10.10.2025 18:01:00

Gewinn mit Deutschland

Kolumne

Vom Seitwärtstrend zum Allzeithoch lasen wir heute Morgen. Aber nein, nicht unsere Bundesregierung ist gemeint, sondern "nur" der Dax. Groß sind die Hoffnungen, dass in Nahost jetzt endlich Frieden einkehrt, zumindest einmal die Waffen ruhen.

Um die Wurst

"Ottobock gelingt größter Börsengang des Jahres", titelt das Handelsblatt und die Süddeutsche Zeitung textet, ohne auf den IPO hinzuweisen, "Bock auf die Börse". Gut zu wissen, dass sich die EU mit jenen Themen befasst, die uns im wahrsten Sinne des Wortes auf der Zunge liegen: Wir finden künftig im Kühlregal weder Gemüse-Burger noch vegane Wurst, zumindest nicht unter diesen Bezeichnungen. "Veggie-Wurst soll nicht mehr Wurst heißen", klärt die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf. Offensichtlich sind wir so konditioniert, automatisch an Fleisch zu denken, wenn wir Wurst lesen. Den Bayerischen Rundfunk verführt dies zur Grundsatzfrage: "Wann ist eine Wurst eine Wurst?" Gespannt sind wir auf die neuen Begrifflichkeiten und haben ausnahmsweise die KI zur Hilfe gerufen. Liebe Marketingabteilungen, wie wäre es mit "Veggie Bun" oder einfach "Gemüselaibchen im Brötchen" (auf bayerisch und ohne KI doppelt gemoppelt ein Gemüsepflanzerl in der Semmel) und "Vegane Rolle" für Würstchen? Irgendwie eine Rolle rückwärts ist das Ganze ja, fühlt man sich doch künftig als "Armes Röllchen", wenn es einem nicht eh "Wurst" ist…

Top-Model oder Top-Aktien

Mit nicht weniger als "die Besten der Welt" macht Börse Online diese Woche auf. "Datenbank 1.382 Aktien im Check", heißt es weiter, was uns diese Besten etwas inflationär erscheinen lässt. Der Aktionär flattert knallgelb ins Haus und lockt mit "Top-Aktien - super günstig". Wir lesen weiter: "KGV 8 und viel Potenzial - 230 Prozent sind für Anleger drin"! Außerdem nimmt Der Aktionär ein "Top-Model" ins Visier und aufs Titelblatt, weil sich bei ihrer Firma "Riesige Verluste und Schulden" aufgetürmt hätten und die Zeche "Aktionäre" zahlen, es geht um Mode. Interessant: Die Firma des Topmodells hat in einem Jahr mehr Schulden als Umsatz gemacht. Einen kräftigen Bundesadler, der den Bizeps spannt, vor Schwarz-Rot-Gold präsentiert Focus Money, dabei hatten wir uns schon an einen zerzausten Pleitegeier gewöhnt: "65% Gewinn mit Deutschland", so der Titel. Immerhin "12 Aktien zum Durchstarten" findet die Redaktion. In ein ähnliches (Bullen-)Horn stößt Euro am Sonntag: "Aktien starten durch - jetzt einsteigen!", während ein Bulle auf den Betrachter zurast und eher zum Weglaufen motiviert.

Helgoland - Bayernland

Kritik seitens der Opposition erntet der bayerische Ministerpräsident. Nun, es ist Sache der Opposition, an der Regierung Kritik zu üben und ehrlicherweise bleibt ihr in Bayern auch nicht viel anderes übrig. Den Anlass der Empörung entnehmen wir der Süddeutschen Zeitung: "Söders Helgoland-Reise kostete Bayern fast 16.000 Euro". Reine Selbstinszenierung sei das, während die Staatskanzlei betont, es sei ein Arbeitsbesuch gewesen, einschließlich des mitgereisten Trachtenvereins "D’Schloßbergler Hopferau e.V.". Eine wetterfeste Tracht kann im windumtosten Helgoland nicht schaden. Begeben wir uns auf die Suche nach Gemeinsamkeiten mit Bayern: Viel Tourismus - neudeutsch Übertourismus - und kahle Felsen. Während Helgoland aus zwei Inseln besteht, umschlossen vom Meer, gibt es in Bayern im Chiemsee zwei Inseln, umgeben vom Bayerischen Meer. Nicht zuletzt war Helgoland im 19. Jahrhundert Britische Kronkolonie, während Bayern dazumal ein eigenes Königreich war. Erst 1890 wurde Helgoland vom Deutschen Reich gegen Sansibar eingetauscht - ein Auftritt D’Schloßbergler auf Sansibar hätte seinen eigenen Reiz gehabt. Und während Michael Öchsner 1860 die Bayernhymne in München textete, hat bekanntlich 1841 August Heinrich Hofmann von Fallersleben die Deutschlandhymne im Exil auf Helgoland geschrieben - die Heimat erscheint ja oftmals umso schöner, je weiter sie weg ist, vielleicht hing auch der bayerische Ministerpräsident diesen Gedanken nach, über die Nordsee blickend?

Schlaraffenland

Nichts tun und trotzdem Geld verdienen, das klingt nach Paradies. Wenn einem dann noch ein Gemüseburger, Verzeihung, Gemüsepflanzerl in den Mund fliegt, dann bewegen wir uns Richtung Schlaraffenland, wo bekanntlich harte Arbeit als Sünde gilt. Irdisch nennt man dies eher simpel Grundeinkommen und Hamburg - also die Hambürger, nicht zu verwechseln mit Hamburger, siehe oben - stimmt an diesem Wochenende ab, ob dazu ein Modellversuch gestartet wird. "Jeden Monat Geld - einfach so", nennt es die Süddeutsche Zeitung. Wahlberechtigt sind erstaunlicherweise Zahler wie potenzielle Empfänger dieses Grundeinkommens, die Aufwendungen sollen sich auf 50 Mio. Euro belaufen. Irgendwie ahnen wir, dass die etwa 2.000 Menschen, die solch ein Grundeinkommen dann drei Jahre erhalten sollen, die Sache am Ende eher positiv sehen. Ob das die Gesellschaft weiterbringt, soll jetzt also im Feldversuch geklärt werden. Laut Initiatoren sollen die Empfänger einen "repräsentativen Querschnitt der Stadtgesellschaft" abbilden und die 50 Mio. Euro seien nur ein "Fischbrötchen" pro Hamburger - nicht umgekehrt.

Ulrich Kirstein ist Pressesprecher der Börse gettex. Der Betriebswirt und Kunsthistoriker schreibt über Literatur und Börse, interviewt alle 14 Tage in Börse am Donnerstag den Leiter Marktsteuerung und hat u.a. mit Christine Bortenlänger Börse für Dummies und Aktien für Dummies verfasst.

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