FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 14. Juni 2011. Angesichts ihrer Orientierungslosigkeit entscheiden sich ETF-Anleger im Zweifel für Indextracker mit europäischem Anstrich. Der Versicherungsbranche und den Emerging Markets kehren sie lieber den Rücken. Die einen werden bei einem viel diskutierten Haircut für Griechenland womöglich zur Kasse gebeten, die anderen bekommen die steigende Inflation nur schwerlich in den Griff.

 

Feiertagsbedingt ruhig und ohne eindeutige Tendenz präsentiert sich der Handel mit Exchange Traded Funds, berichten die Market Maker. Von einem deutlichen Kaufüberhang etwa spricht Mark Schönbrodt. "Statistisch gesehen liegt das Verhältnis von Käufen zu Verkäufen etwa bei 75 zu 25 Prozent", fasst der Händler der DekaBank die Transaktionen in Zahlen zusammen. Mehr Abgaben als Käufe registriert dagegen die Unicredit Bank. "Es gibt zwar auch Abnehmer, bei den großen Anteilspaketen überwiegen aber die Verkäufe", bemerkt Bastian Ohta. Den Grund vermutet der Händler in der unbeständigen Großwetterlage in Europa und den USA. Von einem ausgeglichen Handel spricht wiederum Flow Traders. Auch für ihn spielen die ungelöste Schuldenproblematik Griechenlands und die eingetrübten konjunkturellen Aussichten in Nordamerika die Hauptrollen. "Solange diese Probleme im Raum stehen, fehlen die Impulse", glaubt Bernardus Roelofs.

 

Für Schnäppchenjäger interessant

 

Die hohe Volatilität der großen Bluechip-Indizes lasse auch ETF-Anleger nicht kalt. "Alles in allem ist der Appetit für Dax und Co. derzeit allenfalls mäßig", berichtet Bastian Ohta. Weil die Marktlage insgesamt wenig vorhersehbar sei, würden ETF-Anleger sich stärker an charttechnischen Punkten orientieren, beobachtet der Händler. Für mutige Anleger könne der Einstieg etwa bei ETFs, die den englischen FTSE abbilden, durchaus eine Überlegung sein. "Bei den geringen Handelsumsätzen gibt es aufgrund des hohen Bestandes im Markt für Anleger das ein oder andere Schnäppchen", glaubt der Händler und stellt den Vergleich zur Automobilbranche her. "Das ist, als bekämen sie einen Porsche mit einem Abschlag von 10 Prozent."

 

Von einem uneinheitlichen Handel bei den großen Indizes spricht auch Flow Traders. Auf der einen Seite erkennt Roelofs einen Kaufüberhang für DAX und Euro Stoxx 50 (WKN 593393, 935927). Ein anderes Mal trennten Anleger sich tendenziell von ETFs auf den deutschen oder den europäischen Leitindex (WKN A0REJL, DBX1ET). Wenig angetan scheinen Investoren zudem von den wirtschaftlichen Aussichten in Nordamerika und stoßen beispielsweise ETFs ab, die den Nasdaq 100 (WKN A0F5UF) nachbilden.

 

Versicherungsbranche unbeliebt

 

Von Abgaben geprägt zeigten sich auch in dieser Woche Tracker (WKN LYX0AQ) der Versicherungsbranche. Dem Sektor mache die Diskussion um den möglichen Schuldenschnitt für Griechenland zu schaffen. "Es geht darum, welche Versicherungskonzerne bei einem möglichen Schuldenerlass im Rahmen einer Kreditausfallversicherung vertraglich leisten müssen", erklärt Frank Mohr. Weil diese Frage unbeantwortet im Raum stehe, verabschiedeten sich Marktteilnehmer tendenziell von der Branche insgesamt.

 

An Fahrt verloren habe zudem der Gesundheitssektor (WKN LYX0AS). In den Wochen zuvor seien Anteile an Unternehmen dieser antizyklische Branche etwa in Form von ETFs vermehrt gekauft worden. "Vermutlich handelt es sich bei den Abgaben um Gewinnmitnahmen", glaubt der Händler der Commerzbank. Dem europäischen Einzelhandel trauen ETF-Liebhaber scheinbar mehr zu und legen sich den Sektorfonds Stoxx Europe 600 Retail (WKN A0H08P) ins Depot. Unterm Strich gesucht sei Schönbrodt zufolge auch Unternehmen aus dem Grundstoffe-Sektor (WKN A0RPR2).

 

Hohe Inflation verschreckt Anleger

 

Wenig Faszination auf ETF-Investoren üben gegenwärtig scheinbar die aufstrebenden Nationen aus. "In vielen Schwellenländern steht das Thema Inflation im Vordergrund", weiß Stefano Valenti. China bekomme beispielsweise trotz Preiskontrollen und Zinserhöhungen die Inflation nicht in den Griff. Die Teuerungsrate habe im Mai mit 5,5 Prozent den höchsten Stand seit knapp drei Jahren erreicht. Deshalb hielte sich dem Händler der Unicredit zufolge das Engagement der Anleger beispielsweise in China eher in Grenzen. "Anleger konzentrieren sich lieber auf die entwickelten Länder", beobachtet Valenti.

 

Auch Roelofs macht einen Verkaufsüberhang bei an Schwellenländer-Indizes gekoppelten ETFs (WKN A0HGZT) aus. Weniger betroffen seien Tracker mit russischem Fokus (WKN DBX1RC), für die Flow Traders in dieser Woche verstärkt Abnehmer verbuche.

 

Unternehmensanleihen gefragt

 

Viel Bewegung erkennt Schönbrodt im ETF-Markt für Anleihen. Zuspruch gebe es beispielsweise für einen Korb von Unternehmensanleihen (WKN ETFL37) und für Tracker mit inflationsgeschützten Bonds (WKN A0HG2S). Weniger beliebt zeigen sich der DekaBank zufolge fünf- bis zehnjährige europäische Staatsanleihen (WKN ETFL20), die in Summe verkauft würden. An europäischen Kurzläufern mit einer Restlaufzeit von ein bis drei Jahren (WKN DBX0AD) finden ETF-Anleger derzeit ebenfalls wenig Gefallen. Sie würden unterm Strich veräußert.

 

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© 14. Juni 2011/Iris Merker

 

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

 

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