29.11.2012 20:13:30
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UPDATE: Weidmann: Europäer haben sich nur Zeit erkauft
-- Weidmann warnt vor Präzedenzfall Griechenland
-- Bundesbankpräsident verweist auf Belastungen der öffentlichen Haushalte
-- Klares Bekenntnis zur Bankenunion
(mehr Hintergrund, mehr Details; neu: Barnier)
Von Christian Grimm und Susann Kreutzmann
BERLIN-Nach Einschätzung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann haben die Europäer durch die jüngsten Rettungsmaßnahmen zu Griechenland nur Zeit gekauft. "Mit den Beschlüssen von Montagnacht wurde ein Schuldenschnitt zum jetzigen Zeitpunkt vermieden", sagte Weidmann. Wenn Griechenland die verabredeten Reformen nicht umsetze, würde aber auch das neue Maßnahmebündel verpuffen. Wiedemann warnte, Griechenland dürfe keine Präzedenzwirkung haben. "Sonst wird aus einem besonders gelagerten Transferfall eine Transferunion", sagte er.
Die Finanzminister der Eurozone hatten sich bei ihrem Treffen klar gegen einen Schuldenerlass gestellt, wollen aber Griechenlands Schuldenberg mit verschiedenen Instrumenten abtragen. So sollen beispielsweise die Zinsen auf laufende Kredite gesenkt und Notenbankgewinne an Athen ausgezahlt werden. Dreh- und Angelpunkt ist aber der Rückkauf von griechischen Staatsanleihen, die am Markt weit unter Nominalwert rentieren.
Weidmann verwies gleichzeitig auf die bereits erreichten Erfolge in Griechenland wie eine Reduzierung des Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizits sowie die gesunkenen Lohnkosten. "Aber auf vielen Reformfeldern war die Umsetzung auch mangelhaft", kritisierte er. "Die Lehre aus der bisherigen Entwicklung darf nicht heißen: Nicht-Einhaltung von Auflagen führt zu neuen Hilfen", mahnte der Bundesbankpräsident.
Weidmann machte klar, dass jetzt der Haushalt belastet werde. "Die öffentlichen Gläubiger verzichten mit diesen Maßnahmen aber auch auf einen Teil ihrer Forderungen", sagte er. Allerdings habe das Eurosystem nicht auf seine Forderungen verzichtet. "Das wäre ein klarer Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung", sagte Weidmann. Stattdessen verpflichten sich die Regierungen zu Transfers, die der Höhe nach den Erträgen entsprechen, die Notenbanken aus Staatsanleihen in ihrem SMP-Bestand erzielen. Denn die Bundesbank will die Wagnisrückstellungen entsprechend anpassen und nicht die kompletten Gewinne auf griechische Anleihen an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble weiterleiten. Auch andere Notenbanken der Eurozone wollen so verfahren.
Schäuble rechnet für 2013 mit Mehrkosten von insgesamt 730 Millionen Euro für Griechenland, was als außerplanmäßige Ausgabe verbucht werden soll, und für übernächstes Jahr 660 Millionen. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge wollen die Zentralbanken der Eurozone zuerst die Kosten verrechnen, die ihnen aus dem unnatürlichen Zinsniveau entstanden sind. Demnach kann Schäuble mit rund 2,2 Milliarden Euro von der Bundesbank rechnen und müsste am Ende hierfür 500 Millionen aus dem Haushalt aufbringen - über die nächsten zwei Jahrzehnte.
Weidmann bekannte sich ausdrücklich zu einer Bankenunion. "Ich bin überzeugt, dass eine richtig ausgestaltete Bankenunion eine stabilitätsorientierte Währungsunion stärkt", sagte Weidmann. Bei der Planung und Einführung der Bankenunion müsse aber Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen. Allerdings seien viele Fragen noch ungeklärt. Es sei zu Rückkopplungen zwischen der Bonität von Staaten, Banken, privaten Haushalten und Unternehmen gekommen, sagte Weidmann. Damit sei ein Teufelskreis entstanden, der künftig durchbrochen werden müsse.
"Eine Bankenunion, die diese Risiken künftig besser im Zaum hält, kann in der Tat ein Stützpfeiler für eine stabile Währungsunion sein", sagte der Bundesbankpräsident. Damit dieses Ziel erreicht werde, sollte eine gemeinsame Aufsicht vor allem einen einheitlichen hohen Aufsichtsstandard durchsetzen. "Zudem gilt es, der Tendenz Einhalt zu gebieten, die Probleme im Bankensystem des eigenen Landes zu beschönigen", mahnte Weidmann. Wenn die Aufsicht bei der EZB angesiedelt werde, müssten Interessenkonflikte zwischen Geldpolitik und Bankenaufsichtspolitik vermieden werden.
EU-Binnenkommissar Michel Barnier versprach, dass Finanzwirtschaft künftig wieder den Unternehmen und Verbrauchern dienen muss. "Wir haben in Europa kein Finanzprodukt und keinen Finanzakteur mehr, der einer intelligenten Regulierung entkommt", versicherte Barnier. Ein Teil der Maßnahmen sei schon umgesetzt.
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November 29, 2012 13:42 ET (18:42 GMT)
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