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Euro am Sonntag-Analyse 02.07.2016 12:00:00

Covestro: Mit brandneuem Rezept

von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Es war die große Stunde des Patrick Thomas. Stolz präsentierte der Chef des Chemiekonzerns Covestro vor wenigen Tagen eine technologische Sensation. Forscher des Konzerns haben weltweit das erste Verfahren zur Herstellung von Schaumstoffen im industriellen Maßstab entwickelt, bei dem der Rohstoff Mineralöl zu einem erheblichen Anteil durch billiges Kohlendioxid ersetzt wird.


Fast 50 Jahre hätten Chemiker nach einem Katalysator geforscht, um den Klimakiller CO2 als Rohstoff in der Kunststoffherstellung verfügbar zu machen, erklärt Thomas zur Bedeutung des Verfahrens. Der 59-jährige Brite beschäftigt sich schon viele Jahre mit der Materie. Über die wissenschaftliche Fortschritte hielt sich Thomas ständig auf dem Laufenden.

Abfall zu Geld

Ziel ist es, das neue Verfahren nicht nur bei Covestro, sondern über Lizenzen in der gesamten Plastikbranche zu etablieren. Das dürfte möglich sein, haben die Forscher aus Leverkusen doch herausgefunden, wie sie Abfall zu Geld machen können. Und Sparen wollen viele.

Das Kohlendioxid für die Produktion in Dormagen bei Köln etwa bezieht der Konzern von einer benachbarten Chemiefirma, hier ist das Treibhausgas ein Abfallprodukt. Zu möglichen Einsparungssummen hat Covestro bisher keine Angaben gemacht. Bekannt ist aber, dass vorerst jährlich 5.000 Tonnen eines Zwischenprodukts auf C02-Basis hergestellt werden - für Schaumstoffe in Matratzen und Polstermöbel. Visionär Thomas denkt schon weiter. "Es ist realistisch, auch Rotoren für Windräder aus Schaumstoffen zu bauen, die auf Basis von Kohlendioxid hergestellt werden." Das sei bloß eine Frage der Zeit.

Wie groß das Einsparpotenzial durch CO2 werden könnte, zeigt der breite Einsatz von Mineralölderivaten in der Kunststoffherstellung. Vier Prozent der globalen Öl- und Gasproduktion werden in Chemiefabriken zu Kunststoffen. Selbst wenn bei Schaumstoffen technologisch erst ein Fünftel der Derivate ersetzt werden kann - die Aussichten sind vielversprechend.


Die Weltpremiere dürfte das Selbstbewusstsein der Bayer-Tochter gegenüber der mächtigen Mutter gestärkt haben. Ende Februar hatte der DAX-Konzern, der noch 64 Prozent an der ehemaligen Konzernsparte Material Sciences hält, wie selbstverständlich auch den Jahresausblick für Covestro übernommen.

Seinen technologischen Triumph genießt der Kunststoffspezialist allein. Covestro ist in seinen beiden großen Sparten Weltmarktführer: sowohl bei Schaumstoffen - technisch Polyurethane - sowie bei härteren Kunststoffen, also den Polycarbonaten. Daraus werden nicht nur Vorprodukte für die Auto-, Möbel- oder Bauindustrie hergestellt. Auch im Fußball, der bei der Europameisterschaft in Frankreich über den Rasen rollt, steckt Kunststoff von Covestro. Die dritte und kleinste Sparte für Spezialprodukte liefert zuverlässig hohe operative Margen von über 20 Prozent. Sie stellt beispielsweise Grundstoffe her, die in der Lederproduktion eingesetzt werden.

Eine Milliarde Cashflow

Weil Bayer schon vor der Abspaltung Milliarden für die effiziente Massenfertigung ausgegeben hat, sind bis 2019 keine größeren Investitionen bei Covestro nötig. Steigende Preise und eine bessere Auslastung schlagen sich in höheren Mittelzuflüssen nieder. Für 2016 peilt Covestro beim freien Mittelzufluss "über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre" an, sagte Finanzvorstand Frank Lutz zu €uro am Sonntag.

Nach dem Cashflow-Rekord von 964 Millionen für 2015 dürften hier dieses Jahr mehr als 560 Millionen Euro das Mindestziel sein. Aus Sicht von Analysten ist das Ziel konservativ geschätzt. Die Fachleute trauen Covestro beim Cashflow auch 2016 einen neuen Bestwert zu - über eine Milliarde Euro.

Investor-Info

Covestro
Im Aufwind

Bei Kunst- und Schaumstoffen ist Covestro Weltmarktführer. Die beiden größten Sparten liefern fast zwei Drittel des operativen Gewinns. Für 2016 erwarten Analysten hier im Schnitt 1,7 Milliarden Euro. Seit ihrem Kurstief im Februar hat die Aktie deutlich zugelegt. Gemessen an den elf Prozent Plus beim Nettogewinn, die Analysten für 2017 erwarten, ist die Aktie recht hoch bewertet. Covestros vorsichtige Prognosen lassen aber Raum für positive Überraschungen.

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