19.07.2024 11:42:40
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MARKT-AUSBLICK/DAX konsolidiert - Aus dem Tech-Trade wird der Trump-Trade
Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Der DAX ist in den Konsolidierungsmodus gewechselt. Nach dem Attentat auf Donald Trump, gilt der Herausforderer von Joe Biden nun als klarer Favorit, der nächste Präsident der USA zu werden. Die Börsen warten nicht auf das Wahlergebnis am 5. November, sondern haben bereits damit begonnen, einen Sieg Trumps einzupreisen. Trump steht wirtschaftspolitisch vor allem für niedrigere Steuern und höhere Zölle. Letzteres könnte zum Problem für die deutsche Exportwirtschaft werden. An den Märkten fällt die Sorge vor einem neuen US-Protektionismus mit einer Korrektur des Technologie-Sektors zusammen, der seit Jahresbeginn einer der Haupttreiber für die Aktienmärkte gewesen ist.
Die überraschend niedrigen US-Inflationszahlen und die steigende Wahrscheinlichkeit für einen Wahlsieg Trumps haben einen Favoritenwechsel an den US-Aktienmärkten ausgelöst. Wie die Commerzbank anmerkt, haben in den USA bei den großen Nasdaq-Unternehmen Gewinnmitnahmen eingesetzt, während vor allem Small Cap-Aktien Boden gut gemacht haben. Der deutsche Aktienmarkt habe hiervon jedoch kaum profitiert, da viele Investoren im DAX einen Verlierer der von Trump geforderten höheren US-Importzölle sehen. "Aus dem Tech-Trade, der so profitabel über das ganze Jahr hinweg war, wird nun der Trump-Trade", fasst CMC die Lage zusammen.
Zölle auf chinesische Einfuhren sollen auf 60 Prozent steigen
Um die Renaissance der Industrie und die strategische Unabhängigkeit von China zu fördern, plant Trump Zollerhöhungen. Denn nur so ließen sich die ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile der Konkurrenz ausgleichen. Trump hat daher einen allgemeinen Zollsatz von 10 Prozent ins Spiel gebracht sowie einen auf 60 Prozent erhöhten Zoll auf die Einfuhren aus China. "Selbst in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre, einer sehr protektionistischen Periode, waren rund 60 Prozent der Einfuhren zollfrei. Ein Zollsatz von 60 Prozent auf chinesische Waren und ein allgemeiner Zollsatz von 10 Prozent auf alle übrigen Einfuhren wäre in jüngerer Vergangenheit jedenfalls beispiellos", warnt die Commerzbank.
Deutschland bietet sich als Zielscheibe für Trump regelrecht an. Nach Einschätzung der Deutschen Bank dürfte der deutsche Leistungsbilanzüberschuss diesen Sommer wieder auf das Vor-Covid-Niveau von 8 Prozent des BIP steigen. Bedenklich hierbei sei, dass 40 Prozent des Überschusses auf den Handel mit den USA zurückzuführen seien. Das liege zwar unter dem Hoch von 70 Prozent Ende 2022, aber deutlich über dem Durchschnittswert von 25 Prozent vor der Pandemie. Die Analysten glauben, dass sich die Überschuss-Verschiebung weg aus Asien und hin in die USA als langfristig erweisen wird infolge einer strukturellen Wachstumsdivergenz: Der neue Überschuss in den USA stelle mithin ein Spiegelbild eines China-Defizits dar. Dies könnte schnell zum Politikum werden.
Berichtssaison hat mit Gewinnwarnungen begonnen
Kurzfristig Ungemach droht den Börsen auch aus anderer Richtung, nämlich der langsam beginnenden Berichtssaison. Diese hat "recht enttäuschend" begonnen. "Insbesondere im stark von China abhängigen Luxusgüter-Sektor gab es bereits einige Gewinnwarnungen. Auch bei den Quartalsupdates im Rohstoffsektor überwogen die Moll-Töne", so die Commerzbank. Ein Großteil der Unternehmen in Deutschland und Europa habe den Analysten und Investoren bislang in Aussicht gestellt, dass nach einem durchwachsenen ersten Halbjahr die Nachfrage im zweiten Halbjahr wieder stärker anziehen sollte. Nun beginnen jedoch die ersten Unternehmen, diesen Optimismus für das zweite Halbjahr zu dämpfen.
In dem Umfeld dürften die in der kommenden Woche anstehenden Wirtschaftsdaten nur eine untergeordnete Rolle spielen. Aus deutscher Sicht steht die Bekanntgabe des Ifo-Geschäftsklimaindex im Fokus. Der Rückgang des Ifo und anderer Stimmungsindikatoren im vergangenen Monat haben laut der Commerzbank ein Fragezeichen hinter die für das zweite Halbjahr allgemein erwartete Erholung der Wirtschaft in Deutschland und im Euroraum gesetzt. "Ein weiterer Rückgang würde diese Hoffnungen weiter dämpfen." Die US-Wirtschaft dürfte hingegen auch im zweiten Quartal solide gewachsen sein - im Konsens wird ein Plus von 1,7 Prozent erwartet.
Technische Lage im DAX eingetrübt
Technisch hat sich die Lage im DAX klar eingetrübt. "Der DAX hat gestern den vierten Handelstag in Serie im Minus beendet. Damit ist die aktuelle Negativserie schon jetzt die längste seit Dezember des vergangenen Jahres", merkt QC Partners an. Sollte der DAX auch zum Wochenschluss nachgeben, würde er jeden einzelnen Handelstag dieser Woche im Minus beenden. Das habe es zuletzt im Juni vergangenen Jahres gegeben. Nach dem Unterschreiten der 50-Tage-Linie rücke jetzt die 100-Tage-Linie, die aktuell bei 18.249 Punkten verlaufe, verstärkt ins Blickfeld der Anleger. Zur besonders stark beachteten 200-Tage-Linie sei weiterhin jede Menge Luft. Diese steht aktuell bei 17.231 Punkten.
"Diese Woche hat einen Vorgeschmack auf die Sensitivität der Aktienmärkte hinsichtlich der US-Politik im Vorfeld der Präsidentschaftswahl im November gegeben - für die nächsten Monate rechnen wir mit spürbar mehr Kursschwankungen als im ersten Halbjahr", sagt Merck Finck-Chefstratege Robert Greil. Eine höhere Volatilität würde für die Anleger allerdings auch Chancen eröffnen. Ein Anstieg des VDAX-New auf über 25 hat sich in der Vergangenheit immer wieder als gute Gelegenheit erwiesen, um bestehende Positionen auszubauen. Derzeit notiert das Volatilitätsbarometer bei etwa 15. Mut hat sich an den Börsen in der Vergangenheit immer wieder ausgezahlt.
Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com
DJG/mpt/ros
(END) Dow Jones Newswires
July 19, 2024 05:43 ET (09:43 GMT)

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