26.05.2022 18:16:38

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Charaktertest, Kommentar zum Umgang mit China von Lutz Knappmann

Frankfurt (ots) - Die deutsche Wirtschaft könnte es sich einfach machen: Kaum

ein Dutzend Unternehmen sind in der chinesischen Provinz Xinjiang aktiv, in der

das Regime aus Peking massive Menschenrechtsverletzungen begeht. Die Drohung mit

einem Rückzug deutscher Firmen aus der Region wird die chinesischen Machthaber

also kaum beeindrucken. Und damit zurück zur Tagesordnung.

So wie seit vielen Jahren. Die Bilder, Daten und Augenzeugenberichte, die in den

vergangenen Tagen unter dem Titel "Xinjiang Police Files" öffentlich geworden

sind, liefern eindeutige Belege für etwas, das seit Langem klar ist: Die

muslimische Volksgruppe der Uiguren wird vom chinesischen Regime systematisch,

rücksichtslos und brutal unterdrückt. Hunderttausende Menschen werden in

Gefängnisse und Folteranstalten gesperrt - zynisch verharmlost als

"Umerziehungslager". Als hätte der Versuch Pekings, eine ganze Volksgruppe zu

unterjochen, irgendetwas mit Erziehung oder Bildung zu tun. Es sind

erschütternde und aufrüttelnde Bilder, die nun öffentlich werden. Aber eine

Überraschung sind sie nicht.

Was die jüngsten Enthüllungen auch für deutsche Unternehmen so wichtig und so

wirkmächtig macht, ist, dass sie auf ein verändertes Diskussionsklima stoßen.

Wegschauen ist keine Option mehr. Spätestens der russische Angriff auf die

Ukraine hat die wirtschaftliche Abhängigkeit der westlichen Industrieländer von

autokratischen Regimes und Diktaturen schonungslos offengelegt. Und immer

weniger Menschen sind bereit, diese dunklen Seiten ihres Wohlstands hinzunehmen.

Selbstverständlich hat der Aufbau von Handelsbeziehungen und Lieferketten, die

Menschenrechte und bessere Arbeitsbedingungen belohnen, einen Preis. Weshalb das

Wehklagen über das deutsche Lieferkettengesetz so lautstark ausfällt. Zudem ist

das Risiko für deutsche Unternehmen im Umgang mit China so groß wie mit keinem

anderen Land.

Einen Rückzug aus Xinjiang hält daher etwa Volkswagen-Chef Herbert Diess für

falsch. "Nationen und große Blöcke, die zum Selbstversorger werden, sind für

mich ein großes Risiko einer sich abschottenden Welt", sagte er. Doch Diess'

Versuch, die Menschenrechtsfrage zu einem Indiz für eine grassierende

Deglobalisierung zu überhöhen und damit unternehmerische Verantwortung an die

Politik zu delegieren, wird der Sache nicht gerecht. In der Haltung zu Chinas

Vorgehen in Xinjiang liegt ein Charaktertest für hiesige Unternehmen: Wie hältst

Du's mit den Menschenrechten, wenn die Verstöße nicht direkt vor der eigenen

Haustür stattfinden?

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