14.11.2014 20:50:47

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Börsen-Zeitung: Tiefschlag für den Ölpreis, Marktkommentar von Dieter

Kuckelkorn

Frankfurt (ots) - Die Talfahrt des Ölpreises scheint kein Ende

nehmen zu wollen. Nur einen Tag nachdem die als globale Benchmark

dienende Nordseesorte Brent Crude erstmals seit vier Jahren unter die

Marke von 80 Dollar je Barrel (159 Liter) rutschte, befand sie sich

am Freitag zeitweise schon unter 77 Dollar das Fass. Das Tagestief

wurde bei 76,76 Dollar festgestellt. Gegenüber dem Jahreshoch vom

Juni von mehr als 115 Dollar hat sich Brent damit schon um 34%

verbilligt. Eine Bodenbildung ist derzeit noch nicht erkennbar.

Grund für die Verluste am Freitag war der jüngste Ölmarktbericht

der Internationalen Energieagentur IEA. Aus Finanzinvestorensicht ist

der Bericht ein weiterer Tiefschlag, nachdem bereits am Mittwochabend

Hinweise des saudi-arabischen Ölministers Schockwellen ausgelöst

hatten. Bemerkenswert ist am Ölmarktbericht der Agentur, die die

Industrieländer in Fragen der Energiepolitik berät, dass sie sich

diesmal ungewöhnlich konkret zur weiteren Entwicklung des Ölpreises

äußert. Was sie schreibt, ist für Anleger wenig erfreulich. Die IEA

erwartet nämlich, dass der Abwärtsdruck auf den Ölpreis anhalten

wird. Die Vorhersage von Angebot und Nachfrage weise darauf hin, dass

sich der Preisdruck in der ersten Jahreshälfte 2015 sogar noch weiter

aufbauen werde. Dabei hilft es laut IEA auch wenig, dass von der

Konjunkturseite her der Tiefpunkt 2014 erreicht sein könnte und dass

für das Gesamtjahr 2015 mit einer Zunahme des Ölverbrauchs im

Vorjahresvergleich zu rechnen sei. Im Frühjahr kommt nämlich die

saisonale Komponente hinzu. Nach der Heizperiode auf der

Nordhalbkugel wird die weltweite Nachfrage deutlich zurückgehen, was

im Preis unweigerlich Spuren hinterlassen wird.

Ernste Lage

Was die Nachfrageseite betrifft, so könnte die Lage noch ernster

sein als bislang gedacht. Die meisten Ökonomen waren nämlich 2013/14

für die Konjunkturentwicklung in Europa und Asien zu optimistisch,

und die IEA hatte sich auf den Erwartungen des Internationalen

Währungsfonds (IWF) aufbauend bei der Vorhersage des Ölverbrauchs

deutlich nach oben verschätzt. Darin scheint ein Systemfehler zu

stecken: Für Europa werden die langfristigen Auswirkungen der Politik

der Haushaltssanierung, die viele Staaten zur Verarbeitung der Folgen

der Finanzkrise durchführen müssen, auf Konsum und Konjunktur nach

wie vor unterschätzt. Und was die konjunkturelle Abbremsung in China

angeht, waren die Schätzungen ebenfalls zu zuversichtlich. Insofern

bestehen Risiken wohl eher in der Richtung, dass die wirkliche Lage

auch weiter schwieriger ist als vorausgesagt.

So ist es durchaus denkbar, dass die IEA ihre aktuelle Erwartung

eines Anstiegs der Nachfrage im kommenden Jahr um 1,1 Mill. Barrel

pro Tag (bpd) auf 93,6 Mill. bpd erneut nach unten korrigieren muss.

Möglicherweise ist die Sichtweise des Förderkartells Organisation

Erdöl exportierender Länder (Opec) realistischer. Die Opec rechnet

damit, dass die Nachfrage nach ihrem Öl 2015 um rund 1 Mill. bpd auf

29,2 Mill. bpd fallen wird.

Was die Angebotsseite betrifft, so hat es aus Sicht der

Finanzinvestoren weitere schlechte Nachrichten gegeben. Nach Angaben

der amerikanischen Energy Information Administration (EIA) sind in

der vergangenen Woche in den USA erstmals seit den siebziger Jahren

wieder mehr als 9 Mill. bpd produziert worden. Dies wirft ein grelles

Schlaglicht auf die von weltweiter Überproduktion gekennzeichnete

Lage.

Es ist übrigens nicht zu erwarten, dass die von Saudi-Arabien

verfolgte Strategie, durch den Preisrutsch die neuen

nordamerikanischen Wettbewerber, die zu höheren Kosten aus

unkonventionellen Quellen fördern, aus dem Markt zu drängen, von

raschem Erfolg gekrönt sein wird. Die IEA hat ihre Prognose für die

US-Produktion im kommenden Jahr mit Blick auf die Preisentwicklung

bislang nur um rund 100000 bpd zurückgenommen. Sie geht für 2015 von

einer täglichen Produktion in den USA von 9,42 Mill. Barrel aus. Das

wären immer noch rund 850000 bpd mehr als 2014. Wenn die saudische

Strategie Wirkung zeigt, dann wird sich der Erfolg eher mittelfristig

einstellen.

Zurückhaltung der Opec

Fundamental sieht es derzeit also stark danach aus, dass sich der

Preisdruck noch eine ganze Weile fortsetzt. Auf welchem Niveau die

Bodenbildung stattfindet, ist derzeit schwer abzuschätzen - auch wenn

klar ist, dass die Opec einen Fall ins Bodenlose nicht zulassen wird.

Dass sie schon in Kürze eingreift, gilt als eher unwahrscheinlich.

Auf ihrem Ölministertreffen am 27.November wird vermutlich noch

nichts Wesentliches geschehen.

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