:02

Das Brokkoli- und Steak-Portfolio

Kolumne

Die Auswahl von Wertpapieren kann allerdings immerhin Spaß machen – und es gibt nichts Besseres, als das richtige Timing zu haben und später vor Freunden damit zu prahlen.

Trotz all des angesammelten Wissens über Portfolio-Strukturierung und Risikoverständnis sowie über Diversifizierung und Disziplin, scheinen einige Anleger ihre Investments mehr als Selbstzweck denn als Mittel zum Zweck anzusehen.

Für diese Menschen ist die Auswahl von Wertpapieren ein Hobby. Sie folgen Gurus und saugen jede Aussage in den Medien förmlich auf. Trotz dauernder Gegenbeweise sind sie davon überzeugt, dass sie eine andauernd erfolgreiche Strategie umsetzen können, die auf der Ausnutzung wahrgenommener Fehler in den Marktpreisen aufbaut.

Ein Grund dafür ist die menschliche Tendenz zur Selbstüberschätzung. Wir halten uns ja beispielsweise gerne selbst für überdurchschnittliche Autofahrer, auch wenn wir es eigentlich nicht sind. Für Investments gilt dasselbe – viele von uns glauben, mehr zu verstehen als andere und die Gabe des Weitblicks zu besitzen, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung sie definitiv nachweisbar nicht hat.

Eine 2010 veröffentlichte Studie der Duke University in den USA über Führungskräfte offenbarte eine ernüchternde Prognosebilanz bei einer Gruppe, von der wir wohl angenommen hätten, dass sie weiß, was sie tut: Die Studie kam nach Analyse von 11.600 Prognosen des S&P 500-Index über neun Jahre zu dem Schluss, dass Schätzungen und zukünftige Erträge in den Prognosen und Ergebnissen der Führungskräfte negativ korreliert waren. (Mit anderen Worten, diese Führungskräfte waren hoffnungslose Prognostiker).

Die Forschung vermutet, dass die Tendenz, viel zu handeln und überzeugte Prognosen aufzustellen, auch geschlechtsspezifische Ursachen hat: Es scheint ein testosterongesteuerter Instinkt bei Männern zu sein, sich zu brüsten, zeigt doch jede Studie, dass Männer schwerer damit umgehen können, den Markt wahrscheinlich nicht "besiegen" zu können. Für diese „Großwildjäger“ ist ein Investmentkonzept, das die Arbeit mit dem Markt, die Diversifizierung um Risiken herum, die mit einem erwarteten Ertrag verbunden sind, einen effizienten Handel, Disziplin und die Beobachtung von Gebühren und Steuern favorisiert, so etwas ist wie das finanzielle Äquivalent eines Brokkoli-Walnuss-Salats – also sehr gesund und nahrhaft, aber völlig langweilig.

Und: Sind wir doch einmal ehrlich! Geht es nicht bei Investments darum, es immer wieder zu versuchen und, ähnlich einem Don Quijote, diese Marktwindmühlen zu berechnen? Sind wir keine Männer? Mögen wir ein Rindersteak nicht lieber als Brokkoli?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dieser Einstellung zu begegnen. Eine ist die Hoffnung auf Veränderung der menschlichen Natur. Das bedeutet aber nichts anderes als die schier unmögliche Aufgabe, jeden Möchtegern-Meister im Universum davon zu überzeugen, sein Verlangen nach der Bestätigung seines Egos von der Erfordernis zu trennen, ein Vermögen geduldig und effizient aufzubauen.

Eine kleine Korrektur: Vielleicht ist es doch nicht ganz unmöglich. Aber man kann erahnen, dass dies einige Zeit und einigen Aufwand erfordern würde, das Gesicht zu wahren.

Ein anderer Ansatz ist es, das finanzielle Polster für Investments vom Spielgeld zu trennen. Wenn jemand unbedingt auf dem Markt spekulieren will, soll es ihm unter der Voraussetzung gestattet sein, dass sein langfristig angelegtes Ruhestandsgeld konservativ angelegt ist. So kann sich ein Investor (teure) Unterhaltung kaufen und ein paar „Jäger- und Sammlergeschichten“ anhäufen, die er auf dem Golfplatz zum Besten geben kann, ohne dabei die mühsam für sich und seine Familie aufgebaute Portfolio-Strukturierung zu gefährden. Es bleibt irgendwo verständlich und menschlich, dass einige Anleger Investments als eine Art Hobby betrachten.

Durch die Trennung der Spekulations- und Investmentkonzepte können jene Anleger jedoch den einen oder anderen Leckerbissen genießen und dabei eine ausgewogene Diät beibehalten. Nennen wir es das Brokkoli- und Steak-Portfolio.



Christoph R. Kanzler ist Leiter der Niederlassung Deutschland, Österreich und Schweiz von Dimensional Fund Advisors. Die Fondspalette von Dimensional umfasst mehr als 100 Aktien- und Anleihenportfolios weltweit. Das Unternehmen ist global aktiv und hat aktuell 265 Milliarden US-Dollar Assets under Management.
Vor seiner Tätigkeit bei Dimensional war Kanzler Leiter Business Development bei der quirin Bank, zuvor besetzte er verschiedene Positionen bei der Citigroup, Credit Suisse und DAB Bank.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.

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