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06.12.2012 19:50:33

Thyssen-Affäre wirft schlechtes Licht auf Chefkontrolleur Cromme

   Von Ursula Quass

   Luxus- und nicht sauber abgerechnete Dienstreisen, Milliardenabschreibungen bei den Stahlwerken in Übersee und Millionenforderungen wegen der Verwicklung in Preisabsprachen und Kartelle: Der Essener Stahlkonzern ThyssenKrupp produziert schlechte Nachrichten am laufenden Band. Die Folge war ein Köpferollen im Vorstand, wie es ein DAX-Konzern noch selten gesehen hat. Gleich drei Topmanager mussten ihren Hut nehmen. Auch wenn die Staatsanwaltschaft Essen ihre anfänglichen Ermittlungen gegen Jürgen Claassen - und damit einen der engsten Vertrauten Crommes - teilweise schon wieder eingestellt hat: Aus der Bredouille ist der Konzern und damit auch Chefaufseher Gerhard Cromme nicht - im Gegenteil. Das Image des 69-Jährigen bekommt Kratzer.

   "Wo waren Sie, Herr Cromme?", musste sich der Chefkontrolleur schon einmal fragen lassen - 2010, bei der Hauptversammlung von Siemens. Auch der Technologiekonzern wird von Cromme kontrolliert, auch dort erschütterte ein Korruptionsskandal den Konzern. Auch wenn Cromme dort durchgriff und mit der Ernennung von Peter Löscher zum Vorstandschef ein wahres Stühlerücken in der Führungsebene auslöste: Unangenehme Fragen musste er sich schon damals anhören. So sollte Cromme bereits 2005 in zweifelhafte Vorgänge im Konzern eingeweiht gewesen sein. Der Oberaufseher bestand darauf, erst 2007 ein umfassendes Bild vom Korruptionssystem bei Siemens gehabt zu haben.

   "Korruption ist eine Sache der Unternehmenskultur"

   So wie damals bei Siemens stellt sich nun bei ThyssenKrupp die Frage, wie all die unsauberen Vorgänge, die nun beinahe täglich durch die Presse gehen, vor dem Oberaufseher verborgen geblieben sein konnten. Denn, wie Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, betont: "Korruption ist eine Sache der Unternehmenskultur. Das entsteht nicht von einem Tag auf den anderen, sondern entwickelt sich über Jahrzehnte." Cromme ist schon seit mehr als zehn Jahren Chefkontrolleur bei ThyssenKrupp.

   Angesichts der Vorfälle habe er "schon den Eindruck, dass die internen Kontrollmechanismen nicht funktionieren." Chefaufseher Cromme "hat vielleicht ein Auge zu sehr verschlossen", vermutet der DSW-Sprecher. Und nicht nur er: "Alle Führungsebenen haben sich zu lange im Schlaf der Gerechten gewährt."

   Kein Einzelfall

   Auch Christian Strenger, Aufsichtsratsmitglied von DWS Investment, findet die Dimension der aktuellen Compliance-Fälle bei den Essenern "durchaus beachtlich, schon weil sich die Vorkommnisse wiederholt haben." Neben Preisen für Aufzüge hatte der Konzern über Jahre hinweg mit der Konkurrenz auch Preise und Mengen für Gleise und Weichen abgesprochen. Alleine für die Absprachen zulasten der Bahn hatte das Bundeskartellamt die Stahlunternehmen im Juli zu einer Strafe von 124,5 Millionen Euro verurteilt. Die Schuld der Firmen ist damit amtlich festgestellt, der Weg für Schadenersatzforderungen frei.

   Eventuellen Abfindungen für die geschassten Vorstände sollte dagegen ein Riegel vorgeschoben werden, fordert Strenger. Es sei zu überlegen, diese "erst dann auszuzahlen, wenn abschließend geklärt ist, dass sie ihren Informations- und Geschäftspflichten transparent und korrekt nachgekommen sind".

   Für Cromme gilt es in den kommenden Wochen, seine Konsequenz im Umgang mit den vielen Affären bei ThyssenKrupp zu beweisen und weiter durchzugreifen. Nur wenn ihm das gelingt, kann er die "nächste Karrierestufe" erklimmen. Seit Jahren wird er als Nachfolger des mittlerweile 99 Jahre alten ThyssenKrupp-Patriarchen Berthold Beitz - und damit wahren Strippenziehers bei dem Stahlkonzern - gehandelt. Dieser hatte Cromme bei der 200-Jahr-Feier des Konzerns vor einem Jahr noch das Vertrauen ausgesprochen. "Alfried Krupp gab uns einen Auftrag, den Namen Krupp hochzuhalten", erinnerte Beitz damals vor 180 Gästen in der Villa Hügel, dem alten Stammsitz der Familie Krupp. "Ich weiß, auch Sie, lieber Herr Cromme, fühlen sich diesem Auftrag verpflichtet." Vom "moralischen Kapitalismus" als Grundlage wirtschaftlichen Handelns, wie ihn Beitz beschworen hatte, scheint ThyssenKrupp - und damit auch Cromme - derzeit aber noch weit entfernt.

   Die Frage nach einer guten Unternehmensführung bleibt aber auch abseits von ThyssenKrupp ein Thema. Unter Crommes Leitung erarbeitete eine Expertenkommission vor zehn Jahren zwar einen Kodex zum korrekten Verhalten von Mitarbeitern und Führungen von Unternehmen und Organisationen. Dennoch bleibt viel zu tun. Zwar habe sich der Umgang deutscher Unternehmen mit dem Thema Compliance in den vergangenen Jahren "deutlich verbessert, aber leider gibt es immer noch vereinzelt signifikanten Handlungsbedarf", ist Strenger vom DWS überzeugt.

   Damit sind die Unternehmen nicht allein. Auch Deutschland als Nation ist längst noch nicht so sauber, wie man das von einer Industrienation ihrer Bedeutung erwarten können sollte. Im aktuellen Index der Organisation von Transparency International ist für die Bundesrepublik nicht einmal ein Platz unter den besten 10 drin.

   Mitarbeit: Jan Hromadko

   Kontakt zur Autorin: ursula.quass@dowjones.com

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   December 06, 2012 13:19 ET (18:19 GMT)

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