30.11.2013 02:36:32

UPDATE: ThyssenKrupp verkauft US-Stahlwerk, doch erlebt neues Fiasko

   --ArcelorMittal und Nippon Steel kaufen US-Stahlwerk für 1,55 Mrd US-Dollar

   --ThyssenKrupp muss Edelstahlaktivitäten von Outokumpu teilweise zurücknehmen

   --Will Kapital um bis zu 10 Prozent erhöhen

   --Will für Geschäftsjahr 2012/13 keine Dividende zahlen

   (NEU: Weitere Details, Hintergrund)

   Von Hendrik Varnholt

   ThyssenKrupp hat einen Teilerfolg bei der Käufersuche für seine amerikanischen Stahlwerke erzielt, doch der Konzern erleidet anderswo ein neues Fiasko: Das Unternehmen sieht sich gezwungen, einen Teil der zu Jahresbeginn an den finnischen Metallhersteller Outokumpu abgegebenen Edelstahlaktivitäten zurückzunehmen. Das teilte ThyssenKrupp in der Nacht zu Samstag mit. In der Rettungsaktion für die Finnen muss der DAX-Konzern mehrere 100 Millionen Euro abschreiben. Derweil will sich ThyssenKrupp außer durch den nun vereinbarten Verkauf seines US-Stahlwerks auch mit Hilfe einer Kapitalerhöhung neuen finanziellen Spielraum verschaffen. Nachdem auch im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Milliardenverlust angefallen ist, sollen die Aktionäre abermals auf eine Ausschüttung verzichten.

   ThyssenKrupp hat nach eigenen Angaben mit Outokumpu vereinbart, dass der deutsche Konzern seine frühere Edelstahl-Produktionsstätte in der italienischen Stadt Terni, den deutschen Spezialwerkstoffhersteller VDM "sowie weitere kleinere Aktivitäten" zurückerhält und im Gegenzug auf die Rückzahlung eines Outokumpu gewährten 1,2-Milliarden-Euro-Kredits verzichtet. ThyssenKrupp begründete die Transaktionen, in deren Rahmen das Unternehmen Abschreibungen in der Höhe von mehreren 100 Millionen Euro vornehmen muss, unter anderem mit einer "Neuordnung der Finanzierung bei Outokumpu". ThyssenKrupp schaffe "die Voraussetzungen für eine tragfähige Refinanzierung" des finnischen Unternehmens, hieß es in der Unternehmensmitteilung weiter. Auch Outokumpu berichtete über das Geschäft.

   Der finnische Edelstahlkonzern leidet unter erheblichen Schwierigkeiten. Dazu trägt auch eine Kartellauflage der Europäischen Kommission bei, nach der das Unternehmen das von ThyssenKrupp übernommene Werk in Terni verkaufen muss. Bislang hat offenkundig kein Kaufinteressent ein annehmbares Angebot für die Produktionsstätte abgegeben. Dass nun ThyssenKrupp aushilft, dürfte vor allem zwei Gründe haben: Der Konzern hält seit dem Verkauf seiner Edelstahlaktivitäten einen Anteil von 29,9 Prozent an Outokumpu. Zudem gewährte er den Finnen einen Kredit im Umfang von rund 1,2 Milliarden Euro. Probleme bei Outokumpu schlagen sich deshalb als Abschreibungen bei ThyssenKrupp nieder, wie sich trotz der Rettungsaktion zeigt. Der deutsche Konzern hat den Wert des Kredits in den Büchern nach eigenen Angaben auf etwa 1 Milliarde Euro korrigiert. Und auch das Aktienpaket hat an Wert verloren. ThyssenKrupp kündigte in der Nacht auf Samstag an, die Anteilsscheine verkaufen zu wollen und stellte in Aussicht, dass das zu einem Verlust von 305 Millionen Euro führt.

   Zu den Verkaufsplänen für seine amerikanische Stahlproduktion lieferte ThyssenKrupp zudem nur eine getrübte Erfolgsmeldung: Der Konzern hat sich nach eigenen Angaben mit einem Käuferkonsortium aus den Konkurrenten ArcelorMittal und Nippon Steel über die Abgabe seines US-Stahlwerks geeinigt. Durch das Geschäft fließt dem DAX-Unternehmen ein Kaufpreis von 1,55 Milliarden US-Dollar zu, wie auch aus einer Mitteilung von ArcelorMittal hervorgeht. Das ist weniger als von vielen Beobachtern erwartet.

   Teil der Verkaufsvereinbarung sei zudem eine Abnahmeverpflichtung, berichteten ThyssenKrupp und ArcelorMittal. Die Käufer haben sich demnach dazu verpflichtet, mindestens sechs Jahre lang jährlich 2 Millionen Tonnen Stahl aus ThyssenKrupps Produktionsstätte in Brasilien zu kaufen. Der Preis für die Lieferungen solle anhand einer "marktbasierten Formel" errechnet werden, berichtete ArcelorMittal. Der Vertrag dürfte die Auslastung des südamerikanischen Werks aber kaum verbessern. Im Geschäftsjahr 2011/2012 etwa hatte ThyssenKrupp 2,6 Millionen Tonnen Rohstahl aus dem Werk in Brasilien zu den Anlagen in den USA transportiert.

   Das Rohstahlwerk in der Nähe von Rio de Janeiro hatte ThyssenKrupp zunächst ebenfalls zum Verkauf gestellt, bislang ist aber kein Käufer für die Hochöfen in Sicht. ThyssenKrupp hält nun an seiner 73-Prozent-Mehrheitsbeteiligung an dem CSA genannten Werk in Brasilien fest, wie aus der Mitteilung hervorgeht. Der Konzern weist das Geschäft wieder als fortgeführte Aktivität aus. "Mit dem Liefervertrag reduzieren wir unser Risiko und schaffen gleichzeitig die Voraussetzung dafür, CSA mittelfristig in die schwarzen Zahlen zu führen. Das ist die beste Lösung, die es derzeit für Steel Americas gibt. Alle anderen Optionen waren wirtschaftlich nicht tragfähig", zitierte ThyssenKrupp seinen Vorstandschef Heinrich Hiesinger.

   Der Konzern kündigte am Freitagabend darüber hinaus eine Kapitalerhöhung im Umfang von bis zu 10 Prozent des gezeichneten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts an. ThyssenKrupp kann mit einer solchen Kapitalmaßnahme nach dem Aktienkurs von Freitag einen Erlös von rund 1 Milliarde Euro erzielen. Das Unternehmen machte zunächst aber keine Angaben darüber, wann es die neuen Aktien ausgeben will. Die "Durchführung" der Kapitalerhöhung werde "in Abhängigkeit von den Kapitalmarktbedingungen entschieden". Mit einer Kapitalerhöhung im Umfang von bis zu 10 Prozent des Grundkapitals würde ThyssenKrupp bei einem Ausschluss des Bezugsrechts die Möglichkeiten ausschöpfen, die ein Vorratsbeschluss der Hauptversammlung dem Vorstand zugebilligt hat.

   Die Ankündigung einer Kapitalerhöhung überrascht nicht. ThyssenKrupp-Vorstandschef Hiesinger hatte einen solchen Schritt innerhalb der vergangenen Monate mehrmals als Möglichkeit bezeichnet. Hintergrund ist die hohe Verschuldung des Konzerns: ThyssenKrupp war nach den aktuellen Angaben Ende September mit rund 5 Milliarden Euro verschuldet, nach 5,8 Milliarden Euro im Vorjahr.

   Überraschend veröffentlichte der Konzern am Freitagabend auch die Ergebnis-Kennzahlen des Ende September abgelaufenen Geschäftsjahres 2012/2013. Demnach erzielte das Unternehmen in der Struktur des Vorjahres einen um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Steuern und Zinsen (bereinigtes EBIT) von 1,1 Milliarden Euro, nach 1,38 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Analysten hatten im Durchschnitt mit einem noch etwas stärkeren Rückgang auf 1,06 Milliarden Euro gerechnet. Als Konzernergebnis - also nach Steuern und inklusive der Verluste durch das amerikanische Stahlgeschäft - fiel bei ThyssenKrupp ein Verlust von 1,5 Milliarden Euro an, nach 5 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Das Nettoergebnis des Gesamtkonzerns bezifferte das Unternehmen auf -1,40 Milliarden Euro, nach -4,24 Milliarden Euro im Vorjahr. Vor dem Hintergrund will der Konzern abermals keine Dividende zahlen.

   Für das angefangene Geschäftsjahr gibt sich ThyssenKrupp trotz aller Schwierigkeiten optimistisch: Der Konzern will in einer neuen Struktur - also inklusive der brasilianischen Stahlproduktion, aber ohne VDM und das Werk in Terni - ein bereinigtes EBIT von rund 1 Milliarde Euro erzielen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr betrug die Kennzahl 599 Millionen Euro. Dafür gebe es zwei Gründe, teilte ThyssenKrupp mit: "erstens das erwartete Wachstum in den ertragsstarken Industriegüter-Geschäften und zweitens die verbesserte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" durch die laufenden Sparbemühungen.

   Kontakt zum Autor: hendrik.varnholt@wsj.com

   DJG/hev/sha

   (END) Dow Jones Newswires

   November 29, 2013 20:04 ET (01:04 GMT)

   Copyright (c) 2013 Dow Jones & Company, Inc.- - 08 04 PM EST 11-29-13

Analysen zu Nippon Steel & Sumitomo Metal Corporationmehr Analysen

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!

Aktien in diesem Artikel

Nippon Steel & Sumitomo Metal Corporation 18,40 0,82% Nippon Steel & Sumitomo Metal Corporation
Outokumpu Oyj 2,82 -0,60% Outokumpu Oyj
thyssenkrupp AG 4,07 -1,02% thyssenkrupp AG