18.09.2014 20:57:58
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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Streit um das Asylrecht
Regensburg (ots) - Heute kommt es im Bundesrat zu politischen
Showdown, sozusagen zum finalen Schlagabtausch in Sachen Asylrecht.
Der Streit geht vordergründig vor allem darum, ob Balkan-Staaten wie
Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro künftig als sichere
Herkunftsländer gelten sollen. Die Bundesregierung sowie eine
Mehrheit des Bundestages betrachtet diese Staaten als sicher. Und
deswegen sollen Asylbewerber vom Balkan, die rund ein Fünftel der
Anträge in Deutschland ausmachen, auch wieder dorthin zurückgeschickt
werden. Die Anerkennungsquote liege "bei nahe null", sagt Bayerns
neuer Bundesratsminister Marcel Huber. Die Grünen, die in immerhin
sechs Bundesländern mitregieren, sehen dies freilich anders.
Angehörige der Roma etwa sind in diesen Balkanstaaten nicht
wohlgelitten, sie werden teilweise brutal verfolgt und vom
gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Davor dürfe Deutschland nun
nicht die Augen verschließen. Eine pauschale Ablehnung von Anträgen
aus diesen Staaten und die "Rückführung" dorthin bedeute für
Betroffene die Rückkehr ins Grauen, meinen die Grünen. Bis in die
späten Abendstunden wurde gestern nach einem Kompromiss für das
vertrackte und politisch höchst brisante Problem gesucht. Doch beim
Asylproblem geht es nicht nur um drei mehr oder weniger sichere
Herkunftsländer, nicht nur um Roma, sondern um die Frage, wie sich
das prosperierende Deutschland Flüchtlingen gegenüber künftig
verhalten will. Einfach abschotten, "das Boot ist voll"? Oder kommt
es endlich zu einer der Zeit und den Anforderungen gemäßen Anpassung
des Asylrechts? Die Welt ist aus den Fugen geraten, meint
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und denkt sicher nicht
nur an die blutigen Konflikte von Irak, Syrien, Gaza bis Ostukraine.
Das deutsche Asylrecht, Asylpolitik und die Strukturen vor Ort sind
diesen Herausforderungen nicht gewachsen. Und auch nun wird kleinlich
nur an einigen Symptomen herumgedoktert. Es gilt einen praktikablen
Weg zu finden, der weder mit dem rechtspopulistischen "Das Boot ist
voll" noch mit dem blauäugigen "Lasset alle Beladenen zu uns kommen"
zu tun hat. Wichtig ist, dass jene Menschen bei uns Hilfe bekommen,
die sie wirklich brauchen, weil sie in ihren Heimatländern um Leib
und Leben fürchten müssen, weil sie etwa wegen ihrer Religion, ihrer
ethnischen Zugehörigkeit verfolgt werden. Das Roma-Problem auf dem
Balkan muss dort gelöst werden, notfalls mit Druck der
Bundesregierung. Aber was ist mit Flüchtlingen aus den vielen anderen
Ländern? Selbstverständlich kann auch Deutschland nicht alle Probleme
dieser Welt lösen. Aber ein angemessenes Schärflein an humanitärer
Hilfe kann es schon leisten. Tut es auch! Ärgerlich an der ganzen
Sache ist, dass beim jetzigen politischen Streit sowohl die
betroffenen Flüchtlinge als auch einheimische Bürger und Kommunen
unter die Räder zu kommen drohen. Die vergangenen Monate wurden
leider nicht dazu genutzt, einen tragbaren Kompromiss zu finden.
Dabei ist es höchste Zeit für ein Asyl-Sofortprogramm, dass den
Kommunen schnell finanziell unter die Arme greift. Zu fragen ist
auch, ob Asylbewerber in Deutschland wirklich zwangsweise in Heime
mit Residenzpflicht gesteckt werden müssen und nicht arbeiten dürfen.
Noch dazu werden die Nachbarn von Flüchtlingseinrichtungen oft genug
vor vollendete Tatsachen gestellt. Ihre Fragen, ihr Frust gegen
solche Entscheidungen "von oben" sind verständlich. Hass und Gewalt
gegen Ausländer dagegen nicht. Artikel 1 unseres Grundgesetzes gilt
sowohl für Deutsche, als auch für kosovarische Roma, syrische oder
afghanische Flüchtlinge.
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