24.01.2007 14:08:00

Insiderverfahren bei DaimlerChrysler dürfte vor BHG enden

Von Matthias Krust

   Dow Jones Newswires

   STUTTGART (Dow Jones)--Das Musterverfahren von Kapitalanlegern gegen die DaimlerChrysler AG im Zusammenhang mit dem Rücktritt des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp dürfte die Gerichte noch länger beschäftigen. Zwar will das Oberlandesgericht in Stuttgart (OLG) am 15. Februar eine Entscheidung in der Schadenersatzklage des von der Münchner Kanzlei Rotter vertretenen Musterklägers verkünden. Allerdings haben beide Seiten bereits zuvor klar gestellt, dass sie im Falle einer Niederlage auf jeden Fall Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) einlegen werden.

   Auch der Vorsitzende Richter Claudio Stehle hat beim Verhandlungstermin im vergangenen Dezember seine Instanz nur als eine "Durchgangsstation" bezeichnet. Weil es sich bei dem Fall nicht um einen normalen Zivilprozess handelt, sondern um das bundesweit erste Verfahren nach dem so genannten KapMug (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz), ist nach Auskunft einer Gerichts-Sprecherin noch nicht einmal klar, wie das Gericht bei seiner Entscheidung am 15. Februar genau vorgeht.

   Generell soll das OLG anhand einer Einzelklage eine Grundsatzentscheidung treffen, die dann auch für die anderen Klagen wegweisend ist. Dem Landgericht Stuttgart liegen knapp 60 vergleichbare Schadenersatzklagen vor, darunter befinden sich nicht nur Privatanleger, sondern auch Investmentfonds. Der Streitwert kumuliert sich dem OLG zufolge auf über 5 Mio EUR. "Der Senat hat diesen Fall noch nicht beraten und auch keine Beschlüsse gefasst", so die Sprecherin. Es sei aber zu erwarten, dass sich aus der Entscheidung eine Tendenz ablesen lasse.

   In der Sitzung im Dezember hat Stehle offen gelassen, welcher Rechtsaufassung er zuneigt. Zu klären sei, ab wann der Wechsel an der Spitze des Unternehmens so konkret gewesen sei, dass DaimlerChrysler eine Ad-hoc-Nachricht hätte veröffentlichen müssen, sagte Stehle lediglich.

   Die Kläger werfen dem Stuttgarter Automobilhersteller vor, das vorzeitige Ausscheiden des früheren Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp zu spät veröffentlicht zu haben und fordern deshalb Schadenersatz. Diese Vorwürfe weist DaimlerChrysler zurück: Erst mit dem Beschluss des Aufsichtsrats am 28. Juli 2005 sei klar gewesen, dass Schrempp tatsächlich ausscheide und der damalige Chrysler-CEO Dieter Zetsche sein Nachfolger werde.

   Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kommt in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Stuttgart, das Dow Jones Newswires vorliegt, zur der Auffassung, dass bereits am 10. Juli 2005 eine Insiderinformation vorlag. "Für den verständigen Anleger war es ... spätestens am 10.7.2005 ... hinreichend wahrscheinlich, dass Herr Schrempp zum Ende des Jahres zurücktreten würde", schrieb Christian Pawlik, Leiter Insiderinformation der Bafin. An diesem Tag hat DaimlerChrysler den eigenen Angaben zufolge unter anderem an entsprechenden Pressemitteilungen und einem Brief an die Mitarbeiter gearbeitet.

   Der genaue Ablauf der Entscheidungsfindung und Information bestimmter DaimlerChrysler-Mitarbeiter bzw -Aufsichtsräte ist bereits seit der ersten Verhandlung bekannt und von dem Unternehmen als unstrittig bezeichnet worden. Demzfolge diskutierte Schrempp bereits am 17. Mai mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hilmar Kopper über sein vorzeitiges Ausscheiden. Am 1. Juni sind zwei weitere AR-Mitglieder informiert worden. Bereits am 15. Juli ist Zetsche von den Überlegungen in Kenntnis gesetzt worden. Am 18. Juli haben Kopper und Schrempp entschieden, das Thema auf der AR-Sitzung zu behandeln und am 25. Juli sind die Kapitalvertreter im AR informiert worden.

   DaimlerChrysler-Rechtsanwalt Georg Thoma von der Kanzlei Sherman und Sterling argumentiert jedoch, dass der Wunsch nach einem vorzeitigen Ausscheiden von Schrempp nur im Zusammenhang mit dem Finden eines geeigneten Nachfolgers zu sehen ist. Deshalb habe zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Kopper auch keine veröffentlichungspflichtige Information vorgelegen. "Auch die Entscheidung des Aufsichtsrats über die Nachfolge war nicht vorhersehbar", hatte Thoma während der Verhandlung gesagt.

   Falls das OLG ähnlich vorgeht wie bei Zivilprozessen üblich, kann der Senat zunächst grundsätzlich entscheiden, ob DaimlerChrysler in der Angelegenheit einen Fehler gemacht hat und dabei weitere Fragen ausklammern, zum Beispiel ob überhaupt ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist. Möglich ist auch, dass die Richter für eine Beweisaufnahme plädieren und weitere Zeugen hören wollen. Dann müssten wahrscheinlich Schrempp sowie Kopper und weitere hochrangige Manager vor Gericht erscheinen.

   Doch selbst im Falle eines rechtskräftigen BGH-Urteils zuungunsten von DaimlerChrysler dürfte der Fall noch nicht abgeschlossen sein: Das Verfahren wird dann wahrscheinlich an das OLG zurückgehen, das weitere so genannte Freistellungsanträge prüfen muss, die immer noch ergeben können, dass der Automobilhersteller nicht schadenersatzpflichtig ist. Über die Höhe eines möglichen Schadenersatzes befinden dann letztlich die Landgerichte, wo die einzelnen Fälle vorliegen.

   Webseite: http://www.daimlerchrysler.de

   -Von Matthias Krust, Dow Jones Newswires, +49 (0)711 22874 12,

   matthias.krust@dowjones.com

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   January 24, 2007 08:07 ET (13:07 GMT)

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