16.10.2014 13:04:34

MÄRKTE EUROPA/Börsen im freien Fall - Finanzkrise kehrt zurück

   Von Thomas Leppert

   Die europäischen Aktienmärkte kennen kein Halten mehr. Sah es anfangs nach den heftigen Vortagesverluste noch nach einer zaghaften Erholung aus, herrscht am Mittag wieder Landunter. Am stärksten trifft es die Börsen in der Euro-Peripherie. Aber nicht nur bei den Aktien, sondern auch bei den Anleihen ziehen die Anleger die Reißleine. Die Sorge, dass die Konjunkturschwäche in Europa eine erneute Finanzkrise auslösen könnte, greift immer mehr um sich. Alle Hoffnungen liegen nun auf den Schultern von EZB-Chef Mario Draghi. Die jüngsten Inflationsdaten, die die Ängste vor einer Deflation eher noch befeuern, spielen dem Notenbanker in die Karten, weitere liquiditätssteigernde Maßnahmen zu ergreifen.

   Der Dax verliert 2 Prozent auf 8.400 Punkte, der Euro-Stoxx-50 gibt sogar um 2,8 Prozent auf 2.817 Punkte ab. In Spanien geht es für den IBEX um 3,8 Prozent abwärts - zwischenzeitlich waren es schon über 4,5 Prozent. Italien verliert 4,1 Prozent, Lissabon 3,8 Prozent.

   Der jüngste Kurseinbruch habe erneut Züge von "Panik-Charakter", sagt ein Händler. So seien bei dem zehnminütigen Kursrutsch des DAX-Future von 8.500 auf 8.350 Punkte rund 15.000 Dezember-Kontrakte gehandelt worden. "Da wurde nochmal richtig abgeladen", sagt der Händler. Ein anderer Händler berichtet jedoch, noch seien keine "Basket-Verkäufe in Blue-Chips" zu beobachten. "Momentan ist sich kaum jemand sicher, wo die Baisse zum Halten kommt", sagt der Händler. Daher gebe es noch kein Gegenhalten.

   Die Verkäufe verstärkten sich am Vormittag mit der Veröffentlichung der Inflationsdaten für September aus Europa. Die finalen Daten aus der Eurozone bestätigen mit 0,3 Prozent zwar die erste Schätzung für September. Einige Marktteilnehmer blicken aber auch auf die Daten für die gesamte EU. Hier betrug die Teuerung 0,4 Prozent nach noch 0,5 Prozent im August. Beide Inflationsdaten notieren damit auf dem niedrigsten Stand seit fünf Jahren. Die EZB strebt dagegen eine Teuerung knapp unter 2 Prozent an, die Voraussetzung für eine wachsende Wirtschaft ist.

   Mit einer drohenden Deflation sinken nicht nur die Aussichten au eine anziehende Konjunktur, sondern auch auf einen Schuldenabbau durch Inflation in den hoch verschuldeten Euro-Staaten. Vor allem in den Anleihen der Peripherie schlägt sich dies in weiteren Verkäufen nieder. So steigen die Renditen 10-jähriger Anleihen Griechenlands weiter und liegen inzwischen bei über 8,5 Prozent nach noch gut 7 Prozent am Mittwoch.

   Die italienischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren rentieren bei 2,72 Prozent nach 2,40 am Vortag. Die spanischen Pendants springen auf 2,30 Prozent, nach 2,08 Prozent am Vortag. Der sichere Hafen der Bundesanleihen ist dagegen weiterhin von den Investoren gesucht, dort fallen die Renditen auf 0,72 nach 0,77 am Vortag. "Diese kräftigen Bewegungen, wenn auch auf anderen Niveaus, erinnern stark an die Eurokrise vor drei Jahren, so ein Händler.

   "Mit Ebola und globaler Konjunkturabschwächung gab es bereits genügend belastende Themen", sagt ein Händler: "Niemand will da wieder etwas von Griechenland, Italien und einer Rückkehr der europäischen Finanzkrise hören". Die sei ein "extrem belastender, weil zusätzlicher Faktor", der in den bisherigen Risikoberechnungen der Marktteilnehmer nicht mehr vorgenommen worden sei.

   Die Sorge vor einer erneuten Eurokrise zeigt sich zudem in den starken Abschlägen bei den Banken. Der europäische Bankensektor verliert um 3 Prozent. Die griechischen Banken führen dabei die Liste der Verlierer an. Die Kursverluste für Alpha Bank, Eurobank Ergasias, National Bank of Greece und Piräus Bank reichten am Vortag in den Tagestiefs bereits von 13,5 bis zu 23,8 Prozent. "Da dürften die Spekulationen um kurzfristige Refinanzierungsprobleme der Häuser zu einem Ausverkauf geführt haben", sagt ein Händler.

   Laut Kreisen hat die EZB offenbar die Liquiditätsversorgung griechischer Banken erhöht. Wie ein mit der Sachlage vertrauter Mitarbeiter der griechischen Zentralbank berichtet, erhalten die vier genannten, systemisch wichtigen Institute bis zu 12 Milliarden Euro mehr Liquidität für ihre bereits bei der EZB eingereichten Sicherheiten.

   Auch Hugo Swann von Credit Suisse macht "Risiken rund um die Finanzierung" griechischer Geldhäuser aus. Es gehe zum Einen um die Ablösung sehr günstiger EZB-Mittel durch neue Schuldtitel der Banken und zum Anderen darum, dass bestimmte Refinanzierungssicherheiten von der EZB künftig nicht mehr anerkannt werden.

   Unternehmensnachrichten treten in diesem Umfeld in den Hintergrund. Mit Roche, Nestle, Diageo und Carrefour haben vor dem Börsenstart vier Schwergewichte Umsatzzahlen veröffentlicht. Bei Nestle sei der Markt enttäuscht, weil Danone am Mittwoch noch überraschend gute Umsatzzahlen veröffentlicht habe, heißt es. Nestle verlieren 3,4 Prozent.

   Am deutschen Markt verliert die Jenoptik-Aktie 2,4 Prozent. Das Unternehmen hat die Gewinnprognose leicht gesenkt und dies mit einer schwächeren Nachfrage aus der Maschinenbau-, Halbleiter- und Autoindustrie begründet.

   Der Euro konnte sich zunächst auf dem am Vortag erhöhten Niveau halten nach enttäuschenden US-Konjunkturdaten. Inzwischen kommt die Gemeinschaftswährung aber etwas unter Druck und fällt auf 1,2730 von 1,2800 Dollar zurück.

INDEX Stand +-% Euro-Stoxx-50 2.834,38 -2,01% Stoxx-50 2.746,14 -1,81% DAX 8.444,06 -1,49% FTSE 6.104,82 -1,72% CAC 3.860,00 -2,02% EUREX Stand +-Ticks Bund-Future 152,06 +50

DEVISEN zuletzt +/- % Do, 8.28 Uhr Mi, 17.30 Uhr EUR/USD 1,2735 -0,48% 1,2796 1,2763 EUR/JPY 134,63 -0,89% 135,83 135,51 EUR/CHF 1,2059 -0,09% 1,2069 1,2070 USD/JPY 105,73 -0,44% 106,19 106,1 GBP/USD 1,5991 0,24% 1,5953 1,5951

Kontakt zum Autor: thomas.leppert@wsj.com

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   October 16, 2014 06:33 ET (10:33 GMT)

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