31.01.2025 18:00:18

Hauptsache Chance

Kolumne

Der Knaller dieser Woche - zumindest an der Börse - betrifft Künstliche Intelligenz aus China. "Wie Deep Seek die Branche verändert", berichtet die Süddeutsche Zeitung dazu nüchtern, "Tech-Aktien stürzen ab", widmet sich der Münchner Merkur den zumindest kurzfristigen Folgen und das Handelsblatt macht gleich mit "Die rote Revolution" auf. Ob dafür eventuell menschliche chinesische Intelligenz Künstliche Intelligenz aus den USA angezapft hat, wird nun von menschlicher Intelligenz aus dem Westen diskutiert - es bleibt kompliziert. Einfacher scheint da das Verhalten der Notenbanken: Die "US-Notenbank wartet die Folgen von Trumps Politik ab", erklärt die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass die Fed keine Zinssenkung verkündete, während die EZB die Zinsen noch einmal um 0,25 Prozentpunkte senkte. Etwas untergegangen ist da die Prognose des Wirtschaftsministers zum Wachstum in Deutschland: "Miniwachstum nach Minusjahren", nennt es der Münchner Merkur, "Stagnation, nächste Runde", die Süddeutsche Zeitung. Und zuletzt, die Unternehmerverbände rufen den "Wirtschaftswarntag" aus, die Sirenen blieben aber stumm, Unternehmer gehen auf die Straße, streiken können sie eher nicht. "Wirtschaftsverbände fordern den Politikwechsel", titelt die Süddeutsche Zeitung, weist aber darauf hin, dass es "auch Kritiker der Aktionen" gibt.

So günstig, so Crash

"Buy the Crash", lautet der Aufmacher von Der Aktionär, der gar einen Schwarzen Schwan ausmacht, der die Börsen in Angst und Schrecken versetzt. Die Ursache der Angst, der Anflug des Schwans? Das "DeepSeek-Drama bei Nvidia, Siemens Energy & Co."! Das sei aber auch eine "Super-Chance für Anleger". Also doch eher ein weißer Schwan für weise Anleger? Apropos Chancen: Normalerweise ist "Schnäppchen" eher keine Auszeichnung für Aktien und Unternehmenslenker sind selten zufrieden, wenn sie ihre Firma für "unterbewertet" einschätzen - was sie meistens tun. Anders sieht das Börse Online, denn das Magazin lockt mit den "25 günstigsten Aktien der Welt". Mit dabei eine "Kurs-Chance 100 %"! Und es folgt noch ein Satz, bei dem wir zögern, ihm eine 100prozentige Chance einzuräumen: "So günstig, dass sie steigen müssen!" "Rekorde, Rekorde, Rekorde", meldet Focus Money, dabei ist Olympia doch vorbei. Hier gibt man sich erst mit einer "300% Chance" zufrieden, und die soll es "im Dax" geben. Außerdem noch eingeblendet auf dem Titel: "6 Dax-Werte mit 100 Prozent Potenzial". Wir rechnen und rechnen, aber 300 kommt nicht dabei heraus.

Perpetuum Mobile

Es könnte sein, dass das einzig funktionierende Perpetuum Mobile die Sache mit der Bürokratie ist: Zirkel 1: Immer mehr Beamte schaffen immer mehr Bürokratie, die immer mehr Beamte erfordert. Zirkel 2: Überbordende Bürokratie führt zu Forderungen nach Bürokratieabbau, für die es erneut bürokratieabbauende Bürokraten erfordert. Sollte die Aktion erfolgreich verlaufen (die Wahrscheinlichkeit ist eher gering), werden Forderungen nach mehr Bürokratie laut, was zu Zirkel 1 führt. Die Börsen-Zeitung widmet dem "Zankapfel Bürokratieabbau" eine ganze Seite, die aktuelle WirtschaftsWoche zeigt es auf dem Titel: "Kollaps im Mittelstand", hier quillt ein Schreibtisch über vor Aktenbergen mit Themen wie "Nachhaltigkeit, CO2, Lieferketten" und die Erklärung: "Unternehmen leiden unter immer neuen Berichtspflichten - nun wird es bei der Finanzierung eng". Das Ende vom garstigen Lied: Wo es kein Geld gibt, gibt es auch nichts mehr zu berichten! In Brüssel läuft der Bürokratieabbau im Übrigen unter dem charmanten Begriff: "Wettbewerbsfähigkeits-Kompass", weil gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit Europas vorangetrieben werden soll. Immerhin, eine gewisse Wortschöpfungs-Kompetenz ist uns nicht abzusprechen!

Tod aus Plastik

Nun, seinen guten Ruf ist Plastik schon seit längerem los, vielmehr kursieren die merkwürdigsten Vermeidungsstrategien, die wir gerne befolgen, ohne dass der Müll weniger wird, den wir separiert in die vorgesehenen Container werfen. Ebenfalls vorbei scheint in diesen doch eher schwierigen und auch so empfundenen Zeiten die Begeisterung für Feiern zu sein. Da ist es wenig erstaunlich, dass die Kombination von Plastik und Feiern, Tupper-Partys nämlich, ebenfalls vorbei ist. Nach der von uns bereits berichteten Pleite von Tupperware in den USA muss jetzt auch die Vertriebsgesellschaft in Deutschland Insolvenz anmelden. Weshalb die WirtschaftsWoche der Frage nachgeht, "woran die Mutter aller Plastikschüsseln starb". Es gäbe zwar noch ausreichend Ware, aber keine Lizenz, sie auch zu verkaufen, so das Resümee des Konkursverwalters. Immerhin gibt es einen vierteiligen True-Crime-Podcast des Deutschlandfunks über den Niedergang des Traditionsunternehmens. Er soll sich mit der Frage befassen, "Who Killed Tupper" und sich auf die Spur nach "morbiden Plastikpartys" begeben. Wir haben Erinnerungen an Tupperpartys, der Begriff "morbid" wäre uns dabei aber nicht in den Sinn gekommen. Nun, Deckel drauf und zu, können wir dazu nur abschließend beitragen.

Ulrich Kirstein ist Pressesprecher der Börse gettex. Der Betriebswirt und Kunsthistoriker schreibt über Literatur und Börse, interviewt alle 14 Tage in Börse am Donnerstag den Leiter Marktsteuerung und hat u.a. mit Christine Bortenlänger Börse für Dummies und Aktien für Dummies verfasst.

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!