20.10.2015 12:57:45
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Steinmeier nennt Lage in Nahost "düster"
Von Stefan Lange
AMMAN (Dow Jones)-Zum Abschluss seiner Nahost-Reise hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier ein dramatisches Bild der Region gezeichnet. "Die Lage ist düster", sagte der SPD-Politiker am Dienstag bei der OSZE-Mittelmeerkonferenz in der jordanischen Hauptstadt Amman. Schwerpunkte der Konferenz waren die Krisen in Nahost und die daraus resultierenden Flüchtlingsströme.
Abgehalten wurde das Treffen in einem Hotel am Toten Meer - am geografischen Tiefpunkt der Erde, 420 Meter unter dem Meeresspiegel -, und dieser Ort forderte Vergleiche heraus. Auch die politische Situation in der Region befinde sich auf einem Tiefpunkt, sagte Steinmeier. Nirgendwo seien die Folgen der Krisen im Nahen und Mittleren Osten so unmittelbar zu spüren wie gerade in Jordanien, erklärte der Minister und nannte beispielhaft den Konflikt zwischen Israel und Palästina, den Krieg in Syrien, den IS-Terror und "eine Flüchtlingskatastrophe, wie sie die Welt seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hat".
Keine unbegrenzte Aufnahme Jordanien hat bei rund 6,5 Millionen Einwohnern rund 1,4 Millionen Flüchtlingen aufgenommen, wie der jordanische Außenminister Nasser Judeh erklärte. Nur ein Zehntel davon lebe in Flüchtlingslagern, der Rest sei in den Dörfern und Städten integriert. Wenn Jordanien eine so große Zahl von Flüchtlingen aufnehmen könne, dann müsse dies in anderen Ländern doch auch möglich sein, machte der Jordanier deutlich.
Steinmeier hingegen betonte erneut, dass es Grenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen gebe. Die Krisen im Nahen und Mittleren Osten seien längst an den Türen Europas angekommen, sagte er. "Wir in Deutschland werden in diesem Jahr zirka eine Million Flüchtlinge aufnehmen, die größten Teile davon aus Syrien und der Nachbarschaft. Weder Deutschland noch Europa insgesamt sind in der Lage, jedes weitere Jahr einen Zustrom in dieser Größenordnung aufzunehmen", erklärte er vor den Teilnehmern der OSZE-Mittelmeerkonferenz, bei der die Außenminister aus Ägypten, Luxemburg, Italien, Schweiz, Malta, Deutschland und Jordanien sowie UNHCR-Flüchtlingskommissar António Guterres vertreten waren.
Steinmeier bekräftigte, dass es zur Lösung der Krisen nur politische Lösungen geben könne, und diese würden "selten auf dem Schlachtfeld gefunden". Der deutsche Außenminister rief die verfeindeten Regierungen in der Region zur Zusammenarbeit auf und erinnerte an das OSZE-Prinzip, nicht Sicherheit voneinander, sondern echte Sicherheit miteinander zu suchen. Eine Vorbedingung von Gesprächen müsse dabei sein, die Souveränität und Integrität des Anderen anzuerkennen.
Auf Dialog-Tour Steinmeier hatte zuvor schon auf seinen Stationen in Teheran und Riad für einen Dialog geworben. Für eine politische Lösung des Konflikts in Syrien kommt es nach seiner Einschätzung neben den USA und Russland ganz entscheidend auf die regionalen Akteure an. Ohne einen Dialog zwischen dem Iran und Saudi-Arabien werde es "sehr schwierig sein, einen Verhandlungstisch für Syrien aufzustellen, an dem alle wirklich wichtigen regionalen Partner für einen Friedensschluss sitzen", heißt es im Auswärtigen Amt.
Schlagzeilenträchtige Fortschritte gab es nach den Gesprächen in Iran, Saudi-Arabien und Jordanien noch nicht zu vermelden. Das allerdings war auch gar nicht das Ziel des Nahost-Trips. Man habe ausloten wollen, was geht, verlautete aus Diplomatenkreisen. In der Rolle des Vermittlers sieht sich Deutschland, anders als im Ukraine-Konflikt, dabei ohnehin nicht.
Steinmeier wirkte nach der langen Reise zwar ein wenig müde, aber keineswegs entmutigt. Außenminister dürften "nicht aufgeben, immer wieder an Lösungsversuchen zu bauen", sagte er.
Kontakt zum Autor: stefan.lange@wsj.com
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October 20, 2015 06:27 ET (10:27 GMT)
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