26.11.2019 20:30:41

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Börsen-Zeitung: EZB erzwingt Fortschritt, Kommentar zum

Zahlungsverkehr von Björn Godenrath

Frankfurt (ots) - Europas Banken neigen zur Kleinstaaterei, in der Regel endet

das Revier an der Landesgrenze. Nirgendwo werden die Kollateralschäden dieses

ambitionslosen Vor-sich-hin-Wirtschaftens so deutlich wie im Zahlungsverkehr,

dem es an grenzüberschreitenden Komponenten mangelt - und das 20 Jahre nach

Einführung der Gemeinschaftswährung, deren Bestand Mario Draghi unter

Inkaufnahme erheblicher Folgeschäden für die künftige Finanzstabilität so tapfer

verteidigt hat.

Und da die freundlichen Appelle der Notenbank bislang verhallen und sich zudem

das Volumen des elektronischen Zahlungsverkehrs auf ausländische Big Techs

verlagert, schlägt EZB-Direktor Benoît Coeuré nun einen schärferen Ton an: Die

EU-Kommission könnte ein Gesetz einbringen, das Service Provider zum Einsatz von

Instant Payment (IP) verpflichtet, wenn die kritische Masse nicht bis Ende 2020

erreicht ist. Das Problem: Zwar hat die EZB bereits die Backend-Infrastruktur

für Zahlungen in Echtzeit geschaffen. Es gibt aber noch nicht ausreichend

Anbindung ans Frontend, die Händler also. Das ist Aufgabe der Privatwirtschaft,

die von Coeuré nun, salopp gesagt, einen Tritt in den Hintern erhalten hat.

Die Banken wiederum zaudern bei der Instant-Payment-Adoption, da diese andere

Sepa-Dienste kannibalisiert, in die bereits Investitionen geflossen sind. Aber

diese Kröte müssen die Banken schlucken, wenn sie im Zahlungsverkehr noch eine

Rolle spielen wollen. Die Chance ist riesig, bietet die EZB mit dem Sepa-Backend

doch - zum Selbstkostenpreis - die Grundlage, um Mastercard und Visa zu

verdrängen, über deren Systeme zwei Drittel aller kartenbasierten Zahlungen

laufen. Dieses Scheunentor steht offen, weil es in diesem Europa zehn nationale

Systeme gibt, die keine Karten aus anderen Ländern akzeptieren.

Tja, und dann sind da noch Mobile-Payment-Dienste wie Google Pay und Apple Pay,

die in sich grenzüberschreitend angelegt sind und zudem vertikale Märkte

attackieren, also spezielle Dienste wie Ticketkauf in der Bahn anbieten. Aber

mit wachsender Marktmacht von Big Tech im Zahlungsverkehr werde der Währungsraum

anfälliger für Störungen von außen, warnt Coeuré. Die Botschaft: Die Kontrolle

über den Zahlungsverkehr ist eine Frage der nationalen und paneuropäischen

Souveränität.

Immerhin haben sich auf Anregung auch der Bundesbank 20 Institute

zusammengerauft und schaffen gemeinsame Strukturen, um Visa und Mastercard

Paroli zu bieten. Die Notenbanken erwecken den Eindruck, als seien sie bereit,

den Fortschritt notfalls zu erzwingen.

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