26.04.2015 19:13:00
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IHS-Experte zu Arbeitslosigkeit: Bildung viel wichtiger als Wohnort
In der Krise 2009/10 sei die Streuung zwar geringer geworden, weil die Arbeitslosigkeit auch in der Industrie gestiegen sei. Danach sei die Ungleichheit bei der Verteilung der Arbeitslosigkeit wieder gestiegen. Während des letzten Konjunkturrückgangs, also 2013/14, sei die Streuung hingegen gleich groß geblieben.
Einer der Gründe für die großen regionalen Unterschiede am Arbeitsmarkt sei, dass einige Bundesländer eine sehr dynamische Industrie aufweisen und von der Expansion ihrer Industriebetriebe profitieren. In anderen Regionen gebe es einfach weniger Industrie. Industriebundesländer seien insbesondere Oberösterreich und Salzburg, die Steiermark, Niederösterreich und früher auch Vorarlberg. Da Oberösterreich und Salzburg noch dazu die gute konjunkturelle Entwicklung im benachbarten Deutschland nützen könnten, hätten beide auch relativ niedrige Arbeitslosenquoten.
Wien hingegen sei ein typisches Dienstleistungszentrum mit wenig Industrie. Die vorhandenen Industriebetriebe stießen bei einer Expansion außerdem auf Platzprobleme und müssten ins Umland ausweichen. Wenn die öffentliche Hand den Gürtel enger schnalle und bei öffentlichen Stellen eingespart werde, treffe dies die Bundeshauptstadt ganz besonders. Durch den Zuzug sei auch das Arbeitskräfteangebot in Wien deutlich gestiegen, während in ländlichen Regionen die Zuwanderung in geringerem Ausmaß stattfinde. Viele der Zuwanderer hätten nur geringe oder keine Qualifikationen, am Arbeitsmarkt gebe es aber immer weniger Jobs für Geringqualifizierte.
Gäbe es vollständige Mobilität, müssten sich die regionalen Unterschiede am Arbeitsmarkt ausgleichen. In der Realität sei die Mobilität aber in sehr unterschiedlichem Maße vorhanden: So sei es in ländlichen Regionen eher üblich, größere Strecken zum Job - oft in der Stadt - zu pendeln, das Auspendeln aus einer Stadt hingegen sei eher unüblich.
Eigentlich müssten die Unternehmen das Arbeitskräfteangebot in den schwachen Regionen nutzen und sich dort ansiedeln, um die Löhne niedrig halten zu können. Nach einer anderen Theorie gehen die Unternehmen aber lieber in die starken Regionen, wo es gute Infrastruktur und bereits wirtschaftliche Zentren gebe. Demnach hätten schwächere Regionen weniger Chancen auf Unternehmensansiedlung, erläutert der Ökonom.
Dagegen wolle die Regionalpolitik einen Ausgleich schaffen, Innovationen fördern und den ländlichen Raum stärken. Ein Beispiel dafür sei die Breitbandmilliarde, die die IT-Infrastruktur verbessern will. "Politik kann keine Jobs schaffen, aber sie kann die Rahmenbedingungen für neue Jobs schaffen", meint Hofer. Gerade im Bereich der Regionalpolitik sei hier in Österreich "schon einiges getan".
Das Risiko für Arbeitslosigkeit hänge in Österreich sicher auch vom Wohnort ab, räumt Hofer ein. Durch die Bereitschaft zur Mobilität könne dieses Risiko gesenkt werden. Am wichtigsten sei aber die Qualifikation des Arbeitssuchenden, also dessen Beruf und Bildung, ist der Ökonom überzeugt: "Die Qualifikation ist deutlich bedeutender als der Wohnort".
Laut Hofer ist das Problem weniger eine höhere Arbeitslosigkeit in einer Region, solange der Wechsel zu einem neuen Job schnell gehe. Das größte Problem sieht er darin, dass sich in einem Gebiet Langzeitarbeitslosigkeit verfestige. Dies sei zum Beispiel in Wien der Fall. Wien müsse "wirtschaftlich dynamisiert" werden durch gute Standortbedingungen für Betriebe und Bildungsinitiativen für Geringqualifizierte, um deren Jobchancen und ihre Produktivität zu verbessern, wünscht sich Hofer.
Generell brauche die Wirtschaft in Österreich stabile Rahmenbedingungen und ein Ende der Steuerdiskussion. Die geplante Steuerreform, die eine Reduktion der Abgaben auf Arbeit bringen soll, sei ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr Veränderungsbereitschaft und Mut zum Risiko würde dem Standort ebenfalls helfen, so der IHS-Experte.
(Schluss) gru/pro
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