19.07.2013 18:17:58

DER STANDARD-Kommentar "Der braune Bodensatz" von Alexandra Föderl-Schmid

"Auch in diesem Wahlkampf wird auf antisemitische, rassistische Slogans gesetzt" - Ausgabe 20.7.2013

wien (ots) - Der Wahlkampf dümpelt in der sommerlichen Hitze vor sich hin. Zehn Wochen vor der Nationalratswahl Ende September war man versucht zu glauben, es könnte diesmal eine politische Auseinandersetzung in Österreich stattfinden, die ohne Griff in die unterste Schublade auskommt: in der keine ausländerfeindlichen oder antisemitischen Sprüche zum Stimmenfang verwendet werden. Der Chef der Freiheitlichen, Heinz-Christian Strache, beteuerte in seiner Parteitagsrede im Juni, er habe "nie einen ausländerfeindlichen Wahlkampf gemacht". Er spricht jetzt von "inländerfreundlicher Politik" - was für Intelligentere unter seinen Zuhörern auf das Gleiche herauskommt. Bis auf die mittlere Funktionärsebene dürfte sich das nicht herumgesprochen haben. In einer Zeitschrift der Freiheitlichen Arbeitnehmer Niederösterreich (FAN) wird nicht nur geschmackloserweise ein Plakat mit dem Konterfei von Josef F. geschmückt; Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) wird auch als "Ausländerstaatssekretär" tituliert, und es wird Muslimen empfohlen, "nutzt doch eure Reisefreiheit!!" An anderer Stelle heißt es: "Pro Deportation!" Das erinnert an den vom Salzburger FPÖ-Obmann Karl Schnell verwendeten Begriff der "Umvolkung". In einem Interview forderte Schnell im Mai ein "Recht auf unsere Heimat" ein. 1992 hatte der damalige FPÖ-Grundsatzreferent und nunmehrige EU-Abgeordnete Andreas Mölzer bereits seine Befürchtung geäußert, dass sich in Deutschland und Österreich eine "Umvolkung" anbahne. Dass immer wieder Begriffe und Symbole, die seit dem Nationalsozialismus einschlägig bekannt sind, von Freiheitlichen verwendet werden, hat System, es gibt eine Vielzahl an Beispielen: Als Jörg Haider 2001 beim politischen Aschermittwoch über den damaligen Chef der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, sprach, bediente er sich antisemitischer Klischees: Jemand, der Ariel heiße, müsse Dreck am Stecken haben. Im Wahlkampf für den Vorarlberger Landtag 2009 wurde der Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, als "Exil-Jude aus Amerika" verunglimpft. Strache postete vergangenen Herbst auf Facebook eine Karikatur, die einen Banker mit Hakennase und Davidsternen zeigte. Ein Innviertler FPÖ-Gemeinderat hat vor kurzem auf seiner Facebook-Seite Angela Merkel mit Davidstern auf der Kleidung veröffentlicht und den Holocaust-Film Schindlers Liste zum "jüdischen Propagandafilm" erklärt. Der Kommunikationswissenschafter Maximilian Gottschlich kommt in seinem Buch Die große Abneinung. Wie antisemitisch ist Österreich zu dem Befund, "die österreichische Gesellschaft hat eine ausgeprägte Immunschwäche gegen den Antisemitismus". Er führt dies auf ein "defizientes Demokratiebewusstsein" zurück. Der Opfermythos, der in der Waldheim-Ära wieder propagiert wurde, und das noch immer schlampige Verhältnis zur Vergangenheit führen dazu, dass der braune Bodensatz zum Vorschein kommt: Weil man hofft, damit Stimmung zu machen und Stimmen zu bekommen. Es ist bezeichnend, dass es keinen Aufschrei gibt, wenn im Wahlkampf antisemitische Töne in Österreich angeschlagen werden. Zum Stimmenfang wird noch immer auf die vom Philosophen Theodor Adorno konstatierte "nachlebende Sympathie mit dem Nationalsozialismus" gesetzt.

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