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03.08.2023 16:15:00
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Merck-Aktie gewinnt dennoch: Merck KGaA wird fürs Gesamtjahr pessimistischer
Im laufenden Jahr dürfte der Umsatz laut der neuen Prognose von 22,2 Milliarden im Vorjahr auf 20,5 bis 21,9 Milliarden Euro sinken, wie Merck mitteilte. Zuvor standen noch 21,2 bis 22,7 Milliarden im Plan. Für das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) stellt Merck einen Rückgang auf 5,8 bis 6,4 Milliarden Euro in Aussicht im Vergleich zu 6,85 Milliarden ein Jahr zuvor. Bisher wurden 6,1 bis 6,7 Milliarden Euro avisiert. Die stärkeren negativen Effekte durch die Wechselkurse sollen dabei sowohl auf Umsatz als auch auf das Ergebnis durchschlagen.
Die Schwäche in der Laborsparte und im Halbleitergeschäft beschäftigt Merck schon seit Monaten. Im vergangenen Quartal verstärkte sich der Druck noch weiter, wie Garijo vor Journalisten berichtete. Auch einige Branchenfachleute hatten ihre eigenen Annahmen unlängst gekürzt. Durch die Senkung der Konzernprognose liegen die durchschnittlichen Analystenerwartungen jetzt in den oberen Hälften der neuen Spannen.
Mit Kursgewinnen von zuletzt knapp drei Prozent gehörte die Aktie um die Mittagszeit zu den größten Gewinnern im Dax. Damit baute die Aktie die jüngste Erholung vom Anfang Juli erreichen Zwei-Jahres-Tief auf rund zwölf Prozent aus. Mit einem Minus von zehn Prozent seit Ende 2022 zählt das Papier dennoch zu den größten Dax-Verlierern im bisherigen Jahresverlauf.
Am Donnerstag überstrahlten die Quartalszahlen die Prognosesenkung. Diese war laut James Quigley von der US-Investmentbank Morgan Stanley nach der Gewinnwarnung des Pharmazulieferers Sartorius bereits "weitgehend erwartet" worden. Das zweite Jahresviertel bei Merck sei derweil solide ausgefallen, urteilte der Branchenexperte.
Im vergangenen Quartal sank der Umsatz der Darmstädter um knapp fünf Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. Hatte Merck zu Jahresbeginn noch von der Umrechnung in Euro profitiert, belasteten nun vor allem der US-Dollar und der chinesische Renminbi.
Das Umfeld bleibt laut Garijo herausfordernd angesichts anhaltender politischer Spannungen, Inflation und steigender Zinsen sowie schwacher Verbraucherstimmung und teils weiter gestörter Lieferketten. Der Konzern schaue daher verstärkt auf die Kosten, halte aber "die Balance" und investiere zugleich in weiteres Wachstum. Neue Zahlen gab es dazu nicht. Bekannt ist unter anderem der Abbau von 200 Stellen am Hauptstandort Darmstadt Stellen, dort stockt Merck zugleich die Forschungs- und Produktionskapazitäten weiter auf.
Die Laborsparte musste unterdessen einen Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr um gut elf Prozent verkraften. Weil der Anteil verkaufter lukrativer Produkte zurückging, brach das operative Ergebnis besonders deutlich um gut ein Viertel ein. Nach der regen Nachfrage von Impfstoffforschern und -herstellern in der Corona-Pandemie ebbte das Interesse deutlich ab.
Garijo setzt ihre Hoffnung für die Sparte jetzt auf eine bessere Nachfrage von pandemieunabhängigen Kunden. Allerdings bauen viele Abnehmer momentan ihre zuvor kräftig aufgestockten Lager ab und bestellen weniger, darunter leiden die Südhessen ähnlich wie Konkurrenten. Die Managerin betonte, dies sei ein vorübergehender Effekt.
Hohe Einbußen verzeichnete auch Mercks Elektronik-Geschäft, das überwiegend auf die Halbleiterindustrie ausgerichtet ist. Deren Erholung dürfte sich bis in das nächste Jahr verzögern, sagte Garijo in der Journalistenkonferenz. Bislang hatte der Konzern mit einer Erholung zumindest auf niedrigem Niveau in den kommenden Monaten gerechnet.
Die Chipindustrie leidet aktuell vor allem an einer rückläufigen Nachfrage im Konsumentengeschäft etwa mit Smartphones und Computern, da Inflation und höhere Zinsen das verfügbare Einkommen der Verbraucher schrumpfen lassen. Daneben ging es bei Merck auch im Geschäft mit Flüssigkristallen etwa für Displays und Smartphones weiter abwärts, Gründe sind der anhaltende Preisdruck und asiatische Konkurrenz.
Einzig das Pharmageschäft der Darmstädter florierte mit den unverändert größten Wachstumstreibern Mavenclad (Multiple Sklerose) und Bavencio (Krebs). Aber auch mit älteren Arzneien konnte Merck zulegen. Zudem spielten anhaltende Lieferschwierigkeiten eines Wettbewerbers dem Unternehmen im Geschäft mit Fruchtbarkeitsprodukten in die Hände.
Die Pharma-Stärke reichte jedoch nicht zum Ausgleich der Schwäche in den beiden anderen Standbeinen: Konzernweit ging so das bereinigte operative Ergebnis in den drei Berichtsmonaten im Vergleich zum Vorjahr um knapp 13 Prozent auf 1,55 Milliarden Euro zurück. Unter dem Strich entfielen auf die Anteilseigner 704 Millionen, nach 867 Millionen Euro vor einem Jahr.
Chefin Garijo hat sich bisher stets zuversichtlich mit Blick auf die Mittelfristziele gegeben. Merck könne die aktuellen Herausforderungen dank der breiten Aufstellung durch sein "diversifiziertes Geschäftsmodell" und der Orientierung an "Megatrends" meistern, betonte sie auch am Donnerstag.
Die aktuelle Schwäche beeinflusst indes das Übernahmegeschäft der Darmstädter. "Wir beobachten die Lage genau und auch die Entwicklungen der Bewertungen am Markt", sagte Garijo. "Es wird aber wohl noch etwas dauern, bis wir das richtige Ziel, zum richtigen Preis und zur richtigen Zeit finden." Merck stünde nicht unter Zeitdruck. Früheren Angaben zufolge hat der Konzern eine Kapazität von bis zu 20 Milliarden Euro für Zukäufe im Köcher.
Diese will Garijo vorrangig für Ergänzungen im Laborgeschäft und Einlizensierungen von Medikamenten ausgeben, auch neue Technologien im Halbleitergeschäft seien denkbar. Die Merck-Chefin hatte zuletzt auch eine größere Übernahme grundsätzlich nicht ausgeschlossen, wenn auch nicht bevorzugt. Der letzte Zukauf in größerem Stil war der des US-Halbleiterzulieferers Versum Materials im Jahr 2019 für rund 5,8 Milliarden Euro.
Aktien dennoch höher
Der gesenkte Ausblick hat die in diesem Jahr bereits arg gebeutelten Anleger von Merck KGaA nur kurz verunsichert. Die Aktien des Spezialchemie- und Pharmakonzerns waren zu Handelsbeginn am Donnerstag zunächst um mehr als ein Prozent gefallen, drehten dann aber rasch ins Plus. Die Anleger hätten sich schnell auf die positiven Aspekte der mit den neuen Jahreszielen präsentierten Zahlen zum zweiten Quartal konzentriert, sagten Börsianer. Die Merck-Papiere stiegen zuletzt im XETRA-Handel 3,27 Prozent auf 164,25 Euro. Damit zählten sie zu den besten Werten im deutschen Leitindex DAX.
Merck kämpft nach dem Corona-Boom noch immer mit dem Nachfragerückgang in der Laborsparte. Zudem schwächelt unverändert das Halbleitergeschäft. Dadurch mussten die Darmstädter trotz Zuwächsen im Arzneiverkauf im zweiten Quartal Umsatz- und Ergebniseinbußen verkraften.
Das Management senkte seine Jahresziele, denn auch der Gegenwind durch die Wechselkurse nimmt zu. Dies jedoch kam für Analysten kaum überraschend. So schrieb der Experte James Quigley von der US-Bank Morgan Stanley, dass die Prognosesenkung "weitgehend erwartet" worden sei, nachdem andere Unternehmen wie Sartorius bereits ihre Ausblicke gekappt hätten.
Die Quartalszahlen von Merck bezeichnete Quigley als solide. Der Branchenexperte Brian Balchin vom Analysehaus Jefferies ergänzte, dank der Pharmasparte hätte Merck die Erwartungen mit Blick auf das operative Ergebnis übertroffen.
Trotz des Kurssprungs an diesem Donnerstag haben die Aktien von Merck seit Jahresbeginn fast zehn Prozent eingebüßt und damit so viel wie kaum ein anderer DAX-Wert.
Aus charttechnischer Sicht haben sich die Merck-Papiere aktuell zumindest von der 50-Tage-Durchschnittslinie nach oben abgesetzt, die den mittelfristigen Trend beschreibt. Der nächste Widerstand ist jetzt der langfristige 200-Tage-Schnitt bei rund 171 Euro.
DARMSTADT (dpa-AFX)
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