10.01.2023 17:10:38

GESAMT-ROUNDUP 2: Baerbock überraschend in Charkiw - Ostukraine unter Druck

(neu: Baerbock)

CHARKIW/KIEW/MOSKAU (dpa-AFX) - Bei einem zunächst geheim gehaltenen Besuch in Charkiw hat Außenministerin Annalena Baerbock der Ukraine weitere Waffenhilfe zugesagt. Die Ukraine benötige dies, "um ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger zu befreien, die noch unter dem Terror russischer Besatzung leiden", sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag in der vom Krieg gezeichneten Millionenstadt. Derzeit sind ukrainische Truppen vor allem durch schwere russische Angriffe im östlichen Gebiet Donezk unter Druck.

Baerbock besuchte die Ukraine nur wenige Tage nach der Entscheidung der Bundesregierung zur Abgabe deutscher Schützenpanzer vom Typ Marder an das von Russland attackierte Land. Nun gibt es Forderungen, auch den Kampfpanzer Leopard 2 zu liefern. Dafür signalisierte am Dienstag EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen Unterstützung. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bleibt zurückhaltend.

Baerbock sagte in Charkiw, die Menschen in der Ukraine sollten "wissen, dass sie sich auf unsere Solidarität und unsere Unterstützung verlassen können". Sie betonte zudem die EU-Perspektive für Kiew. Ihr sei wichtig, "dass wir auch in diesem Kriegswinter den Platz der Ukraine in unserer europäischen Familie nicht aus dem Blick verlieren".

Die Millionenstadt Charkiw und das gleichnamige Gebiet in der Ostukraine gehörten zu den ersten Angriffszielen Russlands nach der Invasion im Februar 2022. Die Ukraine schlug die russischen Truppen bis September weitgehend zurück.

Vorstöße russischer Truppen und von Wagner-Söldnern

Derzeit sind die Kämpfe im ebenfalls im Osten gelegenen Gebiet Donezk rund um die Städte Soledar und Bachmut besonders heftig. Sie sind Teil des ukrainischen Verteidigungswalls vor dem Ballungsraum zwischen Slowjansk und Kramatorsk. Die Einnahme des Gebiets wäre aus russischer Sicht ein bedeutender Schritt hin zur Eroberung des gesamten Donbass - eines der Kriegsziele des Kremls.

Im täglichen britischen Geheimdienst-Briefing hieß es, reguläre russische Truppen und Einheiten der Söldnertruppe Wagner hätten in den vergangenen vier Tagen taktische Vorstöße in Richtung Soledar gemacht und kontrollierten wahrscheinlich den größten Teil des Orts. Dort lebten vor dem Krieg rund 10 000 Menschen, von denen die meisten aber geflohen sein sollen. Bachmut ist viel größer mit einst 71 000 Einwohnern. Ende die Dezember zählte die Stadt noch 8700 Menschen.

Bachmut bleibe das vorrangige Ziel der russischen Offensive, hieß es in der britischen Analyse. Trotz des erhöhten Drucks sei es unwahrscheinlich, dass Russland Bachmut bald einnehme. Die ukrainischen Streitkräfte hätten stabile Verteidigungsstellungen aufgebaut und Kontrolle über die Versorgungswege.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Lage bei Soledar in seiner nächtlichen Videoansprache als sehr schwierig bezeichnet. Doch betonte Selenskyj den Widerstand der ukrainischen Soldaten. Dieser verschaffe der ukrainischen Armee Zeit. "Die Schlacht um den Donbass dauert an." Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar erklärte auf Telegram, Russland habe erfolglos versucht, Soledar einzunehmen. Nun habe "der Feind sich umgruppiert, seine Taktik geändert und einen neuen, heftigen Angriff gestartet".

Von der Leyen für weitere Waffenlieferungen an Ukraine

In Brüssel unterstützte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Linie von Ländern, die Leopard-2-Lieferungen erwägen: "Ich denke, die Ukraine sollte die militärische Ausrüstung bekommen, die sie braucht und benutzen kann, um ihre Heimat zu verteidigen", sagte sie. Dies umfasse moderne Flugabwehrsysteme und andere moderne militärische Ausrüstung.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte Gespräche auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein über weitere Waffen, Munition und Ersatzteile für die Ukraine an. Nach US-Angaben soll das Treffen am 20. Januar stattfinden. Von der Leyen kündigte auch neue Sanktionen gegen Belarus an, das Russland im Ukraine-Krieg unterstützt.

Russland modernisiert Einberufung

In Russland sprach Verteidigungsminister Sergej Schoigu von anstehenden Verbesserungen von Kampfdrohnen und -jets. Zudem sollen die für die Einberufung von Reservisten zuständigen Kreiswehrersatzämter modernisiert werden. So sollten etwa Datenbanken aktualisiert sowie die Zusammenarbeit lokaler und regionaler Behörden verbessert werden.

In der russischen Bevölkerung kursieren seit Wochen Gerüchte, die politische Führung bereite eine zweite Mobilisierungswelle vor. Davon geht auch der ukrainische Geheimdienst aus. Der Kreml dementiert. Um mehr Soldaten an die Front in der Ukraine zu schicken zu können, hatte Präsident Wladimir Putin im Herbst rund 300 000 Reservisten einziehen lassen.

Aus Moskau wurde zudem eine Personalie gemeldet: Der nach einigen Niederlagen im Ukraine-Krieg kritisierte russische General Alexander Lapin wurde zum Generalstabschef der Heerestruppen ernannt, wie die Nachrichtenagentur RBK berichtete. Lapin kommandierte bis zum Oktober die Heeresgruppe "Zentrum" der russischen Truppen in der Ukraine, wurde dann aber nach teils heftiger Kritik aus der Heimat abgelöst.

Weltbank befürchtet Rezession

Wirtschaftlich macht der russische Angriffskrieg zusammen mit der hohen Inflation weiter große Sorgen. Die Weltbank senkte am Dienstag ihre globale Wachstumsvorhersage für dieses Jahr auf nunmehr 1,7 Prozent und warnte vor einer möglichen Rezession. "Die Weltwirtschaft steht auf Messers Schneide", sagte Prognose-Chef Ayhan Kose der Deutschen Presse-Agentur in Washington./vsr/DP/jha

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