Frank Günther, Geschäfts­führer von One Square Advisors, wurde ver­haftet. Die Staats­anwalt­schaft München I ermittelt im Zusammen­hang mit der „Anleihe­restruk­turierung“ der Smart Solutions Holding GmbH (vormals Sympatex Techno­logies GmbH) gegen mehrere Personen wegen des Verdachts des Betrugs, der Markt­mani­pulation und der Untreue.

Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Schirp hatte Strafanzeige erstattet und vertritt Anleihegläubiger im Zivilprozess. Im Interview mit dem BOND MAGAZINE weist er darauf hin, dass geschädigte Anleihegläubiger noch tätig werden können. Da sich die Klagen nicht nur gegen eine GmbH richten, sondern auch gegen prominente, sehr vermögende Hintermänner und -frauen, die den „haircut“ zu verantworten haben, ist auch die ökonomische Realisierungschance nach seiner Einschätzung sehr gut. 

BOND MAGAZINE: Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen mehrere Verdächtige wegen des Verdachts des Betrugs, der Marktmanipulation und der Untreue im Zusammenhang mit der „Anleiherestrukturierung“ der Smart Solutions Holding GmbH (vormals Sympatex Technologies GmbH). Inzwischen wurde Frank Günther verhaftet, Dr. Stephan Goetz wurde nach mehrmonatiger Untersuchungshaft entlassen, wohl auch weil er jetzt mit den Behörden kooperiert, sein Geschäftspartner Stefan Santjohanser befindet sich noch in Untersuchungshaft. Sie haben in dem Fall die Strafanzeige fachlich begleitet und vertreten Kläger im Zivilprozess. Wie sind Sie auf den mutmaßlichen Betrug aufmerksam geworden?

Dr. Schirp: Wir befassen uns schon seit September 2017 mit dem Fall Sympatex bzw. Smart Solutions Holding. Den „haircut“ der Anleihe um 90% fanden wir von Anfang an fragwürdig und schlecht begründet. Die Informationen über das Unternehmen, die uns zugänglich waren, rechtfertigten den nahezu vollständigen Kapitalverlust nicht. Aufmerksam geworden sind wir auch deshalb, weil mit Frank Günther (One Square Advisors) und Dr. Christian Becker (Görg Rechtsanwälte) zwei Berater involviert waren, die wir aus äußerst aggressiven Restrukturierungssituationen kennen und denen wir genauer auf die Finger gucken wollten. Unverständlich war zudem, dass es angeblich einen Käufer für das Unternehmen geben sollte, der anonym bleiben wollte. Wir haben daher Änderungsanträge zur „haircut“-Lösung gestellt und inhaltlich begründet und Anleihegläubiger bei der zweiten Anleihegläubigerversammlung am 01.12.2017 vertreten.

BOND MAGAZINE: Welches Ergebnis hat Ihre Intervention damals gehabt?

Dr. Schirp: Die Anleger, die wir am 01.12.2017 vertreten konnten und in deren Namen wir Gegenanträge gestellt und Anfechtungsklage angekündigt haben, sind zu 100% ihres Kapitals plus aufgelaufene Zinsen und Kostenerstattung ausbezahlt worden. Es handelte sich um vergleichsweise niedrig engagierte Privatanleger, die aber immerhin ohne jeglichen Schaden und unter voller Einhaltung der vertraglichen Versprechungen aus ihrem Engagement herausgekauft worden sind. Für andere Anleger, die vor dem 01.12.2017 noch kein Mandat erteilt hatten, treiben wir im Nachgang zivilrechtliche Schadensersatzklagen voran, die sich maßgeblich auf den Vorwurf der Marktmanipulation und des Betruges stützen. 

BOND MAGAZINE: Worin geht es in dem mutmaßlichen Betrugsfall?

Dr. Schirp: Die Anleger sind nach dem Ergebnis unserer Ermittlungen in mehreren Punkten getäuscht worden. Die Lage bei Sympatex wurde erheblich zu schlecht dargestellt. Wesentliche positive Geschäftsaussichten sind überhaupt nicht erwähnt worden. Das „Insolvenzquotengutachten“, das für den Fall der Insolvenz ein verheerend schlechtes Ergebnis avisierte und den Anleihegläubigern Angst einjagen sollte, stammt zwar von einer sehr namhaften Beratungsfirma; diese hatte jedoch ausschließlich solche Informationen zugrunde legen können, die ihr von der Geschäftsleitung selbst zur Verfügung gestellt worden waren. Das war natürlich eine sehr begrenzte, negativ eingefärbte Informationsgrundlage, und entsprechend negativ fiel das Ergebnis aus. Ganz wesentliche Punkte, die zugunsten der Anleihegläubiger ausgeschlagen wären, wurden verschwiegen und auf diese Weise ein viel zu negatives Bild gezeichnet. Tatsächlich hat es, wie wir heute wissen, überhaupt keinen externen „Weißen Ritter“ gegeben, der das Unternehmeng gekauft hätte, sondern es verblieb während der gesamten Zeit im jeweils 50%-igen mittelbaren Anteilsbesitz von Dr. Stephan Goetz, dem Schwager von Michael Otto, und seines Kompagnons Stefan Sanktjohanser. Anstößig fanden wir auch den „Judaslohn“ von 400.000 Euro, den One Square für das Zustandekommen des „haircuts“ erhalten hat; es kann doch nicht angehen, dass der Gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger zusätzlich zu seinem Honorar noch eine Sondervergütung erhält, und dann noch in dieser Größenordnung, während die Anleihegläubiger selbst mit nahezu Totalschaden nach Hause geschickt werden. Aus unserer Sicht war das Ganze eine einzige, riesengroße Scharade, um die Anleihegläubiger abzuschütteln und das Unternehmen zum Wohle von dessen Gesellschaftern zu entschulden.  

BOND MAGAZINE: Besteht die Chance, dass auch andere betrogene Anleihegläubiger der Smart Solutions Holding GmbH (vormals Sympatex Technologies GmbH) entschädigt werden?

Dr. Schirp: Ja. Es gilt die 3-jährige, kenntnisabhängige Verjährungsfrist. Diese ist noch nicht abgelaufen, da wesentliche Umstände rund um die Sympatex-Anleiherestrukturierung erst in diesem Jahr bekannt geworden sind. Daneben ist eine 10-jährige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist zu beachten, die mit dem „haircut“ am 01.12.2017 beginnt und ebenfalls noch nicht abgelaufen ist. Wer also damals Schaden erlitten hat, kann auch heute noch tätig werden. Da sich die Klagen nicht nur gegen eine GmbH richten, sondern auch gegen prominente, sehr vermögende Hintermänner und -frauen, die den „haircut“ zu verantworten haben, ist auch die ökonomische Realisierungschance sehr gut. 

BOND MAGAZINE: One Square Advisors hat keinen guten Ruf. Wissen Sie, ob die Staatsanwaltschaft auch in Bezug auf andere Anleiherestrukturierungen ermittelt?

Dr. Schirp: Über konkrete Ermittlungen der Staatsanwaltschaft mit Bezug auf andere Anleiherestrukturierungen ist uns nichts bekannt. Aber es gibt aus anderen Richtungen spannende Entwicklungen. Bei der Rickmers-Anleihe ist One Square gerade auf Betreiben einer entschlossenen Hamburger Investorengruppe als Gemeinsamer Vertreter abberufen worden. Auch bei der Deutschen Lichtmiete-Gruppe rechnen wir damit, dass One Square sich als Gemeinsamer Vertreter nicht wird halten können. Dort ist besonders anstößig, dass Frank Günther und Wolf Waschkuhn, also die One Square-Gesellschafter, auch alleinige mittelbare Gesellschafter der Lichtmiete-Fortführungsgesellschaft Novalumen sind. Also haben sich die One Square-Gesellschafter, wirtschaftlich gesprochen, sämtliche werthaltigen Assets der Deutschen Lichtmiete übertragen lassen, ohne einen Barkaufpreis zu zahlen und jemals irgendeinen Rückfluss an die Insolvenzmasse zu generieren. Einen derart toxischen Interessenkonflikt, eine so dreiste Selbstbedienung habe ich in über 30 Jahren als Rechtsanwalt noch nicht gesehen. Es ist uns unbegreiflich, dass Insolvenzverwalter Rüdiger Weiß und das Insolvenzgericht Oldenburg diese Selbstbedienung zulassen. Man fragt sich aber auch, warum die Großgläubiger, zu denen immerhin die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Versicherungskammer Bayern und die WWK-Versicherung gehören, so etwas mit sich machen lassen. 

BOND MAGAZINE: One Square Advisors ließ sich häufig u.a. mit den Stimmen einer Investmentgesellschaft zum gemeinsamen Vertreter der Anleihegläubiger wählen. Diese Investmentgesellschaft durfte dann, dem Vernehmen nach, Massekredite zu attraktiven Konditionen vergeben, die auch noch absurd besichert waren. One Square Advisors war dann auch M&A-Berater beim Verkauf von Tochtergesellschaften. Gerüchten zufolge hat sich die Ping Pong-Bande die Bälle so lange hin und her gespielt, bis für Anleihegläubiger nichts mehr übrig war. Ermittelt die Staatsanwaltschaft auch in diese Richtung?

Dr. Schirp: Über Ermittlungen in diese Richtung habe ich keine Kenntnis. Bei Sympatex kann man aber feststellen, dass One Square gemeinsam mit anderen Akteuren sehr aktiv die Mehrheitsbeschaffung organisiert hat. Ein sehr großer Anteil der Anleihestücke ist weit unter Pari durch zwei Strohmann-Gesellschaften angekauft worden, nachdem der Anleihekurs durch die negativen Unternehmensmeldungen heruntergeprügelt worden war. Zu der Sympatex-Restrukturierung existiert sogar ein regelrechtes Drehbuch unter dem Decknamen „Project Spear“, das ist ein bemerkenswertes Dokument, wie man Anleger manipulieren und einen „haircut“ vorbereiten kann. Lassen wir doch einfach die Münchener Behörden, die bislang schon eine bemerkenswerte Aufklärungsleistung erbracht haben, weiter ihre Arbeit machen. Ich habe vollstes Vertrauen.  

BOND MAGAZINE: Nach der Veröffentlichung der Einladung zur ersten Gläubigerversammlung wurde von einem unabhängigen Unternehmen ein Interesse am Erwerb der Smart Solutions Holding bekundet und mit 1,5 Mio. Euro eine etwas höhere Abfindung für die Anleihegläubiger in Aussicht gestellt. Die Geschäftsführung der Smart Solutions Holding hat das Kaufangebot zurückgewiesen. Ein externes Unternehmen hat den mutmaßlichen Betrügern in die Suppe gespuckt und dennoch haben die Verdächtigen den „haircut“ durchgezogen. Wie dumm kann man sein?

Dr. Schirp: In dieses Angebot war ich nicht involviert und habe keine näheren Informationen dazu. Fakt ist, dass Sympatex tatsächlich nie den Besitzer gewechselt hat. Bemerkenswert ist, dass Mitglieder der Unternehmerfamilie Otto selbst in die Finanzierung des „haircuts“ eingebunden waren und das Unternehmen nach Abschütteln der Anleihegläubiger weiter in den Händen des Otto-Schwagers Goetz und seines Partners Sanktjohanser halten wollten. Da hätte ein echtes Angebot eines außenstehenden Dritten doch gestört. Also wir haben es hier mit einem echten Wirtschaftskrimi zu tun, mit den ahnungslosen Anleihegläubigern als schutzlosen Opfern. Es ist ein Segen, dass sich die Münchener Justiz dieses komplexen Falles mit einem solchen Einsatz und solcher Fachkompetenz annimmt. Das hebt sich positiv von der BaFin ab, die wir sogar noch früher mit dem Fall vertraut gemacht hatten, die jedoch niemals einen Grund zum Einschreiten sah. 

BOND MAGAZINE: Ja, ich hatte in anderen Fällen auch schon mit der BaFin Kontakt aufgenommen und hatte stets den Eindruck, dass da nicht die hellsten Leuchten arbeiten. In dem mutmaßlichen Betrugsfall existieren Unterlagen, die auch vom Geschäftsführer von CURA, dem Family Office der Familie Otto unterschrieben wurden. Er wird aber nicht als Beschuldigter geführt. Es gibt Gerüchte, dass er Zeuge ist. Ist er so eine Art Kronzeuge?

Dr. Schirp: Über die Stellung dieser Person im Verfahren kann ich derzeit keine Angaben machen. Richtig ist aber tatsächlich, dass das Family Office der Familie Otto im Hintergrund in die Vorbereitung und Finanzierung des „haircuts“ eingebunden war. Wir finden es ausgesprochen bemerkenswert, dass sich eine der prominentesten deutschen Unternehmerfamilien für solche Geschäfte hergibt. Man sollte doch meinen, dass ein Otto-Konzern dergleichen nicht nötig hat.  

BOND MAGAZINE: An wen können sich geschädigte Anleger wenden, die Informationen zu anderen „Anleiherestrukturierungen“ haben?

Dr. Schirp: Unsere Kanzlei bleibt an diesem und weiteren Restrukturierungsthemen dran, und natürlich sind wir sehr am Austausch interessiert und stehen dafür immer zur Verfügung: 
Dr. Wolfgang Schirp, Schirp & Partner Rechtsanwälte mbB, Tel.: 030 - 327 617 0, www.schirp.com, mail(at)schirp.com 

BOND MAGAZINE: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg.

Das Interview führte Christian Schiffmacher, https://www.fixed-income.org/ 
Foto: Wolfgang Schirp, Schirp & Partner Rechtsanwälte mbB


An dieser Stelle möchten wir auch auf die umfangreiche Berichterstattung des Handelsblatt zum mutmaßlichen Betrugsfall hinweisen:

https://www.handelsblatt.com/finanzen/maerkte/anleihen/sympatex-berater-goetz-kommt-frei-anklage-steht-offenbar-bevor/100094227.html

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/dienstleister/prozesse-geheime-vertraege-belasten-inhaftierten-sympatex-eigner-stephan-goetz/100089871.html