31.01.2013 15:41:00
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Ist Europa tatsächlich auf dem Weg der Besserung?
Tim Stevenson, Director of European Equities bei Henderson Global Investors ist der Meinung, dass es trotz Verbesserung an den Finanzmärkten kein Anlass zur Euphorie gibt. Weiterhin erwartet Tim Stevenson eine Umschichtung von Anleihen in Aktien.
In den letzten Monaten hat sich ein erstaunlicher Stimmungswandel gegenüber Aktien aus Europa vollzogen. Diese haben inzwischen gewaltig Boden gegenüber dem US-amerikanischen Markt und auch gegenüber Anleihen gutgemacht. Sicher werden sich viele nun fragen, ob dieser Trend anhält. Im Folgenden werde ich daher versuchen, die Frage aus Sicht eines Europa-Fondsmanagers zu beantworten.
Dabei werde ich mich weitgehend auf Europa beschränken – mit einer Ausnahme, die das renommierte britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ unlängst mit folgender Überschrift auf den Punkt brachte: „USA turning European“. Was so viel heißt, dass Amerika inzwischen mit den gleichen Schuldenproblemen zu kämpfen hat, mit denen sich die Europäer bereits seit fünf Jahren herumschlagen. Und dass die Verschiebung der Debatte um die fiskalische Klippe bzw. die Schuldenobergrenze um zwei Monate nichts anderes bedeutet, als dass dieses Thema schon bald wieder die Schlagzeilen beherrschen wird.
Kein Anlass zur Euphorie trotz Verbesserung an den Finanzmärkten
Unterdessen aber gibt es klare Anzeichen dafür, dass sich die Lage in der europäischen Wirtschaft zumindest nicht weiter verschlechtert und 2013 vielleicht sogar ein erster dünner Silberstreif am Horizont sichtbar werden könnte. In seiner jüngsten Pressekonferenz hat EZB-Chef Mario Draghi auf eine Reihe positiver Entwicklungen hingewiesen und betont, dass „die Anleiherenditen und die Kosten für Kreditausfallversicherungen (CDS) deutlich gesunken, die Kurse an den Aktienmärkten gestiegen und die Schwankungen so niedrig sind wie noch nie“. Auch auf einige weniger beachtete Verbesserungen ging er explizit ein: „Der Euroraum verzeichnet wieder starke Kapitalzuflüsse. Die Einlagen der Banken an der Peripherie steigen wieder, ebenso die TARGET2-Salden. Zudem schrumpft die Bilanz der Europäischen Zentralbank weiter, die vielen als Risikoquelle gilt. Alles in allem gibt es Anzeichen dafür, dass die Fragmentierung schrittweise behoben wird.“
Dennoch besteht zur Euphorie kein Anlass, denn die stabilere Lage an den Finanzmärkten ist bislang noch nicht in der Realwirtschaft angekommen. Unverändert hoch ist die Arbeitslosigkeit, während sich das schleppende Wachstum wohl noch eine Weile fortsetzen und der Schuldenabbau Jahre in Anspruch nehmen wird.
Europäischer Aktienmarkt gestützt durch solide Unternehmensgewinne
Die unlängst leichte Aufhellung der Stimmung könnte gleichwohl in eine sich selbst verstärkende Positivspirale mit mehr Wachstum münden, denn die Unternehmen könnten einen Teil ihrer hohen Barreserven und die historisch niedrigen Finanzierungskosten für Investitionen nutzen. Ein gutes Beispiel hierfür ist SAP. Bei der deutschen Softwareschmiede zeichnet sich ein hoher Auftragsbestand für die neuen Softwareprogramme ab. Denn immer mehr Unternehmen erkennen, dass höchste Effizienz nur mit der besten Software möglich ist. Zudem lassen die jüngsten Stimuluspläne der Chinesen und Japaner hoffen, dass Asien erneut den Wachstumsmotor ankurbeln könnte. Alles zusammen genommen können wir meines Erachtens bereits zu diesem frühen Zeitpunkt recht zuversichtlich sein, dass die Weltwirtschaft 2013 etwas stärker wachsen wird als in den Vorjahren.
Europäische Aktien können vom überteuerten US-Aktienmarkt und einer Umschichtung von Anleihen in Aktien profitieren
Entsprechend dürften auch die Gewinne der meisten Unternehmen in Europa in diesem Jahr etwas höher ausfallen. Die erfreulichen Kursgewinne des letzten Jahres waren ausschließlich darauf zurückzuführen, dass Aktien aus Europa massiv überverkauft und extrem günstig waren. Darauf haben wir in Gesprächen mit unseren überwiegend skeptischen Kunden immer wieder hingewiesen. Ein weiterer Anstieg der Börsenbarometer in diesem Jahr dürfte aber vor allem steigenden Gewinnen zu verdanken sein. Damit auch die Bewertungen der europäischen Märkte weiter nach oben klettern können, müssen jedoch weit mehr Anleger den Sprung aus den teureren Märkten wie dem US-Aktienmarkt wagen.
Wahrscheinlicher ist indes eine Umschichtung aus Anleihen, bei denen die starken Kapitalzuflüsse der letzten Jahre in dem einen oder anderen Bereich dem Entstehen von Spekulationsblasen Vorschub geleistet haben. Seit mehr als einem Jahr weisen wir als europäische Aktienmanager nun schon darauf hin, dass viele Anleihen aus Europa absolut überteuert sind und wir eine Umschichtung von Anleihen in Aktien für überfällig halten.
Durchaus möglich, dass auch andere bereits unserer Meinung sind. In diesem Fall könnten wir einen länger anhaltenden und umfangreichen Kapitalrückfluss in Aktien erleben. Uns bestärkt das jedenfalls in der Einschätzung, dass europäische Aktien auf aktuellem Niveau immer noch attraktiv sind. Und da eine Konsolidierung nach so rasantem Kursanstieg mehr als wahrscheinlich ist, werden clevere Anleger Kursrückschläge wohl für Zukäufe nutzen.

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