Rückschlag für Impfkampagne |
17.06.2021 16:58:00
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CureVac-Aktie -44%: Impfstoff mit vorläufiger Wirksamkeit von 47% - Bund: Keine Auswirkungen auf Impfkampagne
Der CureVac-Impfstoffkandidat befindet sich schon seit Dezember - also seit rund einem halben Jahr - in der finalen und damit zulassungsrelevanten 2b/3-Studienphase. Während zahlreiche Konkurrenten ihre Vakzine längst auf den Markt gebracht haben, sammelt CureVac nach wie vor Daten. Ob CureVac nun überhaupt absehbar - und wenn, wann - liefern kann, bleibt vorerst unklar.
Die Bundesregierung hatte den CureVac-Impfstoff Berichten zufolge lange für die zweite Jahreshälfte eingeplant, auf der jüngst vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Liste der Impfstoff-Lieferplanungen fehlte das Unternehmen aber bereits. Zuletzt hatte die Plattform "Business Insider" berichtet, es habe noch Ende Mai in internen Lieferprognosen der Bundesregierung geheißen, dass von CureVac bis Jahresende eine zweistellige Millionenmenge an Impfstoffdosen erwartet werde.
Angesichts der massiven Zeitverzögerung hatte die Firma zuletzt nicht nur ihre Aktionäre immer wieder vertröstet. Bis Anfang Juni hatte es geheißen, das Unternehmen erwarte - abhängig von den klinischen Studiendaten - die Zulassung seines Impfstoffkandidaten in der EU zumindest noch im zweiten Quartal. Doch kurz darauf wurde bekannt, dass sich das Verfahren weiter verzögern werde. Zuletzt war darüber spekuliert worden, der CureVac-Impfstoff könne möglicherweise im August in der EU zugelassen werden. Auch diese Aussichten könnten sich nach Bekanntwerden der neuen Daten erledigt haben.
Als Schlagzeile sei dies natürlich nicht gut, schrieb dazu Analyst Umer Raffat von der Investmentbank Evercore ISI. Wegen der breiten Streuung der in der Studie vorliegenden Mutationen sei die Zahl einer nur 47-prozentigen Wirksamkeit aber auch nicht wirklich vergleichbar mit denen anderer mRNA-basierter Impfstoffe. Dennoch werfe das Ergebnis jetzt Fragen auf bezüglich des Erfolgs der bisherigen Impfkampagnen.
Zur Frage, wie es mit dem bisherigen Impfstoffkandidaten nun weitergehen soll, äußerte sich CureVac in der Mitteilung nicht im Detail. Allerdings lud das Unternehmen "interessierte Parteien" für Donnerstag zu einer Telefonkonferenz ein.
CureVac-Vorstandschef Franz-Werner Haas teilte mit, man habe auf stärkere Ergebnisse in der Zwischenanalyse gehofft. Man wolle die laufende Studie aber dennoch bis zur finalen Analyse fortsetzen. "Die endgültige Wirksamkeit könnte sich noch verändern." SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb auf Twitter: "Schade, das Team aus Tübingen hätte Erfolg verdient gehabt."
Der Impfstoffkandidat der Tübinger basiert - ebenso wie beispielsweise das bereits länger in der EU zugelassene Vakzin des Mainzer Konkurrenten BioNTech - auf sogenannter "messenger RNA" (Boten-RNA) und unterscheidet sich damit von herkömmlichen Vektorimpfstoffen wie etwa jenem von AstraZeneca. Doch anders als bei BioNTech oder auch beim US-Konkurrenten Moderna lässt die Wirksamkeit des CureVac-Impfstoffs offenbar deutlich zu wünschen übrig.
Die Firma teilte mit, dass die Wirksamkeit des Impfstoffkandidaten von der untersuchten Altersgruppe und den Virusstämmen abhänge. In die Analyse sei die Wirksamkeit gegen mindestens 13 Covid-Varianten eingegangen. Der Epidemiologie Lauterbach folgerte aus den von CureVac bekanntgegebenen Daten: "Verschiedene Varianten waren betroffen. Damit dürfte die Wirkung gegen die Delta-Variante alleine noch niedriger sein." Nach Ansicht vieler Virologen ist diese zuerst in Indien bekanntgewordene Virus-Variante deutlich ansteckender und verursacht schwerere Krankheitsverläufe.
Jefferies-Analyst Eun Yang kürzte in einer aktuellen Studie sein Kursziel für CureVac von 58 auf 45 Dollar und blieb bei seiner Empfehlung, die Aktie zu halten ("Hold"). Der Experte sprach von einer Enttäuschung, die die lange erwarteten Daten nun gebracht hätten. Die Wirksamkeit des CureVac-Vakzins liege deutlich unter den Werten, die der US-Konzern Novavax erst kürzlich aus seiner zulassungsrelevanten Studie der Phase 3 bekanntgegeben habe. Novavax hatte am Montag über eine Gesamtwirksamkeit von 90,4 Prozent berichtet und die Wirksamkeit gegen "überwiegend zirkulierende, besorgniserregende Varianten und unter Beobachtung stehende Varianten" mit rund 93 Prozent angegeben.
Anders als bei CureVac basiert der Novavax-Impfstoff nicht auf der mRNA-Technologie, sondern er enthält winzige Partikel des Spike-Proteins, mit dem das Coronavirus an die Zellen des Menschen andockt und diese infiziert. Das menschliche Immunsystem soll so durch die Bildung von Antikörpern auf den tatsächlichen Erreger vorbereitet werden, damit es dessen Eindringen abwehren kann.
Während der ersten Corona-Infektionswelle 2020 wurde CureVac zu einem so großen Hoffnungsträger, dass sich der deutsche Staat im Rahmen einer Finanzierungsrunde über die Förderbank KfW mit 300 Millionen Euro am Unternehmen beteiligte - wohl auch deshalb, um Fremdzugriffe auf das Know-How zu verhindern. Angeblich hatten die USA unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump zuvor versucht, sich exklusiv die Rechte an einem Impfstoff gegen das Coronavirus von CureVac zu sichern. Später erhielt CureVac für die Forschung an einem Coronaimpfstoff noch eine Finanzspritze des Bundes von 252 Millionen Euro. Zuletzt war der Bund noch mit rund 16 Prozent an den Tübingern beteiligt, durch den rasanten Kurseinbruch sinkt der Wert der Staatsbeteiligung um rund eine Milliarde auf aktuell 1,4 Milliarden Euro.
Zudem verschaffte sich CureVac 2020 über einen Börsengang in New York sowie mehrmals über Kapitalerhöhungen frisches Geld. Das Unternehmen vereinbarte eine Partnerschaft mit dem Leverkusener Pharmakonzern Bayer, und WACKER CHEMIE hat eine Vereinbarung mit CureVac für eine Auftragsproduktion des Impfstoffes.
Historisch noch enger verzahnt ist CureVac allerdings mit dem SAP-Mitgründer und Investor Dietmar Hopp, der nach wie vor mit rund 47 Prozent größter Aktionär des Unternehmens ist. Hopp sorgte zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 für Schlagzeilen, als er überraschend verkündete, CureVac könne möglicherweise schon im Herbst 2020 einen Corona-Impfstoff liefern. Das blieb ein unerfüllter Wunsch.
Bund: CureVac-Rückschlag hat keine Auswirkungen auf Impfkampagne
Der Rückschlag der Tübinger Biopharmafirma CureVac bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs bringt die Impfkampagne in Deutschland laut Bundesregierung nicht durcheinander. "Eine Auswirkung auf das Tempo unserer Impfkampagne hat diese Mitteilung nicht", sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Donnerstag in Berlin. Die Nachrichten über vorläufige Studienergebnisse könne das Ministerium nicht kommentieren.
Die Bundesregierung hatte den CureVac-Impfstoff ursprünglich in der Impfkampagne eingeplant. Nach den damaligen Lieferprognosen erwartete das Gesundheitsressort im März für das gesamte Jahr 323,7 Millionen Impfdosen. Davon sollten 24,5 Millionen von CureVac kommen. Fürs zweite Quartal war mit 1,4 Millionen CureVac-Dosen gerechnet worden. Zum Vergleich: 50 Millionen Dosen sollen allein von BioNTech/Pfizer in dem Zeitraum kommen. Aktuell rechnet das Ministerium ausweislich seiner im Internet veröffentlichten Listen nicht mehr mit Lieferungen durch CureVac.
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hatte im Februar ein schnelles Prüfverfahren für den Impfstoff der Tübinger Firma gestartet. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hatte im April eine deutsche Notfallzulassung gefordert und die Prüfungen als bürokratisch kritisiert. Nach Angaben vom Mai schreibt CureVac aufgrund hoher Forschungskosten für den Corona-Impfstoff rote Zahlen. Damals hatte CureVac die Zulassung noch im Juni erwartet. Der Impfstoff sollte ab Anfang Juni in einer Studie in Großbritannien auf seine Sicherheit und Wirksamkeit als Booster-Impfung überprüft werden. Mit Booster-Impfungen soll ein Schutz einige Zeit nach einer abgeschlossenen Impfung aufgefrischt werden.
CureVac-Aktien im Sinkflug
In den USA, dem Haupthandelsort für die CureVac-Aktie, gibt das Papier am Donnerstag im NASDAQ-Handel zeitweise um 44,09 Prozent auf 53,00 US-Dollar nach.
(dpa-AFX /Dow Jones)
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