08.12.2022 19:00:43

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Ruhe vor dem Sturm / Kommentar zur Entwicklung des Ölmarkts von Dieter

Kuckelkorn.

Frankfurt (ots) - Der traditionell für geopolitische Krisen anfällige Ölpreis

hat in dieser Woche den niedrigsten Stand im laufenden Jahr erreicht. Angesichts

der vielen weltweiten Verwerfungen und Auseinandersetzungen, die sich

größtenteils auf den neuen Kalten Krieg zwischen den USA und ihren Verbündeten

einerseits und Russland und China andererseits zurückführen lassen, ist dies

verwunderlich.

Hauptgrund für die Baisse am Ölmarkt ist die in weiten Teilen der Welt schwache

Konjunkturentwicklung. In China ist diese das Ergebnis der bisherigen Politik

einer fast kompromisslosen Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. In Europa und

teilweise auch in den USA lässt sich die Konjunkturschwäche auf die enorme

Verteuerung von Energieträgern wie Erdgas und Strom zurückführen, die wiederum

vor allem ein Ergebnis von eklatanten energiepolitischen Fehlentscheidungen ist.

Dass die Nachfragesituation bei Rohöl aktuell nicht gut aussieht, wird auch

daran deutlich, dass sich Saudi-Arabien zu weiteren Preisnachlässen für

asiatische Kunden veranlasst sieht.

Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass der Ölpreis auf diesem niedrigen

Niveau bleiben wird. Wenngleich die Konjunktur in Europa schwach bleiben wird,

dürfte sie sich in den USA aufgrund des sich abzeichnenden Endes der

Zinserhöhungen und in China aufgrund des Kurswechsels in der Bekämpfung der

Pandemie bald wieder erholen. Dies sollte für einen gewissen Anstieg des

Ölpreises sorgen.

Vor allem aber zeichnet sich mit Blick auf die aktuellen geopolitischen

Konflikte eine ausgeprägte Kehrtwende des Ölpreises ab. Die Preisobergrenze der

G7-Staaten und der Europäischen Union für russisches Öl ist zwar bereits

offiziell in Kraft getreten. Aufgrund einer längeren Karenzzeit wird sie jedoch

erst in einigen­ Wochen ihre volle Wirkung entfalten. Dann werden zudem

russische Gegensanktionen, über die in Moskau derzeit nachgedacht wird, die Lage

verschärfen, und ab Februar zündet die nächste Stufe der westlichen Sanktionen

in Gestalt eines fast vollständigen Boykotts russischen Öls durch die EU. Es

wird also unweigerlich ein knapperes Angebot auf eine größere Nachfrage treffen.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich die aktuellen geopolitischen

Konflikte zu neuen akuten Krisen auswachsen. In der Ukraine wird eine wesentlich

stärkere Involvierung von Nato und EU unvermeidlich sein, wenn der Westen einen

Zusammenbruch von ukrainischer Armee und Regierung verhindern will. Damit dürfte

sich der Krieg ausweiten. Der Besuch des chinesischen Präsidenten in Riad macht

die Abkehr der Erdöl-Supermacht Saudi-Arabien vom Westen unübersehbar, was

weitreichende Reaktionen der US-Regierung nach sich ziehen wird. Jederzeit

explodieren kann auch der Konflikt des zunehmend auf China und Russland

setzenden Iran mit Israel und den USA.

Hinzu kommen weitreichende strukturelle Veränderungen am Ölmarkt, beispielsweise

die Aufgabe des Petrodollar als Hauptzahlungsmittel für Erdöl oder die

Ausbildung langfristiger Vertragsbeziehungen nach dem Vorbild des Erdgasmarktes

- Entwicklungen, die sich aufgrund der instabilen weltpolitischen Lage stark

beschleunigen können. In ein paar Monaten könnte sich somit herausstellen, dass

die aktuelle Baisse am Ölmarkt nur die Ruhe vor dem Sturm war.

(Börsen-Zeitung, 09.12.2022)

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