14.07.2016 21:32:40

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Landeszeitung Lüneburg: Es läuft auf den Steuerzahler

hinaus-Bankenexperte Prof. Dr. Burghof über die italienische

Bankenkrise und Mario Draghis Rolle dabei

Lüneburg (ots) - Die Banken in Italien stecken in einer schweren

Krise. Faule Kredite in Milliardenhöhe und eine lahmende Wirtschaft

bilden einen Teufelskreis, den die italienische Regierung mit einem

Rettungspaket für die Banken durchbrechen will. Allerdings würde dies

die Regeln verletzen, die mit der Bildung der Bankenunion als

Reaktion auf die schwere Finanzkrise 2008 aufgestellt wurden. Viele

führende EU-Politiker lehnen daher Staatshilfen für Banken strikt ab

- noch. "Ich fürchte, am Ende wird man Italiens Bankensystem eben

doch mit Steuergeld retten wollen", sagt der Bankenexperte Prof. Dr.

Hans-Peter Burghof im Gespräch mit unserer Zeitung.

Ganz Europa fürchtet die Folgen des Brexit. Gleichzeitig zieht

eine neue Bankenkrise herauf. Muss sich Europa davor mehr fürchten?

Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Das eine ist das größere politische,

das andere das größere ökonomische Problem. In der Kombination ist

das eine große Herausforderung für Europa, die wir erst einmal

meistern müssen.

In den Bilanzen von Italiens Banken türmen sich faule Kredite in

Höhe von rund 360 Milliarden Euro - das entspricht einem Drittel der

gesamten faulen Darlehen in der Eurozone. Wie konnte es so weit

kommen?

Burghof: In Italien wurde immer alles auf die lange Bank

geschoben. Wir haben über die Jahre verschleppte Reformen. Und die

Banken haben nach der Finanzkrise eher dem Staat als den Unternehmen

Kredit gegeben. Das hat die Unternehmen weiter geschwächt. Heute

schlägt sich dies massiv in den Bilanzen der Unternehmen nieder.

Gegenwärtig haben wir daher eine deutliche Verschlechterung der

wirtschaftlichen Situation in Italien, und das trifft auch wieder die

Banken. Es ist ein Teufelskreis.

Der Abbau fauler Kredite kann nur gelingen, wenn die Bank diese

mit deutlichen Verlusten verkauft und hohe Abschreibungen vornimmt.

Dafür aber fehlen die Kapitalpuffer - trotz mehrerer

Kapitalerhöhungen und zweier Rettungsaktionen durch den Staat seit

der Finanzkrise 2008. Haben die Alarmsysteme beziehungsweise die

Bankenregulierer erneut versagt?

Burghof: Offenkundig ist das der Fall. Die Bankenaufsicht in

Italien hat ihre Aufgabe nicht erfüllt. Sie hat Transaktionen

getätigt, die die Probleme überdecken sollten, statt sie wirklich zu

lösen. Die Strukturen, die Anreize, die dazu geführt haben, dass man

sich so verhält, sind nicht aufgehoben, sondern eher noch verstärkt

worden. Denn mit der Perspektive einer Rettung durch Europa geht man

ein Geschäft natürlich ganz anders an, als wenn man weiß, dass man

selbst dafür bluten muss.

Der Chefökonom der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, hat

vorgeschlagen, 150 Milliarden Euro in die Rekapitalisierung der

europäischen Banken zu stecken. Reicht das aus?

Burghof: Ob das ausreicht, ist schwer zu sagen. Es hängt davon ab,

wie sich die Krise weiter verschärft. Aber ich finde es interessant,

dass gerade der Chefökonom der Deutschen Bank sich so äußert. Denn

natürlich arbeitet er damit auch pro domo: Die Deutsche Bank ist

intensiv vernetzt mit anderen Banken. Und wenn eine allgemeine

Bankenkrise kommt, wäre das auch ein Problem für die Deutsche Bank.

Sie ist im Kapitalmarkt zwar gut aufgestellt, hätte aber wenig Freude

daran, wenn zusätzliche Verluste ihre Bilanzen belasten würden.

Vor allem die Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) steht

im Fokus. Es wird davon ausgegangen, dass die Bank ihre faulen

Kredite im Wert von fast 44 Milliarden Euro nicht ohne staatliche

Hilfe abbauen kann, wie von der Europäischen Zentralbank gefordert.

Der neuen EU-Bankenrichtlinie zufolge dürfen staatliche Hilfen für

angeschlagene Banken aber erst fließen, nachdem Aktionäre und private

Gläubiger herangezogen wurden. Was hätte das für Auswirkungen für den

gesamten Finanzsektor?

Burghof: Dass man zunächst nicht auf staatliche Hilfen

zurückgreift, wenn man eine Bank abwickelt, ist einer der

wesentlichen Bausteine der europäischen Bankenunion. Man könnte auch

sagen, dass es eine der Bedingungen war, die erfüllt sein mussten,

damit sich die Länder mit besseren, solideren Banksystemen bereit

erklärt haben, in diese doch gemeinschaftliche Haftung der

Bankenunion hineinzugehen. Wenn man diese Regeln brechen würde, wäre

damit die gesamte europäische Bankenunion infragezustellen. Deshalb

ist es verständlich, dass die Europäische Zentralbank als europäische

Bankenaufsichtsbehörde zunächst einmal fordert, dass es keine

staatlichen Hilfen gibt. Dies erscheint aber leider politisch

unrealistisch. Italien hat bereits bei mehreren kleineren

Regionalbanken die vereinbarten Verfahren durchgezogen. Das hat zu

erheblichen Protesten geführt, weil private Gläubiger mehrere hundert

Millionen Euro verloren haben. Die Regierung will natürlich

wiedergewählt werden. Da es in Italien mehrere alternative Parteien

und Strömungen gibt, die eine teilweise sehr extreme Position

gegenüber Europa einnehmen, wird man eine Wahlniederlage der

aktuellen Regierung nicht riskieren wollen. Hier vermischt sich das

Ökonomische und das Politische in einer sehr unerfreulichen Weise.

Ich fürchte, am Ende wird man Italiens Bankensystem eben doch mit

Steuergeld retten wollen.

Auch bei der größten Bank des Landes, Unicredit, wachsen die

Sorgen vor neuen Lücken. Sie gilt als global systemrelevant.

Burghof: Die einzige wirklich große international tätige Bank

Italiens hat schon mehr getan im Abbau alter Probleme. Aber

letztendlich trifft natürlich auch die Unicredit die Tatsache, dass

sich die Bewertung italienischer Kredite massiv verschlechtert hat -

auch weil sich die gesamtwirtschaftliche Situation Italiens so

verschlechtert hat. Die ganzen aufgeschobenen Reformen, die

Unfähigkeit des politischen Systems, sich zu reformieren, die ganze

damit verbundene Ineffizienz ist über eine Schwelle gestiegen,

jenseits derer es den Unternehmen nicht mehr möglich ist, sich

dagegen zu wehren. Das trifft jede Bank, die in Italien in

erheblichem Umfang Geschäfte macht.

Deutsche und französische Banken sind auch stark in Italien

engagiert. Befürchten Sie auch hier Ausfälle?

Burghof: Ich würde mal vermuten, dass die Kredite, die eine

ausländische Bank gibt, nicht per se besser sind als die, die eine

inländische Bank vergibt.

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hat ein neues

milliardenschweres Banken-Rettungsprogramm aus Steuergeldern

abgelehnt. EU-Chef Jean-Claude Juncker ist hingegen bekannt dafür,

dass er immer mal wieder politische Lösungen abseits von vereinbarten

starren Regeln anstrebt. Glauben Sie, dass es eine Art "Lex Italia"

geben wird?

Burghof: Ja, das würde ich sehr stark vermuten. Es gibt auch noch

andere Gründe, die dafür sprechen, wie eben die Gefahr der

politischen Destabilisierung Italiens. Außerdem war der heutige

Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi von 2006 bis 2011

Chef der italienischen Zentralbank, und gerade in diesen Jahren und

damit unter seiner Verantwortung wurden die Probleme des

italienischen Bankensystems eben nicht angegangen, sondern auf die

lange Bank geschoben. Dies hat im Ergebnis zu der Verschärfung der

Lage geführt, mit der wir heute konfrontiert sind. Mario Draghi wird

dieses Versagen nicht bloßstellen wollen. Er wird daher nach einer

Lösung suchen, bei der die Probleme möglichst unauffällig beseitigt

werden, ohne dass man einen genaueren Blick auf die Ursachen und die

Rolle der italienischen Zentralbank dabei werfen muss. Dafür braucht

er aber viel Geld - und die Frage ist, wo er dieses Geld herbekommt.

Was sagen Sie denn generell zur Null-Zins-Politik Draghis?

Burghof: Ganz allgemein ist diese Null-Zins-Politik sehr

unerfreulich für jene Länder, die eine solche Politik zur Förderung

ihres Wirtschaftswachstums gar nicht benötigen. Sie ist aber auch

unwirksam, denn wir befinden uns eigentlich in einer Art

keynsianischer Liquiditätsfalle: Das Geld, das in den Markt gepumpt

wird, kommt nicht da an, wo es ankommen soll. Damit bleiben nur die

negativen Effekte, und die sind für Deutschland besonders drastisch.

Die Null-Zins-Politik schneidet vor allem kleinen und regionalen

Banken eine wesentliche Ertragsquelle ab, nämlich die der günstigen

Refinanzierung über Kundeneinlagen. Unter den aktuellen

Marktbedingungen müssten sie anstelle einer Zinszahlung an die Kunden

von den Kunden eine Aufbewahrungsgebühr fordern. Im Massengeschäft

ist aber ein solcher Negativzins kaum durchsetzbar, da er die Kunden

sehr verärgern würde, vor allem aber, weil die Kunden das Geld

einfach in bar abheben könnten, was im Ergebnis zu einem Run auf das

Bankensystem und damit zu hohem Schaden für Staat und Gesellschaft

führen würde. Die meisten Banken machen daher mit ihrer

Einlagenfinanzierung schlichtweg Verlust. Dies trifft vor allem die

kleinen, kundenorientierten Institute mit vielen Zweigstellen,

während die großen, am Kapitalmarkt orientierten Banken den

Negativ-Zins durchaus an ihre Finanziers weitergeben können.

Langfristig bewirkt daher die Null-Zins-Politik eine

Strukturveränderung des deutschen Bankensystems, die überhaupt nicht

in unserem Sinne ist: weg von der Dezentralität, weg von der

Mittelstands- und Kunden-Orientierung, hin zu großen Instituten, hin

zu am Ende weniger Wettbewerb in der Fläche.

Konterkariert die Null-Zins-Politik am Ende auch die

Sparbemühungen der Staaten?

Burghof: Rein buchhalterisch stärkt diese Politik die

Sparbemühungen, weil die Staaten keine oder nur geringe Zinsen zahlen

müssen. Aber aus ökonomischer Perspektive muss man auch Politikern

Anreize setzen, das Richtige zu tun. Ein ordentlicher, solider Zins

ist ein solcher Anreiz, weil er den Politikern klarmacht: Wenn du

heute einen Kredit aufnimmst, ist dein finanzieller Spielraum morgen

kleiner. Diesen Anreiz gibt es heute nicht. Manche Politiker und

Journalisten träumen sogar davon, mit der zusätzlichen Kreditaufnahme

Geld zu verdienen.

Die Euro-Gruppe treibt auf der einen Seite die Defizitverfahren

gegen Spanien und Portugal voran, auf der anderen Seite scheint sie

Italien an der langen Leine zu lassen, Haben Sie dafür noch

Verständnis?

Burghof: Nein, denn es ist eine rein politische Geschichte. Die

Defizitverfahren per se sind viel zu langsam. Eine Bestrafung durch

den Kapitalmarkt wäre viel unmittelbarer wirksam, ist aber nicht mehr

erwünscht. Anders ausgedrückt: Was in Europa gemacht wird, ist

asymmetrisch statt ökonomisch - und hängt vor allem vom politischen

Einfluss der jeweiligen Akteure ab.

Das Interview führte

Werner Kolbe

OTS: Landeszeitung Lüneburg

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Pressekontakt:

Landeszeitung Lüneburg

Werner Kolbe

Telefon: +49 (04131) 740-282

werner.kolbe@landeszeitung.de

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