27.06.2015 22:53:45
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UPDATE2/Eurozone bricht mit Athen - Hilfsprogramm läuft Dienstag aus
-- Finanzminister beschließen Programmstopp gegen Stimme Athens
-- Varoufakis macht Eurogruppe schwere Vorwürfe
-- Schäuble überzeugt von stabilem Euro
-- EZB-Rat befindet am Sonntag über Notkredite
(NEU: weitere Details, Reaktionen und Hintergrund)
Von Andreas Kißler
BRÜSSEL/BERLIN (Dow Jones)--In den Verhandlungen über eine Rettung Griechenlands vor dem Staatsbankrott ist es zu einem offenen Bruch zwischen Athen und seinen Gläubigern gekommen. Das gegenwärtige Hilfsprogramm für das überschuldete Land soll Dienstagnacht auslaufen, nachdem Athen das Angebot der Gläubiger für eine Einigung im Schuldenstreit abgelehnt und ein Referendum mit negativer Abstimmungsempfehlung für den 5. Juli angekündigt hat.
Athen nähert sich damit der Zahlungsunfähigkeit, denn am 30. Juni wird ein Kredit des International Währungsfonds (IWF) über rund 1,5 Milliarden Euro fällig.
Die Finanzminister der übrigen Euro-Staaten fassten den Beschluss bei einem Sondertreffen der Eurogruppe in Brüssel - gegen die Stimme ihres griechischen Amtskollegen Yanis Varoufakis, der daraufhin nicht an den weiteren Beratungen teilnahm, bei denen es um die Konsequenzen aus dem Stopp der Hilfen ging.
Nach dieser Sitzung kündigte der Eurogruppen-Vorsitzende Jeroen Dijsselbloem an, die Eurogruppe werde "alle verfügbaren Instrumente nutzen", um die Stabilität des Euro zu erhalten. Falls nötig, werde die Eurogruppe wieder zusammentreten. Athen solle "technische Unterstützung" erhalten, um Maßnahmen zur Stabilisierung seines Finanzsystems zu ergreifen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, die Euro-Länder würden alles tun, was möglich sei, um eine Ansteckungsgefahr zu vermeiden. "Der Euro ist stabil und bleibt stabil," zeigte sich Schäuble aber überzeugt. Griechenland sei Mitglied der Eurozone und bleibe dies auch. "Die Eurogruppe besteht aus 19 Mitgliedern", bekräftigte Dijsselbloem.
Mittel aus Zentralbankgewinnen fließen nicht mehr nach Athen
Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling meinte, die Eurozone und ihre Institutionen seien "gut vorbereitet" auf die möglichen Folgen der getroffenen Entscheidung. "Es könnte auch durchaus eine Erleichterung sein, dass die Eurozone ... zu einer Entscheidung gekommen ist", sagte er. Für die anderen Euro-Länder werde diese keine Auswirkungen haben. Die nächsten Schritte Athens kenne man nicht. "Vielleicht gibt es doch Geldmittel, ... von denen wir nichts wissen."
Nach ihrer Sitzung mit Varoufakis erklärte die Eurogruppe, die "derzeitige Finanzhilfevereinbarung mit Griechenland wird am 30. Juni 2015 auslaufen, ebenso wie sämtliche Vereinbarungen im Zusammenhang in Verbindung mit dem laufenden griechischen Programm". Athen werde dann auch keine Mittel mehr aus der Übertragung von Zentralbankgewinnen auf von der Zentralbank übernommene griechische Anleihen erhalten.
Die Gläubiger Griechenlands hatten Athen in den Verhandlungen eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms bis November angeboten, wie aus Planungsunterlagen der Institutionen hervorgeht, in die Dow Jones Newswires Einblick hatte. Darin boten die Gläubiger - EU-Kommission, EZB und IWF - der Regierung bis Ende November insgesamt Finanzhilfen über 15,5 Milliarden Euro an - darunter 1,8 Milliarden Euro aus den Zentralbankgewinnen. Dies hätte gereicht, um den IWF-Kredit zu bedienen.
Athen wollte die Bedingungen der Kreditgeber aber nicht erfüllen. Die dortige Regierung und ihre Financiers hatten darüber seit Monaten gestritten. Bei der Tagung am Samstag beschuldigten sich die Verantwortlichen der übrigen Euro-Staaten und Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis gegenseitig, die Verantwortung für das Scheitern der Gespräche zu tragen.
Dijsselbloem warf der griechischen Regierung vor, mit ihrer negativen Empfehlung zu dem Referendum ihre Verantwortung zu verletzen. "Zu unserem Bedauern hat die griechische Regierung entschieden, zurückzuweisen, was auf dem Tisch lag, obwohl die Gespräche noch nicht beendet waren", sagte der Niederländer.
Varoufakis erhebt schwere Vorwürfe gegen die Eurogruppe
Gleichzeitig appellierte Dijsselbloem mehrfach indirekt an das griechische Parlament, gegen die Abhaltung des Referendums zu votieren, und deutete für diesen Fall weitere Hilfsmöglichkeiten an. "Das griechische Parlament hat das Recht, vollständig zu verstehen, was aktuell auf dem Tisch liegt", sagte der Eurogruppen-Chef auf die Frage, was die Griechen noch tun könnten, um in der Eurozone zu bleiben. Das Parlament solle "eine weise Entscheidung treffen".
Der EZB-Rat werde die Frage weiterer ELA-Notkredite der Zentralbank "prüfen und beantworten müssen", sagte er zudem auf eine Frage. Der EZB-Rat kündigte eine Sitzung dazu an. Aus Notenbankkreisen hieß es, es werde am Sonntag eine Telefonkonferenz geben. Dabei dürfte es um die Frage gehen, ob der EZB-Rat den Griechen den Geldhahn sofort zudreht oder nur die Bewertungsabschläge auf Sicherheiten für die Notkredite anhebt.
Varoufakis übte in einer eigenen Pressekonferenz heftige Kritik an der Eurogruppe, weil sie die griechische Bitte um eine Verlängerung des Hilfsprogramms abgelehnt hat. Diese Entscheidung habe "Europas Glaubwürdigkeit dauerhaften Schaden" zugefügt, sagte er. "Europa kann immer noch das griechische Volk bitten, 'Ja' zu einem verbesserten Angebot zu sagen", meinte er. Die bisherigen Vorschläge seien nicht tragfähig, die Finanzierung sei unangemessen, und darin seien keine Elemente enthalten, die Investoren "Hoffnung" gäben.
Bei ihrer Sitzung diskutierten die Finanzminister laut dem Finnen Alexander Stubb verschiedene Szenarien, um Ansteckungen zu vermeiden. Die Finanzminister wollten nach an den Gesprächen beteiligten Personen Alternativen zu weiteren Rettungsgeldern für Griechenland diskutieren, um wirtschaftliches Chaos zu verhindern. Der erste Schritt der von den Griechenland-Gläubigern allgemein als "Plan B" bezeichneten Alternativen wäre vermutlich die Einführung von Kapitalkontrollen, um einen Sturm auf die Banken des Landes zu vermeiden, so damit vertraute Personen.
In Athen haben sich inzwischen lange Schlangen vor den Geldautomaten gebildet. Die Konten werden aus Sorge um die Stabilität des Finanzsystems abgeräumt. Einige Geldautomaten wurden am Samstag vollständig geleert.
Unions-Fraktion mahnt Risikoabschirmung für griechische Banken an
Erste Berliner Reaktionen zeigten überwiegend Verständnis für die Entscheidung der Eurogruppe. "Den anderen Eurozonen-Finanzministern blieb gar keine andere Wahl", sagte Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) zu Dow Jones Newswires. "Irgendwann ist auch der Kredit von allen Gutwilligen aufgebraucht." Nun müsse man sich ansehen, "welche Maßnahmen ergriffen werden, um ein Ringfencing bei den griechischen Banken hinzukriegen", meinte der Finanzexperte. "Das ist jetzt die entscheidende Frage."
SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sprach via Twitter von einer "richtigen Entscheidung der Eurogruppe". Die griechische Regierung lehne das Programm und die Bedingungen ab, erklärte er zur Begründung. "Auf welcher Grundlage soll der Bundestag dann zustimmen?"
Der Obmann der Unions-Fraktion im Bundestagsfinanzausschuss, Hans Michelbach (CSU), forderte den sofortigen Stopp der EZB-Notkredite, eine sofortige Einführung von Kapitalmarktverkehrskontrollen in Griechenland und das Ende der Mitgliedschaft des Landes im Euroraum. "Die Eurozone hat an diesem Wochenende ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis gestellt", meinte er. "Die Entscheidung wird die Stabilität des Euro stärken."
Auch aus der Finanzwirtschaft kam Verständnis für die Entscheidung der Eurogruppe. "Die Verhandlungen über den Abschluss des zweiten Hilfsprogramms für Griechenland sind an der nicht vorhandenen Reformbereitschaft der griechischen Regierung gescheitert", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, Michael Kemmer. Ein Zahlungsausfall Griechenlands könne die Finanzmärkte zwar kurzfristig belasten. "Die zu Beginn der Staatsschuldenkrise möglichen Ansteckungseffekte auf andere Euro-Staaten sind heute aber nicht mehr zu befürchten."
Die Grünen sprachen sich hingegen für eine Verlängerung der Hilfen bis zum Referendum aus und bezeichneten das Referendum selbst als absehbar. "Zwischen dem, was Syriza will, und dem Angebot der Gläubiger klafft eine riesige Lücke", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Das Referendum biete die Möglichkeit, aus dieser Situation herauszukommen. "Alle Beteiligten, gerade auch die Bundeskanzlerin, sind jetzt aufgefordert, diesen Weg zu ermöglichen."
(Mitarbeit: Hans Bentzien, Gabriele Steinhauser und Viktoria Dendrinou)
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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June 27, 2015 16:23 ET (20:23 GMT)
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