30.12.2013 19:14:58

DER STANDARD-KOMMENTAR "Zuwanderung ist notwendig" von Alexandra Föderl-Schmid

Österreich profitiert von Arbeitsmigration, die Politik spricht das nicht offen aus - Ausgabe vom 31.12.2013

Wien (ots) - Ohne Rumänen und Bulgaren wäre das Pflegesystem in Österreich längst kollabiert. Insbesondere Frauen aus Osteuropa sorgen dafür, dass die Pflege alter und kranker Österreicher zu Hause
80 Prozent der Fälle - funktioniert. 61.000 Menschen aus diesen beiden Staaten arbeiten schon in Österreich. Für selbstständige Pflegekräfte galten die bisherigen Arbeitsmarktbeschränkungen nicht. Durch die völlige Öffnung des Arbeitsmarktes für Bulgaren und Rumänen zu Jahresbeginn wird laut Schätzungen von Experten ihre Zahl in Österreich bis 2015 auf insgesamt 106.000 ansteigen. Österreich ist, nicht zuletzt wegen geringer Geburtenraten und Überalterung, wie andere Staaten in Europa auch auf Zuwanderung angewiesen: um dem Fachkräftemangel zu begegnen und um Wirtschaftswachstum sowie Wohlstand zu sichern. Außerdem verrichten diese Menschen Tätigkeiten, die bei Österreichern nicht besonders beliebt oder aus Zeitgründen nicht möglich sind - die Pflege von Angehörigen etwa. Panikmache, wie sie in Österreich seit Jahren die FPÖ betreibt, ist daher fehl am Platz. In dieselbe Kerbe schlägt nun die CSU, die bekanntlich seit Franz Josef Strauß den Anspruch vertritt, rechts von ihr solle es keine andere Partei geben. Die Christlich-Sozialen aus Bayern haben pünktlich zur Arbeitsmarktöffnung die Parole ausgegeben: "Wer betrügt, der fliegt!" Damit stellen sie alle Arbeitsmigranten unter den Generalverdacht des Sozialbetrugs. Dabei nehmen die Bürger aus Bulgarien und Rumänien eine der Grundfreiheiten der EU in Anspruch: die Personenverkehrsfreiheit. Grundsätzlich darf jeder EU-Bürger in einem anderen Mitgliedsstaat leben und arbeiten. Im Falle Rumäniens und Bulgariens gilt dies in sieben EU-Staaten ohnehin erst sechs Jahre nach dem EU-Beitritt. Die CSU befürchtet dagegen einen "fortgesetzten Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung". Es ist kein Zufall, dass die CSU just jetzt dieses Thema entdeckt: Bei den Koalitionsverhandlungen hat die kleinste Partei im Bündnis mit der CDU und der SPD nicht besonders viel herausgeschlagen. Außerdem stehen 2014 neben der EU-Wahl noch die Kommunalwahlen in Bayern auf dem Programm. Die von der CSU losgetretene Debatte über Arbeitsmigranten trifft auf überraschend massiven Widerspruch: von Parteien, Wirtschaftsvertretern, Ökonomen und nicht zuletzt dem Arbeitsministerium. Mit einem Zahlenkonvolut reagiert das nunmehr von der früheren SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles regierte Haus. Die Fakten bei nüchterner Betrachtung: Die Arbeitslosigkeit wird durch den Zuzug von Bulgaren und Rumänen leicht ansteigen, und vor allem im Bereich der schlecht qualifizierten Arbeitskräfte wird es zu einem Verdrängungswettbewerb kommen. Das gilt für Deutschland und Österreich gleichermaßen. Aber: Unterm Strich bleibe "ein positiver Nettobeitrag der in Deutschland lebenden Migranten". Auch Österreich profitiert vom Neuzuzug: Durch höhere Einnahmen aus Steuern und Abgaben wird der Staat laut Wirtschaftsforschern rund 311 Millionen Euro mehr einnehmen. Selbst unter Abzug der Sozialausgaben bleibt ein Plus von rund 106 Millionen im Jahr. So müsste auch die Debatte in Österreich geführt werden: offensiv Probleme ansprechen und Zahlen präsentieren, Fakten gegen FPÖ-Parolen.

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