Konjunkturüberblick
Nach einem sehr starken ersten Quartal nehmen in den USA die Anzeichen für eine Verbesserung im Industriesektor weiter zu. Der Einkaufsmanagerindex (ISM) ist im April leicht zurückgegangen, deutet mit 53,9 Zählern aber immer noch auf eine robuste Wirtschaftsaktivität in den kommenden Monaten hin. Der Hauptgrund für den Rückgang war ein Absinken des Unter-Index für neue Auftragseingänge von 65,3 auf 59,0, was aber immer noch auf eine sehr starke Zunahme der Auftragseingänge hindeutet. Ebenfalls bemerkenswert war die Tatsache, daß 18 der 20 befragten verarbeitenden Industrien im April ein Wachstum meldeten, ein Zeichen für die ungebrochene Dynamik der Erholung. Dagegen stieg die Arbeitslosigkeit im April mit 6,0% auf den höchsten Stand seit sieben Jahren. Das bestätigt unsere Ansicht, daß der Arbeitsmarkt weiterhin die Last der Erholung trägt, da die Unternehmen nach weiteren Produktivitätsvorteilen und besseren Gewinnspannen streben. Zu guter Letzt war das Verbrauchervertrauen im April nach dem Anstieg vom März leicht rückläufig, weshalb wir nicht mit einem Zinsschritt der US-Notenbank bei der Sitzung in der kommenden Woche rechnen.
Die EZB hielt die Zinssätze in dieser Woche im sechsten aufeinanderfolgenden Monat bei 3,25% konstant, da die Ungewißheit über das Ausmaß der Erholung in der Eurozone fortbesteht. Dennoch verstärken sich die Anzeichen einer starken Erholung im Industriesektor. So zeigte der Einkaufsmanagerindex (PMI) für das produzierende Gewerbe im sechsten aufeinanderfolgenden Monat nach oben. Mit 50,7 Zählern weist der Index zum ersten Mal seit März 2001 auf eine Expansion im produzierenden Gewerbe hin. Ungewißheit herrscht weiterhin hinsichtlich der Inflation in der Eurozone, so auch der Kommentar von Wim Duisenberg: „Die Aussichten für die Preisstabilität scheinen etwas ungünstiger zu sein". Die grobe Schätzung für April zeigte einen Rückgang auf 2,2% auf Jahresbasis, obwohl insbesondere aufgrund der Energiepreise Risiken nach oben bestehen. Die Entwicklung auf dem europäischen Arbeitsmarkt verläuft weiterhin schleppend. Im März betrug die Arbeitslosigkeit in der Eurozone 8,4%, und in Frankreich stieg sie auf 9,1% leicht an.
In Großbritannien herrschen weiterhin die bekannten Widersprüche zwischen dem Kommentar des geldpolitischen Ausschusses (MPC) und den tatsächlichen Wirtschaftsdaten. Ersterer ist weiterhin der Ansicht, daß die Verbraucher „ihre Ausgaben von selbst zurückschrauben werden". Diese Auffassung teilen wir nicht. Ein hoher Anstieg bei der Hauptumfrage des britischen Industrieverbands (CBI) im Handel und Gewerbe weist auf starke Einzelhandelsumsätze im April hin, wofür der boomende Immobiliensektor den wichtigsten Anstoß lieferte. An dieser Situation wird sich unseres Erachtens nichts ändern, bis die Zinsen erhöht werden. Unterdessen zeigten die Einkaufsmanagerindizes in allen drei Sektoren (verarbeitendes Gewerbe, Bauwesen und Dienstleistungen) nach oben und deuten auf überdurchschnittliches Wachstum im zweiten Quartal hin. Wie wir unten weiter erläutern, könnte fehlendes Handeln zum jetzigen Zeitpunkt, da die Konjunktur kurzfristig einen weiteren Stimulus erhält, die mittelfristigen Aussichten gefährden.
In Japan stieg die Industrieproduktion im März um 0,5% auf Monatsbasis, was zu einer Expansion um 2,2% auf Quartalsbasis (annualisiert) im ersten Quartal führte. Die treibende Kraft für die Erholung im Industriesektor ist der Bereich elektrische Maschinen, der im März auf Monatsbasis um 3,2% anstieg und 2,7% zum Quartalergebnis beitrug. Dies war der erste Anstieg seit dem vierten Quartal 2000. Diese Entwicklung ist jedoch stark vom internationalen Marktgeschehen abhängig und wird derzeit vom Anstieg der Exporte begünstigt. Jeder externe Schock könnte die schwache japanische Inlandskonjunktur erneut erschüttern.
Marktüberblick
Die Aktienmärkte gaben im Verlauf der Woche leicht nach, während Anleihen eher stagnierten.
In dieser Woche standen die defensiven Branchen wieder im Vordergrund. Massenkonsumgüter und Energie entwickelten sich überdurchschnittlich, während die Bereiche Informationstechnologie und Verbrauchsgüter nur eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung erzielten.
Nach ihrer überdurchschnittlichen Wertentwicklung während des größten Teils des Jahres zeigten die Schwellenländer eine unterdurchschnittliche Wertentwicklung. Dabei wurden sie durch die technologielastigen Märkte Korea und Taiwan nach unten gezogen. Der Pazifikraum ohne Japan war die Region mit der besten Wertentwicklung und wurde von Hongkong angeführt.
- Auch bei Aktien wurden defensive Werte bevorzugt. Die Anleger trennten sich weiterhin von teuren und qualitativ minderwertigen Aktien zugunsten von Unternehmen mit Engagement im Inland. Renditen lassen sich weiterhin hauptsächlich durch Vermeidung der Verlierer statt durch Auswahl der Gewinner erzielen.
Hauptthema der konjunkturellen Entwicklung – Immobilienpreise
Immobilienpreise – Antrieb für die Verbraucher – aber wie reagiert der MPC?
Wir haben bereits zu Beginn des Jahres vorhergesagt, daß „die Immobilienpreise in Großbritannien im Jahr 2002 zweistellige Renditen abwerfen werden". Aufgrund der niedrigsten Zinssätze seit 40 Jahren sind die Immobilienpreise tatsächlich im ersten Quartal enorm gestiegen. In dieser Woche verzeichnete der Immobilienpreisindex von Nationwide einen Anstieg für April um 3,4% (der höchste Anstieg seit September 1988), so daß die Jahresrate jetzt bei 16,5% liegt. Ihre Inflationsvorhersage für die Immobilienpreise 2002 von 6% wurde bereits erfüllt (und es ist erst Mai!). Folglich haben sie ihre Vorhersage auf 10% auf Jahresbasis (für Dezember) erhöht.
Immobilien machen fast die Hälfte des britischen Nettovermögens aus. Aufgrund des Verfahrens der Hypothekenfinanzierung war die Stärke des Immobilienmarktes der Hauptgrund dafür, daß die Verbrauchernachfrage auch während des jüngsten Konjunkturabschwungs weiterhin robust war. Deshalb gehen wir auch davon aus, daß die entsprechenden Ausgaben noch eine Zeit lang anhalten werden (zumindest bis die Zinsen wieder steigen).
Trotzdem blieb der geldpolitische Ausschuß bei seiner gemäßigten Haltung, da er immer noch davon ausgeht „daß die Verbraucher ihre Ausgaben von selber reduzieren werden" (d.h. eine Zinserhöhung vorerst nicht erforderlich ist). Wir teilen diese Auffassung nicht. Ein möglicher Mechanismus wäre eine Verringerung der durchschnittlichen Einkommen. Zugegebenermaßen bewegt sich das durchschnittliche nominale Wachstum der Einkommen auf dem niedrigsten Niveau seit 36 Jahren. Dies hängt jedoch größtenteils mit den negativen Bonusauswirkungen zusammen, während das zugrundeliegende Wachstum von Löhnen und Gehältern stabil blieb. Da auf dem Arbeitsmarkt kaum ein Rückgang zu verzeichnen ist, gehen wir im Zuge der Erholung von einem Wiederanstieg des Gewinnwachstums aus, insbesondere im florierenden öffentlichen Sektor. Unsere Schlußfolgeurng ist eindeutig. Eine Erhöhung der Zinsen erscheint als die einzige wirksame Bremse für den Verbraucher, und eine Verzögerung könnte sich für die Konjunktur als kostspielig erweisen.
Eine Sorge, die der geldpolitische Ausschuß geäußert hat, ist die Höhe der Verschuldung der privaten Haushalte und die Auswirkungen höherer Zinsen auf den Schuldendienst. Letzterer befindet sich im Vergleich zur Vergangenheit auf einem sehr niedrigen. Bei den Zinssätzen besteht allerdings noch ein gewisser Spielraum nach oben, bevor sie einen abrupten Rückgang des privaten Verbrauchs auslösen könnten. Die eigentliche Gefahr geht jedoch von der zunehmenden Verschuldung der Verbraucher aus (wenn die Zinsen bei 4% bleiben), was den bereits boomenden Immobilienmarkt noch weiter anheizen dürfte, der dann am Ende des Jahres von aggressiven Zinssenkungen getroffen würde. Das könnte dann der Auslöser für das abrupte Ende der Verbraucherausgaben sein, das die Banken befürchten. Die Botschaft ist klar – besser jetzt die Zinsen erhöhen und ein gefährliches mittelfristiges Szenario vermeiden.
Bedeutet das jedoch, das wir schon bald mit Zinserhöhungen rechnen können?
Trotz der Anzeichen einer Erholung im produzierenden Gewerbe (wir erinnern daran, daß der MPC den vorausschauenden Indikatoren ein starkes Gewicht beimaß, als sie im vergangenen Jahr nachgaben) und einer Beschleunigung der öffentlichen Ausgaben, bleibt die Botschaft der britischen Notenbank, daß vorerst keine Eile besteht. Könnte eine Reihe starker Konjunkturdaten sie möglicherweise zu einer Änderung ihrer Haltung bewegen? Dies war zumindest in der Vergangenheit schon einmal der Fall. Nach zwei Monaten einstimmiger Beschlüsse, die Zinsen stabil zu halten, mußte die Bank of England im September 1999 aufgrund unvorhergesehen starker Konjunkturdaten, insbesondere was das Tempo der inländischen Nachfrage betraf, die Zinsen entgegen der Markterwartungen erhöhen. Wenn der Inflationsbericht im Mai die Möglichkeit eines weiteren Anstiegs über das Zweijahresziel hinaus (über 60%) anzeigt, ist es immer noch realistisch, mit dem ersten Anstieg im Juni zu rechnen. Wir sagen weiterhin vier Zinsschritte in diesem Jahr um jeweils 25 Basispunkte vorher, so daß die Zinsen am Jahresende bei 5% liegen werden.