Euro am Sonntag-Strategie |
07.05.2016 08:00:02
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Sell in May: Sommerschlaf bei DAX & Co
von Andreas Höß, Euro am Sonntag
Neben hohen Gewinnen lieben Börsianer vor allem zwei Dinge: Statistiken und griffige Merksätze, die ihnen zu noch höheren Gewinnen verhelfen. Einer der bekanntesten Sprüche ist dieser: "Sell in May and go away" - oft versehen mit dem Zusatz "but remember to come back in September". Übersetzt bedeutet das etwa: Verkaufe im Mai alle Aktien, aber denke daran, im September zurückzukehren.
Doch was ist an diesem Jahrzehnte alten Rat dran, die Börse im Sommer zu meiden? War er für Händler an der Wall Street nur eine billige Ausrede, um möglichst früh aus dem heißen New York in die Sommerfrische zu entfliehen? Und wie sieht es heute aus? Droht im Sommer eine Korrektur oder sogar ein Crash?
Sorgen gibt es massenhaft, schließlich kursieren an der Börse traditionell viele Untergangsszenarien. Da macht das Jahr 2016 keine Ausnahme. Die Weltwirtschaft läuft schleppend, einige Schwellenländer haben massive Probleme, das schlägt sich in den Bilanzen der Konzerne aus den Industriestaaten nieder. Und ob die Notenbanken mit ihrer Geldflut weiter alle Bedenken wegschwemmen können, ist fraglich. Sollten die Briten zudem am 23. Juni für den EU-Austritt stimmen, wären die Folgen gravierend. Und in den USA könnte der unberechenbare Populist Donald Trump sogar zum nächsten Präsidenten gewählt werden.
Andererseits herrscht ein Anlagenotstand. Auf dem Sparbuch gibt es kaum noch Zinsen, wodurch die Attraktivität von Dividendentiteln steigt. Zudem sind Aktien Sachwerte, was die Unternehmensanteile per se interessant macht.
Das Spannungsfeld ist also groß. Ob Anleger nun mit dem Schlimmsten rechnen müssen, lässt sich seriös nicht vorhersagen. Analysten und Anleger neigen dazu, Horrorvisionen an die Wand zu malen. Werden sie wahr, gehen Börsianer aber oft mit einem Schulterzucken wieder zum Alltagsgeschäft über. Zu guter Letzt bedeuten viele Gefahren auch viel Raum für positive Überraschungen, wenn ein schlimmes Szenario nach dem anderen zu den Akten gelegt werden kann.
Verheerende Verluste brachte der Mai aber nicht. Und weitet man wie die DZ Bank den Blick auf andere Börsen aus, relativiert sich das Ergebnis weiter. Deutsche Aktien machten im Mai immerhin durchschnittlich 0,3 Prozent Gewinn, US-Aktien sogar 0,5 Prozent. Kein Grund zur Panik also? Stimmt.
Doch eines haben die Statistiken der großen Börsenbarometer gemeinsam: Der Mai läutete oft eine Schwächephase ein, die, anders als die Faustregel besagt, in Deutschland und den USA bis in den September dauert. So lagen US-Aktien in den vergangenen 56 Jahren im Schnitt im Juli und September, deutsche Aktien im Juni und September, europäische Aktien hingegen im Mai, Juni und August im Minus.
Hochgerechnet heißt das: Die Kurse deutscher Aktien haben in dieser Zeit in der Regel in den Sommermonaten zwischen Mai und September nahezu stagniert, in der kühlen Zeit zwischen Oktober und April aber monatlich um 1,1 Prozent zugelegt. Die Berechnungen für europäische und US-Aktien sind ähnlich. Wer der Börse fast sechs Jahrzehnte lang immer von Mai bis einschließlich September den Rücken gekehrt hätte, hätte also nichts verpasst - weder Gewinne noch Verluste.
Ein weiterer Faktor könnten die Hauptversammlungen sein, zu denen Konzerne ihre Zahlen und Prognosen abliefern und an Aktionäre Dividenden ausschütten. Die meisten finden vor Mitte Mai statt. Danach laufen die Nachrichten zu den Unternehmen weniger gebündelt über die Ticker und die Umsätze an den Börsen werden dünner, wobei die Urlaubssaison über Pfingsten und Sommer dabei vielleicht doch noch eine Rolle spielt.
Auch wenn die Ursachen für das Muster etwas im Dunklen bleiben: In den vergangenen Jahren hat die saisonale Strategie gut funktioniert. Zumindest wenn man die Faustregel "Sell in May" durch "Sell in Summer" ersetzt. Ablesen lässt sich das an Daten der Deutschen Börse. Anders als die DZ Bank begnügt sie sich bei ihrer Rückrechnung mit dem Zeitraum bis zur Einführung des DAX im Jahr 1988. Betrachtet man diese Spanne, waren nicht Juni und September, sondern August und September die größten Minusmonate - und das mit jeweils mehr als zwei Prozent Verlust ziemlich deutlich.
Trotzdem glauben die Autoren der Studie nicht daran, dass die Deutsche Börse mit ihrem Index einen Erfolgsgaranten aufgelegt hat. Erstens wegen einer typischen statistischen Falle, dem "Rückschau-Fehler": Statistische Muster müssen in Zukunft keinen Bestand haben, sondern können sich im Lauf der Zeit ändern. Zweitens beruhe ein großer Teil der besseren Wertentwicklung der saisonalen Strategie in den vergangenen zehn Jahren auf zwei Crashs, die in den Sommer fielen: dem Absturz wegen der Schuldensorgen im Jahr 2011 und der starken Korrektur im vergangenen Sommer. "Egal ob Zufall, Glück oder Erfolg der Strategie - der Investor konnte sich freuen", resümieren die Analysten. Langfristig seien saisonale Muster aber "nicht mehr als eine nette Anekdote" und nicht dazu geeignet, um an der Börse Erfolg zu haben.
Investor-InfoSaisonale Muster
Keine Frage: Die Sommerschwäche an den Aktienmärkten lässt sich statistisch belegen. Wer langfristig anlegt, sollte sich davon aber nicht verrückt machen lassen. Erstens hat man auf lange Sicht statistisch nichts verloren, wenn man in den Sommermonaten investiert war. Erst in den vergangenen zehn Jahren haben zwei Sommercrashs die saisonale Strategie noch besser abschneiden lassen als ein Dauerinvestment an der Börse.
Zweitens ist die Statistik kein Garant dafür, dass auch in den kommenden Jahren die Korrekturen immer auf den Sommer fallen. Ein Beleg dafür waren die schmerzhaften ersten Monate des laufenden Jahres. Wer trotzdem im Sommer lieber entspannt am Strand liegt, als Aktienkurse zu checken, kann beispielsweise Anfang Oktober mit einem ETF in den DAX investieren (zum Beispiel von iShares; ISIN: DE0005933931) und seinen Indexfonds im Mai verkaufen. Möglich ist auch ein Investment in ein Zertifikat auf den saisonalen Strategieindex der Deutschen Börse (siehe unten). Temporäre Verkäufe von Einzelaktien, komplizierte Depotumschichtungen von Aktien in Anleihen oder ähnliche Dinge sollten sich Privatanleger aber schon allein wegen der hohen Transaktionskosten sparen.
Ohnehin gilt: Langfristige Anlageentscheidungen sollten nichts mit Jahreszeiten zu tun haben. Und wer dauerhaft investiert bleibt, steht am Ende vielleicht sogar besser da. Denn Hin und Her macht Taschen leer - auch das ist eine alte und bestens belegbare Börsenweisheit.DAX Seasonal Strat. Zertifikat
Das Open-End-Zertifikat DAXPlus Seasonal Strategy (ISIN: NL0000196301) der Royal Bank of Scotland bezieht sich auf den gleichnamigen Strategie-Index der Deutschen Börse. Dieser bildet den DAX von Oktober bis Juli ab und setzt in den statistisch schwachen Monaten August und September aus. Die Strategie ist Teil unseres €uro-Börsenindikators. Auch wenn sie immer wieder Schwächephasen hat: Zurückberechnet bis zum DAX-Start 1988 weist die Strategie eine deutlich bessere Entwicklung auf als der DAX. Gutes und nervenschonendes Investment.
Neben hohen Gewinnen lieben Börsianer vor allem zwei Dinge: Statistiken und griffige Merksätze, die ihnen zu noch höheren Gewinnen verhelfen. Einer der bekanntesten Sprüche ist dieser: "Sell in May and go away" - oft versehen mit dem Zusatz "but remember to come back in September". Übersetzt bedeutet das etwa: Verkaufe im Mai alle Aktien, aber denke daran, im September zurückzukehren.
Doch was ist an diesem Jahrzehnte alten Rat dran, die Börse im Sommer zu meiden? War er für Händler an der Wall Street nur eine billige Ausrede, um möglichst früh aus dem heißen New York in die Sommerfrische zu entfliehen? Und wie sieht es heute aus? Droht im Sommer eine Korrektur oder sogar ein Crash?
Sorgen gibt es massenhaft, schließlich kursieren an der Börse traditionell viele Untergangsszenarien. Da macht das Jahr 2016 keine Ausnahme. Die Weltwirtschaft läuft schleppend, einige Schwellenländer haben massive Probleme, das schlägt sich in den Bilanzen der Konzerne aus den Industriestaaten nieder. Und ob die Notenbanken mit ihrer Geldflut weiter alle Bedenken wegschwemmen können, ist fraglich. Sollten die Briten zudem am 23. Juni für den EU-Austritt stimmen, wären die Folgen gravierend. Und in den USA könnte der unberechenbare Populist Donald Trump sogar zum nächsten Präsidenten gewählt werden.
Andererseits herrscht ein Anlagenotstand. Auf dem Sparbuch gibt es kaum noch Zinsen, wodurch die Attraktivität von Dividendentiteln steigt. Zudem sind Aktien Sachwerte, was die Unternehmensanteile per se interessant macht.
Das Spannungsfeld ist also groß. Ob Anleger nun mit dem Schlimmsten rechnen müssen, lässt sich seriös nicht vorhersagen. Analysten und Anleger neigen dazu, Horrorvisionen an die Wand zu malen. Werden sie wahr, gehen Börsianer aber oft mit einem Schulterzucken wieder zum Alltagsgeschäft über. Zu guter Letzt bedeuten viele Gefahren auch viel Raum für positive Überraschungen, wenn ein schlimmes Szenario nach dem anderen zu den Akten gelegt werden kann.
Mai läutet Schwächephase ein
Bleibt die Statistik. Und die erscheint eindeutig - zumindest auf den ersten Blick. Eine aktuelle Berechnung zu saisonalen Effekten an den Weltbörsen stammt von der DZ Bank. Sie hat sich die Entwicklung der Aktienmärkte seit dem Jahr 1960 angesehen und festgestellt: Der Mai gehört statistisch in der Tat zu den schlechtesten Börsenmonaten; der europäische Aktienindex Stoxx Europe verlor im Schnitt mit 0,4 Prozent mehr als in jedem anderen Zeitraum. Ein Wonnemonat sieht anders aus.Verheerende Verluste brachte der Mai aber nicht. Und weitet man wie die DZ Bank den Blick auf andere Börsen aus, relativiert sich das Ergebnis weiter. Deutsche Aktien machten im Mai immerhin durchschnittlich 0,3 Prozent Gewinn, US-Aktien sogar 0,5 Prozent. Kein Grund zur Panik also? Stimmt.
Doch eines haben die Statistiken der großen Börsenbarometer gemeinsam: Der Mai läutete oft eine Schwächephase ein, die, anders als die Faustregel besagt, in Deutschland und den USA bis in den September dauert. So lagen US-Aktien in den vergangenen 56 Jahren im Schnitt im Juli und September, deutsche Aktien im Juni und September, europäische Aktien hingegen im Mai, Juni und August im Minus.
Hochgerechnet heißt das: Die Kurse deutscher Aktien haben in dieser Zeit in der Regel in den Sommermonaten zwischen Mai und September nahezu stagniert, in der kühlen Zeit zwischen Oktober und April aber monatlich um 1,1 Prozent zugelegt. Die Berechnungen für europäische und US-Aktien sind ähnlich. Wer der Börse fast sechs Jahrzehnte lang immer von Mai bis einschließlich September den Rücken gekehrt hätte, hätte also nichts verpasst - weder Gewinne noch Verluste.
Ursachensuche und Spekulationen
Zu den Gründen für diese sommerliche Stagnation gibt es verschiedene Mutmaßungen. Die Sommerfrische der Wall-Street-Händler, die während der heißen Monate den hitzigeren Privatanlegern den Markt überließen, mag vor 100 Jahren ausschlaggebend gewesen sein. Heute handeln an der Börse aber vor allem Profis. Doch auch diese unterliegen Zwängen. So werden die Risikobudgets der Großanleger immer wieder als Erklärung herangezogen. Zu Jahresbeginn können diese noch voll investiert werden, vor Jahresende werden letzte Reste ausgeschöpft, was jeweils für steigende Kurse sorgt.Ein weiterer Faktor könnten die Hauptversammlungen sein, zu denen Konzerne ihre Zahlen und Prognosen abliefern und an Aktionäre Dividenden ausschütten. Die meisten finden vor Mitte Mai statt. Danach laufen die Nachrichten zu den Unternehmen weniger gebündelt über die Ticker und die Umsätze an den Börsen werden dünner, wobei die Urlaubssaison über Pfingsten und Sommer dabei vielleicht doch noch eine Rolle spielt.
Auch wenn die Ursachen für das Muster etwas im Dunklen bleiben: In den vergangenen Jahren hat die saisonale Strategie gut funktioniert. Zumindest wenn man die Faustregel "Sell in May" durch "Sell in Summer" ersetzt. Ablesen lässt sich das an Daten der Deutschen Börse. Anders als die DZ Bank begnügt sie sich bei ihrer Rückrechnung mit dem Zeitraum bis zur Einführung des DAX im Jahr 1988. Betrachtet man diese Spanne, waren nicht Juni und September, sondern August und September die größten Minusmonate - und das mit jeweils mehr als zwei Prozent Verlust ziemlich deutlich.
Gewinnbringende Sommerpause?
Weil die Deutsche Börse schon vor etwa zehn Jahren einen Index entwickelt hat, der im August und September pausiert - und der über Zertifikate investierbar ist (siehe Investor-Info) -, lässt sich der Erfolg der Strategie gut nachvollziehen. Wer vor zehn Jahren 1.000 Euro in den "DAX mit Sommerschlaf" investiert hätte, hätte heute 2.200 Euro. Zum Vergleich: Beim normalen DAX wären es nur 1.700 Euro.Trotzdem glauben die Autoren der Studie nicht daran, dass die Deutsche Börse mit ihrem Index einen Erfolgsgaranten aufgelegt hat. Erstens wegen einer typischen statistischen Falle, dem "Rückschau-Fehler": Statistische Muster müssen in Zukunft keinen Bestand haben, sondern können sich im Lauf der Zeit ändern. Zweitens beruhe ein großer Teil der besseren Wertentwicklung der saisonalen Strategie in den vergangenen zehn Jahren auf zwei Crashs, die in den Sommer fielen: dem Absturz wegen der Schuldensorgen im Jahr 2011 und der starken Korrektur im vergangenen Sommer. "Egal ob Zufall, Glück oder Erfolg der Strategie - der Investor konnte sich freuen", resümieren die Analysten. Langfristig seien saisonale Muster aber "nicht mehr als eine nette Anekdote" und nicht dazu geeignet, um an der Börse Erfolg zu haben.
Investor-Info
Saisonale Muster
Statistik ohne Garantie
Keine Frage: Die Sommerschwäche an den Aktienmärkten lässt sich statistisch belegen. Wer langfristig anlegt, sollte sich davon aber nicht verrückt machen lassen. Erstens hat man auf lange Sicht statistisch nichts verloren, wenn man in den Sommermonaten investiert war. Erst in den vergangenen zehn Jahren haben zwei Sommercrashs die saisonale Strategie noch besser abschneiden lassen als ein Dauerinvestment an der Börse.
Zweitens ist die Statistik kein Garant dafür, dass auch in den kommenden Jahren die Korrekturen immer auf den Sommer fallen. Ein Beleg dafür waren die schmerzhaften ersten Monate des laufenden Jahres. Wer trotzdem im Sommer lieber entspannt am Strand liegt, als Aktienkurse zu checken, kann beispielsweise Anfang Oktober mit einem ETF in den DAX investieren (zum Beispiel von iShares; ISIN: DE0005933931) und seinen Indexfonds im Mai verkaufen. Möglich ist auch ein Investment in ein Zertifikat auf den saisonalen Strategieindex der Deutschen Börse (siehe unten). Temporäre Verkäufe von Einzelaktien, komplizierte Depotumschichtungen von Aktien in Anleihen oder ähnliche Dinge sollten sich Privatanleger aber schon allein wegen der hohen Transaktionskosten sparen.
Ohnehin gilt: Langfristige Anlageentscheidungen sollten nichts mit Jahreszeiten zu tun haben. Und wer dauerhaft investiert bleibt, steht am Ende vielleicht sogar besser da. Denn Hin und Her macht Taschen leer - auch das ist eine alte und bestens belegbare Börsenweisheit.
DAX Seasonal Strat. Zertifikat
DAX mit Sommerpause
Das Open-End-Zertifikat DAXPlus Seasonal Strategy (ISIN: NL0000196301) der Royal Bank of Scotland bezieht sich auf den gleichnamigen Strategie-Index der Deutschen Börse. Dieser bildet den DAX von Oktober bis Juli ab und setzt in den statistisch schwachen Monaten August und September aus. Die Strategie ist Teil unseres €uro-Börsenindikators. Auch wenn sie immer wieder Schwächephasen hat: Zurückberechnet bis zum DAX-Start 1988 weist die Strategie eine deutlich bessere Entwicklung auf als der DAX. Gutes und nervenschonendes Investment.
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